Wir können machen, was wir wollen. Nina Pourlak

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wir können machen, was wir wollen - Nina Pourlak страница 6

Wir können machen, was wir wollen - Nina Pourlak

Скачать книгу

so sieht‘s aus! Die sind im Stillen auch noch neidisch auf die zahllosen Vorteile meines Personenstandes:

      Zum Beispiel hat man so viel freie Zeit als Single … Man kann im Bett liegen und Sachen aus Zeitschriften ausschneiden, ohne dass einen irgendjemand fragt: Was machst du da, und wofür soll das überhaupt gut sein? Man kann Fischstäbchen essen und Toast mit Nutella, als wäre man zwölf, und keiner kommt mit seinem dussligen Jamie-Oliver-Kochbuch um die Ecke und setzt einen mit irgendwelchen Spezialrezepten unter Druck, als ob es nicht genug Restaurants in dieser Stadt gebe und als ob es darauf ankäme, seine ganze Sippe am Leben zu erhalten und soundso viele hungrige Mäuler zu stopfen.

      Man kann sich jemand ausdenken, der einem gefallen würde, und sich vorstellen, wie er einen besuchen kommt oder wie man ihn zufällig trifft, zum Beispiel auf einer Wiese, und was dann alles Wildes passieren würde. Es ist erheblich schwieriger, sich so etwas vorzustellen, wenn neben einem jemand liegt und schnarcht.

      Last, not least: Man kann aus einer attraktiven Altbauwohnung mit nachbarlichem Familienanschluss und Mietergemeinschaft in einer hübschen Seitenstraße am Ufer von Kreuzkölln in einen gigantischen hässlichen anonymen Wohnklotz direkt am Kotti umziehen, nur weil man das Eiscafé in der Straße hasst, ohne dass man sich groß rechtfertigen muss, oder vielleicht noch jemanden um Erlaubnis fragen. Und weil es in der neuen Wohnung eine Badewanne gibt und eine Terrasse und weil man von oben auf die ganze Welt sehen kann und keiner Fragen stellt über Zukunft und Familienplanung und den Sinn des Lebens.

      Ich packe jedenfalls grade die Kartons. Tschüss, Eiscafé. Tschüss, Mutterherde. Den nächsten Sommer werdet ihr ohne mich auskommen müssen.

       Minka

      Meine Mutter sagt immer, man muss auch ein Talent zum Glücklichsein haben. Es gibt so viele Leute, die könnten eigentlich total glücklich sein, objektiv betrachtet haben sie vielleicht sogar viel mehr Grund dazu als andere, doch nur weil sie sich immer so viele Sorgen machen oder sich mit anderen vergleichen oder eifersüchtig und missmutig sind oder Drogen nehmen und sich selbst zerstören, werden sie niemals glücklich sein so wie zum Beispiel Amy Winehouse und alle, von denen sie sonst noch so gelesen hat in den Frauenzeitschriften.

      Mein Vater sagt immer, das entscheidet man gar nicht selbst. Vergleiche sind immer da, du kannst ihnen nie entkommen: Wenn zwei Mädchen zusammen ausgehen, dann vergleicht man sie doch sofort miteinander, das würde jeder Mann tun. Jeder guckt, wer die Hübschere ist, automatisch. Die beiden Mädchen selbst wahrscheinlich auch. Wie ein unausgesprochener Wettbewerb. Die Frage ist also eher, wie man diesen ganzen Wettbewerb aushalten kann. Jeden Tag. Wie sehr es einem gelingt, das zu vergessen oder auszublenden. Und wenn man es ganz vergisst, vielleicht läuft man dann irgendwann außerhalb der Konkurrenz. Man wäre dann einfach nur noch man selbst.

      Manchmal muss ich daran denken, wenn ich zur Arbeit fahre und mir Paare gegenübersitzen. Wieso sie wohl ausgerechnet einander ausgesucht haben? Oder wer es noch hätte sein können? Oder ob es Liebe auf den ersten Blick war und ob es von Anfang an nur den einen gab, so wie bei uns. Dann würde ich am liebsten sofort eine Umfrage starten: Entschuldigung, wo habt ihr euch kennengelernt, und was ist dann passiert? Und wie geht‘s jetzt weiter?

      Ich glaube, ich habe so ein Talent zum Glücklichsein. Ich bin doch schon immer so wahnsinnig glücklich, wenn ich aufwache, dass ich am liebsten aufspringen und laut singen würde. Dann sehe ich mir Tobi an, während er schläft, und ich bin sogar noch glücklicher, weil er immer so lustige Geräusche macht beim Schlafen. Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich aus diesem kleinen Ort komme, dass ich so wahnsinnig romantisch bin, aber das kann es ja eigentlich nicht sein, denn er kommt ja auch daher und ist überhaupt nicht so. Oder liegt es vielleicht daran, dass auch meine Mutter und mein Vater und meine Oma und mein Opa schon ihr ganzes Leben lang zusammen sind und dass das bei uns einfach in der Familie liegt und vererbt wird, so wie blaue Augen und Sommersprossen?

