Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2. Группа авторов

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2 - Группа авторов страница 4

Oberhausen: Eine Stadtgeschichte im Ruhrgebiet Bd. 2 - Группа авторов

Скачать книгу

im Schilf in ihrem stacheligen Asyle umschlüpfen und bald hier bald drüben ihre Federbüschel hervorstrecken. Dann noch etwa jede Meile eine Hütte, vor deren Tür sich ein paar Kinder im Sande wälzen und Käfer fangen und allenfalls ein wandernder Naturforscher, der neben seinem überfüllten Tornister kniet und lächelnd die zierlichen versteinerten Muscheln und Seeigeln betrachtet, die wie Modelle einer früheren Schöpfung verstreut liegen – und wir haben alles genannt, was eine lange Tagesreise hindurch eine Gegend belebt, die keine andere Poesie aufzuweisen hat, als die einer fast jungfräulichen Einsamkeit und einer weichen traumhaften Beleuchtung.“3

      Noch zu Beginn des 19. Jahrhunderts herrschten also in der Region des späteren Oberhausens Heide- und Waldflächen vor, die von moorartigen Gebieten durchbrochen wurden. Die Region war weitgehend unbesiedelt, von einigen kleineren Orten wie Sterkrade, Osterfeld und Holten abgesehen. Die dort wohnenden Menschen lebten vor allem von Holz-, Streu- und Weidenutzung oder Plaggenwirtschaft – eine landwirtschaftliche Betriebsweise, bei der Rasenteile vermischt mit Viehmist zur Düngung des Bodens verwendet wurden. Teilweise hatten sie sich für diese Arbeiten genossenschaftlich organisiert. Nur bei Holten und nach Süden zur Ruhr in den Bereichen um Lirich, Lipppern, Styrum und Alstaden nahm der Anteil der Ackerflächen etwas zu. Hier konnte von Bauern und Köttern Ackerbau betrieben werden, auch wenn es sich in Emschernähe um schwere, nicht besonders fruchtbare Böden handelte.4 Als weitere Erwerbsmöglichkeit kam die Viehhaltung hinzu, die jedoch durch die wenig fruchtbaren Böden ebenfalls sehr eingeschränkt war. Aus den agrarischen Tätigkeiten resultierten kleinere Gewerbe wie die Schnapsbrennerei – besonders aus den Beeren des weit verbreiteten Wacholderstrauches – und die Brauerei. Auch mehrere Mühlen konnten in der Umgebung als agrarisches Nebengewerbe existieren.

      Das Handwerk war ebenfalls weitgehend agrarisch orientiert. Zusätzliche Verdienstmöglichkeit dürften den Handwerkern aber auch die verschiedenen Adelssitze und das Kloster in Sterkrade geboten haben. Für Holten ist ab 1740 vorübergehend das Tuchmachergewerbe bedeutend. Maximal 51 Arbeiter saßen 1787 als Heimarbeiter für Manufakturbetriebe aus dem Duisburger Raum an Webstühlen, vermutlich im Nebengewerbe. Mit der Industrialisierung der Weberei ging die Zahl der betriebenen Webstühle aber schon zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder rasch zurück. 1820 waren für Holten nur noch zehn Tuchmacher verzeichnet.5 Der amtliche Zeitungsbericht der Stadt Holten stellte dann im Mai 1831 fest: „Die Tuchfabriken in dem Städtchen Holten sind ihrer gänzlichen Auflösung nahe […]“6

       Abb. 2: Freiherr Franz von Wenge zu Diek (1707 – 1788), nach einem Gemälde von Ernst Linnenkamp

      In diese öde Landschaft brach Mitte des 18. Jahrhunderts eine neue Entwicklung ein.7 Voraussetzung dafür war die Nutzung eines unter der „Wüste“ und dem Moor lagernden Bodenschatzes, dem Raseneisenerz. Raseneisenerz ist ein Sumpferz, das in Niederungen von Flüssen und in Mooren vorkommen kann. Es bildet sich, wenn eisenhaltiges Grundwasser starken Schwankungen ausgesetzt ist und Eisenteilchen sich an Böden oder Wurzeln anlagern. Reichert sich das Eisen mit der Zeit an, entstehen bis zu wenige Dezimeter dicke Schichten, die über 50 Prozent Eisen enthalten können. Das Raseneisenerz befindet sich oberflächennah, das heißt etwa einen Spaten tief unter dem Boden, und verteilt sich über große Flächen. Sein Abbau greift weitflächig in die Bodenbeschaffenheit der Landschaft ein. Für die landwirtschaftliche Bodennutzung ist der Abbau dennoch lukrativ: Einerseits schafft er für die auf recht unfruchtbaren Böden arbeitenden Bauern eine zusätzliche Verdienstmöglichkeit. Andererseits wird der Boden nach Gewinnung des Erzes für eine landwirtschaftliche Nutzung fruchtbarer.8

