Berliner Leichenschau. Horst Bosetzky

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Berliner Leichenschau - Horst Bosetzky

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das war Verena. Warum sollte ick nich? Wir sind mal zusammen in eene Klasse jejangen, und da war ick vaknallt in sie. Dann musste ick ’ne Ehrenrunde drehen, und da hab ick sie aus’n Augen verloren.«

      »Und nun haben Sie sie beim Joggen bedrängt und wollten ein Treffen mit ihr erzwingen?«, wollte Theresa Marotzke wissen.

      »Ich habe sie überhaupt nicht bedrängt!«, gab Massanz leicht verärgert zurück. »Und nach einem Date zu fragen ist ja wohl nicht verboten, oder?«

      »Sind Sie abgewiesen worden?«, hakte Granow nach.

      »Ja und? Da bin ick denn weita.«

      Theresa Marotzke sah ihn scharf an. »Haben Sie dafür Zeugen?«

      »Weeß ick nich. Ick bin nach Potsdam und hab ma da in eem Hausflur untajastellt.«

      Mehr war aus ihm nicht herauszuholen, und Granow war sich sicher, dass sie bei ihm auch auf Granit beißen würden, wenn sie ihn in die Keithstraße holten und die ganze Nacht über verhörten.

      »Knöpfen wir uns also den Ehemann der Löwe vor!«, sagte Theresa Marotzke.

      Sie fuhren quer durch die Stadt nach Wannsee, wo an der Straße Am Heidesaum Löwes Villa stand.

      Granow fielen einige Zeilen eines Gedichtes von Theodor Fontane ein, das er einmal als junger Schüler hatte auswendig lernen müssen. »Am Waldessaume träumt die Föhre, / Am Himmel weiße Wölkchen nur …«

      Theresa Marotzke klatschte in die Hände. »Jut, du! Wenn se dich bei der Kripo mal rausschmeißen, kannste ooch zu Deutschlandradio Kultur gehen. Ick kenne keinen Heidesaum, dafür aber den Heidesand …«

      »Was ist denn das?«

      »Das sind wunderbare Plätzchen. Kann ick aba nich backen, det macht allet meine Frau.«

      »Meine leider nicht«, sagte Granow. »Die sitzt lieber in der Oper, als dass sie am Backofen steht.«

      Der Makler Löwe hatte nun so gar nichts an sich, was an den König der Tiere denken ließ. Vielmehr erinnerte sein Gesicht Granow an ein Pferd. Allerdings wirkte er ebenso charmant wie redegewandt.

      Es war schwülwarm an diesem Sommertag, und Granow hätte sich gern auf die Terrasse gesetzt, doch Löwe versperrte ihm den Weg nach draußen und führte ihn und seine Kollegin ins Wohnzimmer. »Bitte haben Sie Verständnis … Das nächste Gewitter liegt in der Luft, und nach dem, was meiner armen Frau passiert ist, ertrage ich es nicht mehr, die Blitze zu sehen.« Er zeigte auf seine Sitzecke. »Wenn Sie bitte hier Platz nehmen würden … Darf ich Ihnen etwas anbieten?« Und schon holte er aus der Küche drei Gläser und eine Flasche Mineralwasser. »So ganz genau habe ich nicht verstanden, was Sie zu mir führt …«

      Granow zögerte, direkt zu werden. »Nun … Sagen Sie, Herr Löwe, war Ihre Frau allein, als sie zum Joggen in den Wald gegangen ist?«

      »Ja, warum?«

      »Wir haben jetzt das rechtsmedizinische Gutachten vorliegen, und danach ist Ihre Frau nicht von einem Blitz getroffen worden.« Granow suchte nach den passenden Worten. »Es tut mir leid, Ihnen dies sagen zu müssen, aber Ihre Frau ist wohl von einem Unbekannten mit einem länglichen Gegenstand erschlagen worden. Jedenfalls hat sie schwere Schädel-Hirn-Verletzungen erlitten, die zu ihrem Tod geführt haben.«

      Löwe sprang auf. »Das darf doch nicht wahr sein!«

      Theresa Marotzke fixierte ihn. »Nachdem Ihre Frau erschlagen worden ist, hat sie jemand in den Wald bei Moorlake geschafft, um einen Unfalltod durch Blitzschlag vorzutäuschen.«

      »Und Sie meinen wohl, dass ich es war, hab ich recht?«, rief Löwe aufbrausend. »Fragen Sie lieber mal meine liebe Schwägerin, die hat Verena fürchterlich gehasst. Immerzu war sie neidisch auf meine Frau. Sie muss es gewesen sein!«

      Granow sagte bestimmt: »Herr Löwe, Ihre liebe Schwägerin hat ein hieb- und stichfestes Alibi für letzten Sonnabend. Wie sieht es bei Ihnen aus?«

      »Ohne meinen Anwalt sage ich kein Wort mehr!«, rief Löwe mit hochrotem Kopf.