      Jedenfalls – ich war schon immer so, und das habe ich auch in meinem Bewerbungsgespräch gesagt: Man könnte meinen, es liegt in meinen Genen. Ich glaube an die große Liebe, ganz fest, und ich habe meine große Liebe auch schon gefunden, obwohl ich ja eigentlich noch ziemlich jung bin. Und ich würde am liebsten allen Leuten da draußen mitteilen, dass es so etwas wirklich gibt und dass sie nicht so ungeduldig sein sollen und sich einfach darauf verlassen. Irgendwann ist es so weit, und sie werden ihr begegnen, und dann sollten sie aber auch nicht immer gucken, ob es noch was Besseres gibt, wenn sie dann jemanden gefunden haben, sondern einfach glücklich sein.

      Vielleicht geht es darum nämlich am meisten. Vielleicht zählt letztendlich einfach nur diese Entscheidung füreinander. Vielleicht ist das ja auch kitschig, und Tobi sagt immer, ich sei so naiv, vielleicht haben diese Businesstypen beim Lesen auch zuerst gedacht, dass ich spinne oder nun mal einfach ein Landei bin und vollkommen weltfremd, aber zumindest hat es sich anscheinend von den anderen Bewerbungen abgehoben, denn genau deswegen haben sie mich doch schließlich eingeladen.

      Sie fanden mich so very pretty und das alles total iiiiimoschenall und heartwarming, das ist nämlich ein amerikanischer Konzern, und so hat mir also mein vollkommenes Liebesglück auch noch diesen Job verschafft.

      Und jetzt kriege ich jeden Tag diese Nachrichten von den ganzen einsamen Herzen auf meinen Server, und wenn die so ihre Geschichten erzählen, bin ich doch etwas schockiert darüber, was eigentlich alles Liebe ist oder sein soll heutzutage. Die kleinsten Dinge, an denen man sich festhält …

      Ich habe gar nicht gewusst, wie das läuft, dass sich ständig irgendjemand nicht zurückmeldet, dass die Leute sich teilweise jede Woche mit soundso vielen Kandidaten verabreden, dass manche schon fünf Jahre allein sind und total verzweifelt, dass man sich absolut nie richtig sicher sein kann, ob das jetzt die große Sache ist oder wieder nur ein Flop und der andere einfach so am nächsten Morgen auf Nimmerwiedersehen verschwunden, ganz egal, was er vorher gesagt und getan hat. Und immer wieder, wie wenig einem Menschen genügt, um sich Hoffnungen zu machen. Weil er das so dringend will.

      Manchmal ist es nur ein Blick, auf dem da irgendeiner sein gesamtes Hoffnungsgebilde aufbaut. Je mehr ich von diesen Geschichten lese, desto glücklicher bin ich, dass ich Tobi habe. Ich wollte ihm das sogar eigentlich grad heute sagen, aber er kommt in letzter Zeit immer so spät nach Hause. Er ist auch richtig müde von der Uni. Er kleidet sich auf einmal auch ganz anders, er hat solche Sportsklamotten von Adidas an, die er früher nie getragen hätte, nicht mal zum Training, und die wir auch nicht zusammen gekauft haben. Sonst waren wir immer zusammen einkaufen, wir sind dann in die Stadt gefahren, und jeder hat für den anderen etwas ausgesucht, von dem er gemeint hat, das würde zu ihm passen. Das war wie ein Wettbewerb. Und es hat auch immer gepasst! Oder wir haben uns jedenfalls nichts anmerken lassen und sind damit rumgelaufen, auch wenn es uns gar nicht gefallen hat – einfach so, aus Liebe. Das ist wirklich romantisch, oder?

      Ist natürlich seine Sache, aber als ich ihn auf das Zeug angesprochen habe, meinte er so ganz barsch, irgendwann muss man sich eben auch mal verändern, und irgendwann muss man auch mal was alleine machen. Wir sind nicht aus unserem Dorf rausgekommen und nach Berlin gezogen, um genau so zu bleiben wie vorher. Sondern, um uns zu verändern.

      Das hat mir irgendwie Angst gemacht. Er sah dabei auch auf einmal richtig ernst aus, als würde er gar nicht nur von den Anziehsachen reden. Ich weiß noch nicht, was ich verändern soll. Aber vielleicht verändert man sich ja auch von ganz alleine. Dann merkt man plötzlich, dass man über eine bestimmte Sache nicht mehr so denkt wie früher. Und man weiß gar nicht, wie das so passiert ist, Stück für Stück. Ich hoffe, das wird etwas Gutes sein.

      Georg

      Wenn ich eine Vorstellung am Theater hatte und die Leute mir applaudiert haben und begeistert gejubelt, wenn ich noch mal auf die Bühne gekommen bin und mich verbeugt habe, dann ist es besonders seltsam, anschließend ganz alleine nach Hause zu fahren. Heute war es sogar der allerletzte

Скачать книгу