      Um diesen Schatz an Erz zu heben, bedurfte es eines Pioniers, der die Chance erkannte und zu erheblichen Investitionen fähig und bereit war. Dieser Pionier war Franz Ferdinand Nicolaus Lambertus Otto Joseph von Wenge (1707 – 1788). Im August 1707 auf Gut Portendieck, dem Stammsitz der Familie, in Schonnebeck bei Essen geboren, wendete sich Franz Ferdinand von Wenge einer geistlichen Karriere zu.9 Am 6. November 1736 wurde er in das ▶ Domkapitel von Münster, der Regierung des Fürstbistums, berufen. Das Fürstbistum Münster galt zu dieser Zeit als eines der am stärksten aufgeklärten und fortschrittlichsten geistlichen Fürstentümer in Deutschland. Aus seiner Tätigkeit als Domkapitular bezog von Wenge regelmäßige Einkünfte aus kirchlichen Besitztümern. Hierzu zählte auch das ▶ Archidiakonat Winterswijk am Niederrhein,10 in dessen Nähe schon Mitte des 18. Jahrhunderts mehrere Eisenhütten betrieben wurden: seit 1689 die Rekhemer Hütte in Doetinchen, seit 1729 die St. Michaelis Eisenhütte in Liedern bei Bocholt und ab 1754 eine Eisenhütte in Ulft. Alle drei Hütten arbeiteten mit Holzkohle und Raseneisenerz als örtlichen Rohstoffen. Auch bei Haus Broich in der Nähe von Mülheim soll zu Beginn des 17. Jahrhunderts bereits Eisen in Rennöfen geschmolzen worden sein.

      Vielleicht kam von Wenge auf diese Weise mit der Eisenverhüttung in Kontakt, ansonsten sind seine Motive eine Eisenhütte zu errichten nicht überliefert.11 Auch dürfte bekannt gewesen sein, dass Raseneisenerz auch an den Ufern von Emscher und Lippe lagerte. 1740 betätigte sich von Wenge erstmals montanindustriell, als ihn am 11. November die Essener Fürstäbtissin mit dem „Bleiberg auf Isingerfeld bei Steele“ zur Erzgewinnung belehnte. Weitere Nachrichten über diese industrielle Betätigung von Wenges gibt es jedoch nicht.12

      Kurz nach der Jahreswende 1740/​41 wendete sich von Wenge dann den Erzvorkommen im Vest Recklinghausen zu, das zu dieser Zeit Teil des Fürstbistums Köln war. Am 25. Februar 1741 erreichte ein Schreiben den Kölner Erzbischof Clemens August von Bayern – in Personalunion ebenfalls Fürstbischof von Münster, Hildesheim, Osnabrück und Paderborn sowie Herrscher über weitere deutsche Territorien. Von Wenge, als Domherr in Münster stand er in Clemens Augusts Diensten, stellte in dem Schreiben zunächst fest, dass sich „in der gegendt von Osterfeldt und Buer“ im Vest Recklinghausen ein „Verstreueter steiniger ohrgrundt befinde, woraus dem äußerlich ansehen nach wohl einiges eisen zu erzwingen seyn mögte“. Wenge teilte seinem Landesherrn dann mit, dass er die Eisengewinnung plane. Anschließend stellte er das Gesuch, er nannte es „Approbation“, dieses Erz graben und auf seine Tauglichkeit auf eine Verhüttung prüfen zu dürfen. Sollte das Erz brauchbar sein, so erwartete von Wenge für das Vest Recklinghausen einen starken wirtschaftlichen Aufschwung, wo bisher „fast kein Commercium vorhanden“ sei. Er deutete aber auch an, dass „große Kosten und mühe erforderlich seynd“, um das Erz gewinnen und verwerten zu können.13

       Abb. 3: Clemens August von Bayern (1700 – 1761), Erzbischof und Kurfürst von Köln (ab 1723), Fürstbischof von Münster (ab 1719), Paderborn, Hildesheim und Osnabrück

       Abb. 4: Erste Seite des am 17. Mai 1752 bei der Hofkammer in Bonn eingegangenen Antrags Franz von Wenges zur Genehmigung der Errichtung einer Eisenhütte (zeitgenössische Abschrift)

      Die Hofkammer in Bonn beantwortete noch am Tag, an dem der Antrag von Wenges eingegangen war, das Schreiben und stellte von Wenge einen Mutschein für ein „Eisenbergwerk“ aus. Damit war ihm erlaubt, im Vest Recklinghausen nach Erz zu suchen und dieses auf seine Eignung zur Verhüttung zu prüfen. Üblicherweise wurde nach Freilegung des Erzes vom Besitzer des Mutscheins eine Belehnung mit den Erzfunden beantragt, womit die Erlaubnis zur Ausbeutung der Erzfunde, eigentlich landesherrliches Recht, verbunden war. Im Mutschein vom 25. Februar 1741 wurde von Wenge daher vorgeschrieben, „binnen gehöriger Zeit“ die Belehnung mit einem Eisensteinbergwerk zu beantragen.14

      Dieser Vorgabe kam von Wenge jedoch nicht so schnell nach. Es ist nicht festzustellen, ob er noch

Скачать книгу