Wildnis Nordkanada - Paradies und Hölle. Ralf Dobrovolny
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Die Natives werden obendrein von der Regierung entsprechend unterstützt. Im Dorf leben außerdem ein katholischer Pfarrer und eine Krankenschwester.
Dürfte eigentlich kein allzu großes Problem sein, in einigen Wochen Snare Lakes zu erreichen. Das große Ziel aber ist an sich der Great Bear Lake am Polarkreis. Bis dahin wären es nochmal etwa 300 km. Wohlgemerkt, Luftlinie. Doch, wie gesagt, die Indianer-Siedlung ist zunächst angestrebtes Etappenziel. Je nach Jahreszeit, der erste Schnee kann in diesen Breiten bereits Mitte September fallen, und sonstiger Lage bzw. Umstände, ziehen wir weiter oder überwintern in Snare Lakes. Man wird sehen.
Auf der Karte ist ersichtlich, dass der Yellowknife River äußerst unregelmäßig verläuft. Streckenweise ganz schmal, unzählige Wasserfälle sind eingezeichnet, mit vielen Bögen und Seitenarmen, dann wieder zu kilometerbreiten Seen ausgebildet. Wir werden also ganz schöne Umwege machen müssen. Und immer wieder will man uns warnen, einen derartigen Wahnsinnstrip zu unternehmen.
Ein alter Trapper, er lebt jetzt am Rande der Stadt, den wir vor wenigen Tagen beim Jagen zufällig kennenlernten und ihm von dem Plan erzählten, meinte:
„Jungs, eigentlich kein Problem, ich habe jahrelang da draußen gelebt. Sehr gut sogar. Gebt nur acht auf eure Ausrüstung, seid nicht leichtsinnig, und – fürchtet euch vor dem Winter.“ Dann sagte er noch etwas; etwas ganz Merkwürdiges: „Der Busch da draußen, Guys, ist keine übliche Wald- und Seenlandschaft“ – ist eine Weile nachdenklich, runzelt noch mehr seine alte Stirn, sieht uns aus tiefliegenden, schmalen, hellgrauen Augen an und verabschiedet sich mit leiser, eigenartig klingender Stimme: „Ja, ja, der Busch, entweder du liebst ihn, oder du hasst ihn, es gibt kein Dazwischen!.“
24. Mai
Noch am Abend der letzten Eintragung wurden wir von anderen Campern zu einem Bier eingeladen. Aus dem einen wurde natürlich wieder eine tolle Fete. Eine gute Bekanntschaft bahnte sich an. Diese netten Leutchen boten uns sogar Logis, bis endlich der Waffenerwerbschein in der Tasche ist. Dankend angenommen. Auch die Nachbarn, die Eigentümer ihres gemieteten Hauses, lernten wir bald kennen. Ein älteres Ehepaar. Feine Menschen, freundlich und immer hilfsbereit. Eric stets zu Späßen aufgelegt. Manchmal hat er auf seiner „Saw“ vorgespielt. Dabei streicht er mit einem Bogen über eine Säge, die, zwischen den Beinen eingeklemmt, mit der freien Hand mehr oder weniger gebogen wird. Zauberhafte Töne entlockt er seiner „Teufelsgeige“, wie man dieses Instrument zu Hause in den Alpenländern bezeichnet. Und dazu singt man natürlich. Schöne Stunden!
Und Eva, seine Frau, immer dabei! Die Herzlichkeit in Person. Und sie bäckt so köstliche Heidelbeer-Muffins.
Waren heute früh abermals bei der RCMP. Man sagte, es läge noch keinerlei Nachricht von Interpol vor.
Da wir offensichtlich willkommene Gäste im Hause unserer neuen Bekannten sind, ist nun doch ein Bleiben bis zum kommenden Wochenende geplant.
Sie haben kürzlich begonnen, eine Veranda aus Holz zu bauen. Da alle berufstätig sind, geht es langsam voran. Also anpacken. Wir hoffen, die Veranda wird bis zum Wochenende fertig. So kann man zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen: die Einweihungsfeier der Veranda, zugleich Abschiedsparty. Letzte Fete vor Aufbruch in die Wildnis. „Good bye“ Bier; du bist zwar nicht so gut wie das heimische, werden dich dennoch sehr vermissen.
