Wildnis Nordkanada - Paradies und Hölle. Ralf Dobrovolny

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Wildnis Nordkanada - Paradies und Hölle - Ralf Dobrovolny

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       12. April

      Man zeigte uns in den letzten Tagen Sehenswürdigkeiten rund um Thunder Bay. Spazierten auf dem vereisten Lake Superior, zweitgrößter See der Welt. Tags darauf ein Ausflug zu den Kakabeeka-Falls, die noch halb zugefroren sind. Das Wasser brach durch die Eisschollen und spritzte turmhoch wie Wasserspiele. Ein toller Anblick!

      Sammeln täglich Informationen, wie am besten ans Ziel zu kommen wäre. Alles zu teuer. Zudem versucht jeder, mit dem wir über unser Vorhaben sprechen, uns dieses auszureden. Gründe dafür seien wiederholte Waldbrände um den Sklaven-See und die entsetzliche Schnakenplage in den N.W.T.. Bis jetzt sind wir aber standhaft und werden dies wohl auch bleiben.

       17. April

      Immer noch zu kalt zum Aufbruch.Obwohl die letzten Schneereste schmelzen, sinkt die Temperatur nachts auf ca. -10 Grad. Haben die Zeit genutzt, den günstigsten Weg zu finden: Mit einem Coca-Cola-Truck von Thunder Bay nach Winnipeg, per Anhalter nach Edmonton, von dort mit dem Zug nach Enterprice, südlich am Großen Sklaven See. Yellowknife liegt am nördlichen Seeufer. Müssen also das riesige Gewässer halb umgehen. Dort sollen irgendwie Waffen besorgt werden. Dann verschwinden wir für Monate in den Wäldern der kanadischen Wildnis.

      Waren am Wochenende nach Duluth in die grenznahe USA gefahren, Angelausrüstung zu kaufen. Viel billiger als in Kanada.

      Heute Kontakt mit Deutschland aufgenommen. Mama teilte mir mit, dass zwei Tage nach unserem Abflug Oma verstarb. Mir blieben die Worte im Halse stecken und legte auf.

       24. April

      Die etwa drei Wochen Aufenthalt in Thunder Bay waren zwar nicht langweilig, doch das Abenteuerfieber wird allmählich unerträglich. Sehnen den Tag des Aufbruchs herbei.

      Mittlerweile etwas wärmer geworden, jedoch laut Kanadiern, im Vergleich zu den letzten Jahren, immer noch zu kalt.

      Mit etwas Glück können wir kommenden Freitag mit einem Truck nach Winnipeg fahren.

      Bis jetzt freuen wir uns noch auf „Wildlife“ pur.

       3. Mai

      Schon vier Wochen in Kanada und sitzen immer noch hier fest. Es gab mit dem Truckfahrer, der uns vor einer Woche nach Winnipeg bringen sollte, ein Kontaktproblem. So mussten wir weiter ausharren. Haben Karten gespielt und gefischt. Auch sonst irgendwie die Zeit ungeduldig um die Ohren geschlagen. Aber nun reicht´s!

      Nochmal deutlich wärmer. Ideales Wetter. Morgen früh wollen wir endgültig aufbrechen, auch ohne Truck, vielleicht die gesamte Strecke per Anhalter. Viertausend Kilometer! Keine Kleinigkeit!

       Quer durch Kanada

       7. Mai

      „Denn erstens kommt es anders - und zweitens als man gar nicht denkt.“

      Am 3.5. abends teilte uns Werner mit, dass es noch selbige Nacht losgehen soll. Also, klappt doch!

      Ein Coca-Cola-Truck nahm uns mit bis Dryden (Ontario), das freilich nur 400 km von Thunder Bay entfernt liegt. Doch wir hatten Glück. An einem Rastplatz nahm uns der nächste Fernfahrer auf, über Winnipeg bis Edmonton.

      Auf der Reise versuchte uns der Fahrer (Sheldon) davon zu überzeugen, dass seine Heimat, „B.C.“ (British Columbia), die schönste Provinz von ganz Kanada sei. Davon mussten wir uns natürlich selbst überzeugen und fuhren mit ihm an Edmonton vorbei, durch die Rocky Mountains an die Westküste Kanadas, bis Vancouver am Pazifischen Ozean. Auf dieser 3.400 km langen Strecke, in lediglich drei Tagen, sahen wir mit großem Interesse die Provinzen Ontario, Manitoba, Saskatchewan und Alberta.

