Der König vom Feuerland. Horst Bosetzky

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Der König vom Feuerland - Horst Bosetzky

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konnte man als Junge zu Geld kommen? Sosehr er sich auch den Kopf darüber zerbrach, er fand keinen Weg … Bis sein Blick eines Tages, als er seinem Vater beim Bau eines Dachstuhls in der Berliner Straße geholfen hatte, auf einen Haufen abgesägter Sparren, Balken und Bretter gefallen war. Es war der ganze Abfall, den Meister Ihle irgendwann mit seinem Pferdefuhrwerk abholen ließ, um ihn hinten im Hof verrotten zu lassen. Wenn nun Walter und er diese Reste mit Beil und Säge zerkleinerten und den Leuten als Anmachholz verkauften, dann …

      »Mensch, das ist die Idee!«, rief der Freund am nächsten Morgen, denn auch im Sommer brauchte man Kleinholz zum Feueranmachen. In jeder Küche stand ja ein Herd, auf dem sieben Tage in der Woche gekocht werden musste.

      Sie machten sich ans Werk, und August Borsig hatte den richtigen Riecher gehabt: Sie nahmen so viel ein, dass er schon bald an den Kauf des Palmenbildes denken konnte.

      »Das werde ich mir selbst zum Geburtstag schenken!«, rief er.

      Doch bevor es so weit war, erschien der Polizei-Commissarius in der Neudorfstraße, um seinen Vater zur Rede zur stellen. »Der Rentier Chalupka aus der Berliner Straße bezichtigt Ihren Sohn des Holzdiebstahls.«

      August hatte nicht bedacht, dass der Abfall strenggenommen nicht Meister Ihle oder seinem Vater gehörte, sondern dem Bauherrn, und der war kein großzügiger Mensch, sondern einer, der sich wegen jeder Kleinigkeit mit seinen Nachbarn stritt.

      Der Vater, der von der Geschäftsidee seines Sohnes nichts gewusst hatte, sah ein, dass er am kürzeren Hebel saß, und ersetzte Chalupka den Schaden. Große Schelte gab es nicht, denn die Eltern fanden es gut, was ihr Sohn da versucht hatte – aber sein geliebtes Palmenbild, das konnte August nun für immer und ewig vergessen.

      Sein dreizehnter Geburtstag am 23. Juni stand ins Haus. Als wäre seine Existenz nicht Beweis genug, zeigte ihm seine Mutter kurz vor diesem Tag den Taufschein.

       Militaria

       Ein Tausend acht hundert und vier (1804) den dreiundzwanzigsten Junius ist zu Breslau dem Cairassier im Regiment v. Dollfs bei der 4. Leib-Eskadron, Johann George Bursig von seiner Ehefrau Susanna geb. Werner, EIN SOHN geboren worden, welcher den sechsundzwanzigsten desselben Monats getauft worden ist und die Namen erhalten hat Johann Friedrich August.

       Solches wird hierdurch aufgrund des Kirchenbuches obengenannten Regiments von Amts wegen attestiert.

       S. G. Böhm, Garnisonspfarrer

      August staunte, dass da nun noch eine weitere Variante seines Nachnamens zu finden war, nämlich Bursig. Wie auch immer – Borsig gefiel ihm am besten.

      Als er am Morgen des 23. Juni seinen Geburtstagstisch sah, stieß er einen Jubelschrei aus, denn was mitten auf ihm prangte, war das heißbegehrte Palmenbild. Was er in diesem Augenblick fühlte, war das Urvertrauen in die Welt: Alles war gut, auch das, was noch kommen sollte, das Leben war ein großes Geschenk Gottes.

      Zum Geburtstagskaffee kamen seine Tante Anna aus Trebnitz, sein Großvater George Burzik und sein Onkel Christian Borsig, beide aus Nieder-Pontwitz, sowie sein Freund Walter Rawitsch. Man sprach weithin »Schläsch«, sagte also nicht schmatzen, sondern katschen, Lorke zum dünnen Kaffee, Koochmannla zu den Pfifferlingen, Muppa statt Mund und Tschelotka für die Verwandtschaft.

      Friedrich, der Onkel, führte das große Wort. Er hatte mit seinen 36 Jahren schon viel erlebt, war als Zimmermannsgeselle auf der Walz gewesen und durch halb Europa gezogen und hatte seine Militärzeit im Leib-Kürassier-Regiment Großer Kurfürst in Berlin verbracht. Sprach er von der preußischen Residenz, dann geriet er ins Schwärmen.