26. Mai
Nachdem gestern bis spät am Verandabau emsig beschäftigt, Thomas hundemüde zu Bette ging, war noch ein kleiner Streifzug durch Yellowknifes Kneipen fällig. Besonders diejenigen machten neugierig, wo überwiegend Indianer ihr Feierabendbier trinken. Eintretend, nach einem Plätzchen umsehend, fällt mir an der Theke ein nicht großer, hagerer Mann in etwas ungewöhnlicher Kleidung auf. Er trug Hose und Jacke aus hellbraunem, rauem Leder, an mancher Stelle geziert mit bunten Stoffstreifen. Da der Barhocker zu seiner Linken frei war, nahm ich dort Platz und bestellte ein Bier. Kam bald mit diesem Indianer, sein Alter war schwer zu schätzen, ins Gespräch und lenke auf das Thema Busch, wobei manch Interessantes zu erfahren war. Unterdessen brachte er selbst die Rede auf das Leben der Vorfahren. Neugierig lauschte ich seinen Worten.
„Meine Mutter“, begann er, „hat mir viel über alte Zeiten erzählt, wie sie es selbst von ihren Eltern wusste.“ Bereitwillig gibt er Antwort auf viele meiner Fragen. Doch während wir so reden, verfinstert sich sein Ausdruck zunehmend, bis ihm letztlich die traurig klingende Stimme versagt. Er schweigt lange, stiert unbeweglich in das Glas. Fährt dann mit ruhigem Ton fort: “Der Vater meines Großvaters, selbst noch ein Kind, lebte mit seinen Eltern in einem Hüttencamp vieler Familien in einer Gegend am Snare River, wo die Jagdgründe gutes Leben boten. Durch Tausch von Biberfellen bekamen sie von Weißen manch nützliches Gerät. Man hat glücklich und zufrieden gelebt. Bis eines Tages, spät im Indianersommer, der erste Schnee war bereits gefallen, Vater und Sohn im Morgengrauen das Camp verlassen, um nach ihren Biberfallen zu sehen. Unterwegs finden sie fremde Fußspuren, die geradewegs zu einer der aufgestellten Traps führten. Näherkommend, ist jemand kniend beschäftigt, einen gefangenen Biber zu töten. Der Vater hieß den Jungen zurückbleiben und geht auf den Fremden zu. Nach kurzer Auseinandersetzung kommt es zu einem Handgemenge, das die Streitenden in Schnee wälzend fortführen, bis endlich der Dieb regungslos liegenblieb. Der Vater nimmt den Biber, um zu seinem verängstigten, hinter einem Baum wartenden Kind zu gehen. Knapp dort angelangt, donnert ein Schuss durch den Wald. Im selben Augenblick sinkt der Vater zu Boden. Ohne zu überlegen nimmt der Junge die Flinte, die ihm der Vater zur Obhut zurückließ, legt im Schutze des Baumes an und tötet mit dem ersten Schuss den gemeinen Mörder. Dann schleifte der Sohn den sterbenden Vater auf weitem Weg nach Hause.“
Noch zu Lebzeiten des Urgroßvaters, eben jenes herangewachsene Kind, wurde das Camp aufgelassen. Seit jener Zeit kamen die nachfahrenden Väter mit deren Söhnen jedes Jahr im Indianersommer dorthin zurück, um dieses Schicksals zu gedenken. „So hat es mein Vater erzählt“, beendet der Thekennachbar die traurige Geschichte. „Nur ich“, sagt er abschließend, „war lange nicht mehr dort“, hält für eine Weile inne, um sich die Tränen aus dem Gesicht zu wischen, „ich habe keinen Sohn.“
Nach diesen Worten ruft er den Wirt, bezahlt, klopft mir auf die Schulter und verlässt langsamen Schrittes das Lokal. Kurz vor der Tür wendet er den Kopf und sagt noch etwas in meine Richtung. Glaube gehört zu haben: „Es war ein weißer Mann.“ Vor Betroffenheit war ich nicht fähig, ihn zurückzuhalten oder nur ein Wort hervorzubringen. Nehme nachdenklich den letzten Schluck und will die Zeche begleichen, antwortet der Wirt mit abwinkender Geste:
„Your friend did it“…. Und ich verließ feuchten Auges das Lokal.
..... unbedingte Meldepflicht vor
und nach einem Buschtrip
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