      Und er hatte recht. So wie die Landschaft in Britisch Kolumbien, hatten wir uns eigentlich ganz Kanada vorgestellt. Vom Highway aus sieht man jede Menge Flüsse und Seen. Kaum eine Meile, ohne ein Tier zu entdecken: freche Kojoten, majestätische Adler, stattliche Elche. Häufig zeigten sich stolze Wapitis (Hirschart); einmal sogar imposante Bisons. Na, ist das nicht ein gelungener Auftakt?

      Also sind wir in Vancouver gestrandet. Gestern Abend waren wir sogar in den Discos der Schickeria. Bald gab´s Kontakt und wurde zu einer „fetzigen“ Party mitgenommen.

       10. Mai

      Die letzten Tage kreuz und quer durch Vancouver. Eine sehr eindrucksvolle Metropole. Hier tobt Dolce Vita scheinbar Tag und Nacht. Doch heute hat das süße Leben ein Ende. Sheldon bekam eine Tagestour nach Seattle (USA). Lässt man sich freilich auch nicht entgehen.

      Leider hatte diese Fahrt ungute Folgen. Als wir wieder nach Kanada einreisen wollten, ließ man uns nicht durch. Diskutierten lange mit dem Zollbeamten, einem Asiaten, der unsere Rückflugtickets sehen wollte. Diese ließen wir unbedacht in Thunder Bay zurück. Hatten außerdem für dessen Geschmack nicht genug Geld dabei. Dass wir per Anhalter kamen, gefiel ihm obendrein nicht. Debattierte mit diesem „schit Grenzler“ lange herum; zeigte ihm unsere Visa. Nach seiner Meinung waren diese, nach Verlassen von Kanada, ungültig geworden. Jetzt war guter Rat teuer. Doch urplötzlich nahm er die Reisepässe, drückte seinen Stempel rein, gab sie retour, zeigte Richtung Kanada und sagte „Go!“ … Und nichts wie weg!

      Wieder im Truck, schauten wir in unsere Papiere und stellten jubelnd fest, dass die Aufenthaltsgenehmigung bis 9.11.1989 verlängert war. Frage niemand nach dem Grund dieser Handlung. Asiatische Mentalität?

       13. Mai

      Sheldon bekam eine neue Tour, zurück nach Edmonton. Das bedeutete für uns: „Los. Go North.“

      Gestern morgens hieß es Abschied nehmen: Bye, alter Trucker-Kumpel, tausend Dank, durch dich haben wir viel gesehen.

      Weitertrampen! „Das Wandern ist des Müllers Lust!“ Aber nicht Thomas Müller´s und ebenso wenig meine; auf Asphalt wohlgemerkt. Schon bald stoppte das erste Auto. Fast im fliegenden Wechsel gings voran. Dazwischen manche Meile marschiert. Bis abends mehrere hundert Kilometer absolviert. Dann im Freien bei Frost übernachtet. Brrr! .

      Heute war es reine Knochenarbeit. Mit Blasen wie Fünfmarkstücke an den Füßen, waren wir Stunde um Stunde auf Schusters Rappen unterwegs. Erst nachmittags hielt ein Pick Up. Wurden auf offener Ladefläche bis Peace River, weitere zig Meilen mitgenommen. Der Fahrtwind pfiff uns gehörig um die Ohren. Waren dennoch bester Laune.

      Diese Nacht schlafen wir nochmal in einem Motel, aber dann heißt es „Zähne zusammenbeißen.“ Als die Empfangsdame hörte, dass wir nach Yellowknife möchten, ging sie prompt ans Telefon und rief die nächste Radiostation an. So kam es aus dem Äther: „Zwei nette Deutsche wollen zum Slave Lake. Helft ihnen, wenn es eure Richtung ist. Abzuholen im Motel Travelers-Inn.“

      Hörte sich gut an am Radio. Half leider nichts. Mit bereits ramponierten Sohlen gings folgenden Tages weiter, per Pedes; stundenlang, bis zu völliger Erschöpfung. Kurze Pause und stiefelten weiter. Dieses leidvolle Spiel dauerte bis zum späten Nachmittag. Endlich hielt ein Kleinbus. Die Tür wurde geöffnet und jemand fragte: „Enterprice?.“ Wir konnten’s nicht fassen. Enterprice,

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