      »Ich habe ja viele Städte gesehen, aber nichts geht mir über Berlin!«, rief er enthusiastisch. »Wie gern war ich Unter den Linden! Das Opernhaus ist das schönste der Welt, und daneben steht die Königliche Bibliothek. Und nicht zu vergessen das Schloss, das Cadettenhaus in der Neuen Friedrichstraße, den Gensdarmen-Markt, die vielen Kirchen, die vielen Theater … Alles unbeschreiblich!«

      Er warf einen Blick auf das Geburtstagskind. Sein Neffe hatte ihm mit großen Augen zugehört. Nein, der August sollte um Gottes willen in Breslau bleiben, denn Berlin war nichts für ihn. Für die Residenz war er viel zu zach und zögerlich, da würde er nur untergehen und sich selbst ins Elend stürzen.

      Kapitel zwei 1819

      Meister Georg Ihle hatte schon so manchen Zimmermannslehrling unter seinen Fittichen gehabt, aber einem solch begabten Schüler wie August Borsig war er noch nie begegnet.

      »Der Junge hat die Hände an der richtigen Stelle«, sagte er zu Hinke, seinem Polier. »Manche haben ja zwei linke Hände …«

      »Kein Wunder«, brummte Hinke, »Sie wissen doch, das liegt dem Borsig im Blut … Der Großvater, der Vater, der Onkel – alles Zimmerleute.«

      »Im Blut wird es weniger liegen, eher hat er sich alles bei seinem Vater abgesehen – und bei mir.«

      »Nee, Meister, das ist der Instinkt bei dem. Entweder man hat’s, oder man hat’s nicht – und der Borsig hat es.«

      Es war wirklich eine Freude, August zuzuschauen, wie unglaublich geschickt er mit Axt, Säge, Stemmeisen und Fuchsschwanz hantierte. Und alles, was neu war, erfasste er im Nu. Was er in Angriff nahm, gelang ihm, und nichts musste weggeworfen werden, egal, ob mit der Axt Balken zu behauen waren oder er Schrägen und Gehrungen zu sägen hatte. Und die Nuten und Zapfen, die mit dem haarscharf geschliffenen Stechbeitel herzustellen waren, passten immer. Auch wenn es galt, für einen Bauherrn etwas zu zeichnen, war er schnell bei der Hand und brachte etwas zu Papier, mit dem sich arbeiten ließ.

      Auch Johann George Borsig waren die Talente seines ältesten Sohnes nicht entgangen. Bei jedem Besuch hatte er mit seinem Vater darüber gesprochen, der gänzlich seiner Meinung gewesen war. Noch auf dem Totenbett – gestorben war er am 22. März 1819 – hatte George Burzik in dem Gedanken Trost gefunden, dass sein Enkel in ihm weiterleben und mehr erreichen würde als alle anderen Burziks und Borsigs zuvor.

      »Aber von nichts kommt nichts«, sagte Johann Borsig zu seiner Frau. »So begabt unser August auch ist, er hat mir zu wenig Träume.«

      Susanna Borsig winkte ab. »Träume sind Schäume.«

      »Ach, komm! Als ich so alt war wie er, da habe ich davon geträumt, nach Amerika zu segeln und dort in den Wäldern ein großes Sägewerk zu bauen.«

      Seine Frau lachte. »Und wie weit bist du gekommen? Gerade mal bis Stettin.«

      »Ich hatte ja auch nicht die Gaben, die August hat«, wandte Johann Borsig ein. »Aber aus ihm kann mehr werden als ein simpler Zimmermann.«

      Seine Frau nickte. »Ja, natürlich, ein Meister wie Ihle mit einer kleinen Werkstatt.«

      »Nein, mehr. Wenn ich mir ansehe, was er alles gezeichnet hat …« Er holte einen Stapel Blätter seines Sohnes aus dem Spind. »Schau dir das mal an, hier … Da hat er eine riesige Kuppel konstruiert – nur aus hölzernen Dreiecken, die aneinandergefügt sind.«

      »Das würde doch alles gleich einstürzen. Kuppeln muss man doch aus steinernen Bögen bauen.«

      »Aber wir sind nun mal Zimmerleute!«, rief Johann Borsig. »Und ich bewundere den Jungen. In dem steckt was Großes, das weiß ich.«

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