      Gunnar Granow und Theresa Marotzke veranlassten kurz darauf, dass Leonhard Löwe vorläufig festgenommen und in Untersuchungshaft gebracht wurde.

      In der Keithstraße angekommen, war sich Kriminalhauptkommissar Granow ziemlich sicher, dass es mit hoher Wahrscheinlichkeit fast unmöglich war, Löwe die Tat nachzuweisen. »Der Untersuchungsrichter wird gewiss seine Bedenken haben, den Verdächtigen länger festzuhalten, und sein Verteidiger wird behaupten, dass Verena Löwe von einem unbekannten Dritten – oder eben dem Radfahrer Moritz Massanz – erschlagen worden ist«, vermutete Granow. »Und wie ich unsere Gerichte kenne, wird er damit durchkommen.«

      So schnell wollte Theresa Marotzke nicht aufgeben. »Wir sollten unsere Leute losschicken, damit sie Löwes Wagen – und meinetwegen auch den von Jocelyn Naumann – genau unter die Lupe nehmen. Da müssten sich doch entsprechende Spuren finden lassen.«

      Granow lachte. »Natürlich können wir das in die Wege leiten – doch was soll das bringen? Verena Löwe dürfte wiederholt im Wagen ihres Mannes gesessen haben, und in dem ihrer Schwester auch. Selbstverständlich werden wir da Spuren finden.«

      »Aber sie wird nicht wiederholt im Kofferraum gelegen haben«, erwiderte Theresa Marotzke mit einem spitzbübischen Lächeln. »Ihre Kopfwunde muss doch heftig geblutet haben. Und da soll nichts zu finden sein?«

      Doch Granow behielt recht, sie konnten beim besten Willen nichts finden.

      Als der Kommissar spätabends im Bett lag, ging er in Gedanken noch einmal den mysteriösen Fall durch, und da kam ihm die Idee, dass Löwe genauso gut auch ein geliehenes Fahrzeug benutzt haben konnte.

      Am nächsten Morgen telefonierten Granow und seine Leute alle Unternehmen ab, die Mietwagen anboten. Doch auch hier kamen sie zu keinem Ergebnis. Aber vielleicht hatte sich Löwe auch bei Freunden oder Bekannten einen Wagen geliehen?

      Und siehe da: Ihre Recherchen ergaben, dass einer seiner Nachbarn drei Wochen verreist gewesen war und Löwe auf dessen Haus nebenan im Schuchardtweg aufgepasst hatte. Der Verdächtige hatte alle Schlüssel in Verwahrung gehabt – auch die Autoschlüssel.

      Was nun folgte, war für Kriminalhauptkommissar Granow und seine Assistentin Theresa Marotzke reine Routine. Im Wagen des Nachbarn wurden in der Tat DNS-Spuren gefunden, die eindeutig Verena Löwe zuzurechnen waren. Und der Nachbar schwor, Frau Löwe nie in seinem Wagen mitgenommen zu haben.

      Insgesamt zehn Stunden dauerten die Vernehmungen des Tatverdächtigen Leonhard Löwe, dann hatte der ein umfassendes Geständnis abgelegt. Schlussendlich kam heraus, dass seine Motive genau die waren, die ihm seine Schwägerin unterstellt hatte.

      ***

      Prof. Robert Schwarz wollte gerade seinen Kittel gegen das Sakko tauschen, als das Telefon klingelte. Es war bereits gegen zwanzig Uhr – also längst Zeit für einen gemütlichen Feierabend. Doch weil er auf dem Display die Nummer der Mordkommission erkannte, hob er ab. Am anderen Ende meldete sich gut gelaunt der Kriminalhauptkommissar Gunnar Granow. »Hallo, Robert, hier ist Gunnar! Wir haben den Ehemann von Verena Löwe festgenagelt. Und zwar haben wir ihm die rechtsmedizinischen Befunde so lange unter die Nase gerieben, bis er aufgegeben hat. Ich wollte dich gleich informieren. Das haben wir doch wieder einmal prima hingekriegt,

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