Vinus und das Auge der Zyklopen: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 4). Jork Steffen Negelen
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Читать онлайн книгу Vinus und das Auge der Zyklopen: Die Abenteuer der Koboldbande (Band 4) - Jork Steffen Negelen страница 12
Vinus zog sich einen bequemen Stuhl zum Tisch und Meerland schwebte über ihm. Sie schauten beide wie gebannt zu Orbin. Der nahm einen kräftigen Schluck aus der Flasche, tupfte sich mit einem Tuch den Wein von den Lippen und begann zu erzählen. „Also Freunde, ich erinnere mich noch genau an den Tag, an dem ich mit dir, Meerland, zu den Ruinen von Illwerin unterwegs war. Du hattest mich gebeten, dich zu begleiten. Zu dieser Zeit war der Zirkel der Nekromanten nicht mehr vollständig. Nur der erste Magier Albanarius und ich waren noch übrig. Du, Meerland, du wolltest ja nie in unseren Zirkel eintreten. Doch wir trafen uns mit Albanarius vor den Ruinen und vereinbarten mit ihm, ein Heer aufzustellen, um Dämonicon zu vernichten. Aber auf dem Rückweg nach Bochea liefen wir in eine Falle. Mich konnte der schwarze Zauberer mit der Hilfe einer Bande von hinterhältigen Erdtrollen lebend fangen, aber dich, Meerland, dich hat er im Kampf getötet. Du warst der schwarzen Magie dieses dämonischen Prinzen nicht gewachsen. Er war zu dieser Zeit so mächtig, dass selbst die Drachen ihn fürchteten. Dämonicon zerschmetterte deinen Körper an den Felsen des Drachengebirges und deine Seele floh zurück in dein Haus. Da ich ein Nekromant war, tötete er mich nicht. Er versklavte mich, in dem er aus mir einen Iht-Dag machte. Das heißt, ich war sein persönlicher Sklave, und ich musste ihm als schwarzer Hexenmeister dienen. Die weiße Magie war mir verwehrt und die schwarze Magie machte aus mir viele Jahre später einen Untoten. Dadurch konnte ich nur noch in der Nacht meinem Herrn dienen. Ich bekam eines Nachts von Dämonicon den Auftrag, die Stadt Darontyn auszuspähen. Ich sollte eine schwache Stelle in ihren Verteidigungsanlagen finden. Doch ich kam überhaupt nicht an die Stadt heran. Alfagil, ihr König, hatte mich schon vorher mit einer Gruppe seiner besten Krieger gestellt. Er trug einen geweihten Speer bei sich. Gegen die weiße Magie dieser Waffe konnte ich nicht lange ankämpfen. Sie sperrten mich in einen riesigen Krug ein. Den Deckel versahen sie mit einer eisernen Kette. Ich wurde in ein tiefes Loch gestoßen und mit einem sehr starken Bannfluch belegt. Dieser Alfagil war sehr schlau. Er hatte beim Kampf bemerkt, dass ich nicht sterben würde und mir deshalb dieses Schicksal auferlegt. Die ersten dreihundert Jahre habe ich ihn dafür verflucht, die nächsten dreihundert Jahre habe ich ihn nur noch verachtet und die letzten dreihundert Jahre habe ich dann verschlafen.“
Meerland schwebte dicht an Orbin heran. „Mein alter Freund, ich bin nur eine Lichtgestalt und kann keine Tränen weinen. Doch wenn ich das könnte, so würde ich es tun und einen See mit ihnen füllen. An das, was du soeben erzählt hast, erinnere ich mich gut. Ich weiß jetzt, dass du mich beerben kannst. Beim ersten Strahl der Sonne öffnest du morgen früh alle Fenster und Türen dieses Hauses und sprichst für mich ein Gebet. Durch dein Gebet kann ich mich von diesem Haus trennen und in das Seelenreich der Elfen gelangen. Dann gehst du zu deiner Schwester und zeigst ihr einen Brief von mir. Du findest ihn zwischen den Seiten meines großen Buches auf dem Tisch. Gib ihr diesen Brief, sie muss ihn lesen. Darin steht, dass du mein Erbe bist.“
Orbin erhob sich und blätterte im Buch, bis er den Brief fand. Er betrachtete das Siegel auf dem Pergament und sah zu Vinus. „Mein lieber Kobold, du wirst mich doch zu meiner Schwester begleiten?“
Vinus lächelte und stimmte zu. „Mit dem größten Vergnügen, mein lieber Meister Orbin.“
Der erste Schrei eines Hahnes ließ die drei Freunde aufhorchen. Das Tier war bestimmt nicht weit von Meerlands Haus auf dem Hof eines Händlers und kündigte recht laut den nahenden Sonnenaufgang an. Orbin steckte den Brief ein und Vinus nahm die Flasche mit dem Wein an sich. Dann verließen sie die geheime Schreibstube so, wie sie gekommen waren.
In dem Raum daneben erwartete sie bereits Meerland. Er schwebte durch jede Ritze seines Hauses. Bei einem der Fenster konnten sie nach Osten sehen. Orbin zog die staubigen Vorhänge zur Seite und nur wenige Minuten später warf die Sonne ihren ersten Strahl hinein.
Der Nekromant sah zur Lichtgestalt seines einstigen Meisters. Der lächelte ihm zu. „Nun öffnet die Türen und Fenster. Sobald das Gebet gesprochen ist, werde ich euch verlassen.“
Schweigend stießen Orbin und Vinus alle Türen und Fenster auf. Die frische Luft durchströmte alle Räume und der Nekromant sank auf die Knie. Er richtete seinen Blick nach Osten zur aufgehenden Sonne und faltete seine Hände. Dann sprach er sein Gebet. „Oh Herr, der du mein Schöpfer bist. Deiner Gnade vertraue ich die Seele meines Herrn und Meisters Meerland an. Er hat dir bis zum Tod treu gedient. Ich bitte dich, lass ihn in das Seelenreich seiner Ahnen gehen. Ich schwöre dir dafür ewige Treue und ich werde dir immer dienen.“
Die Strahlen der Sonne erfassten die Lichtgestalt und zogen sie aus dem Raum. Immer weiter entfernte sich Meerland von den beiden Freunden und das Letzte was sie von ihm hörten war sein Gruß. „Ich danke euch beiden und ich werde meinen Ahnen von euch berichten.“
Langsam stand Orbin auf und Vinus stellte sich neben ihn. „Mein lieber Freund, ich glaube, nun bist du erst richtig wieder bei den Lebenden angekommen. Diesen Tag wird dir niemand aus deinem Gedächtnis stehlen können.“
Als Meerland völlig verschwunden war, drehte sich der Nekromant um sah den Kobold an. „Jetzt bin ich auf das Gesicht meiner Schwester gespannt.“
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