Brennpunkt Balkan. Christian Wehrschütz

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Brennpunkt Balkan - Christian Wehrschütz

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lag die monatliche Rate bei 450 Euro, wegen des starken Franken beträgt sie nun bereits 550 Euro. Vor der Krise konnte die Familie 300 Euro im Monat weglegen, nun sind sogar schon die Ersparnisse beinahe aufgebraucht. Ein Blick in die Zeitungen belegt die typische Situation der slowenischen Familien. So brachte die Tageszeitung „Večer“2) jüngst die Geschichte einer Pensionistin, der im Monat gerade 40 Euro für Lebensmittel überbleiben. Die Frau hatte 40 Jahre in der Textilfabrik „Mura“ in Murska Sobota im Nordosten Sloweniens gearbeitet, die 2009 in Konkurs ging, und bezieht eine Monatsrente von 600 Euro netto. Ihre Not begann 2010, als ihr Mann starb und ihr Sohn arbeitslos wurde. Zu den Fixkosten kommen noch die Reste eines Kredits für den Kauf der Wohnung und der Anteil für die Sanierung des Wohnhauses, den die Frau nicht aufbringen kann. Ans Sozialamt wandte sich die Frau erst, als ihr die Stromabschaltung drohte. Das Amt leistete eine Einmalhilfe von 260 Euro und sprang 2012 nochmals ein, als der 68-Jährigen wegen unbezahlter Betriebskosten die Zwangsvollstreckung drohte. Das Altern in Würde sieht wohl anders aus.

      „Generation der schlechten Chancen“

      Massiv von der Krise betroffen ist auch die Generation der über 30-Jährigen. Vor fünf Jahren waren 15.000 der 30- bis 40-Jährigen erwerbslos, nun sind es 28.000. Binnen fünf Jahren stieg die Arbeitslosigkeit bei dieser Gruppe sogar stärker an als bei den 50- bis 60-Jährigen. Ein Grund dafür sind Maßnahmen der Arbeitsmarktförderung, die Betrieben finanzielle Erleichterungen gewährt, wenn sie unter 30-Jährige einstellen. Als „Generation der schlechten Chancen“ bezeichnete die Tageszeitung „Delo“3) deshalb die Altersgruppe der 30- bis 40-Jährigen, deren Perspektiven immer mehr schwinden, je länger die Krise anhält. 13 Prozent der zwei Millionen Slowenen sind arbeitslos. Das liegt zwar noch unter dem EU-Durchschnitt, bedeutet aber, dass sich die Arbeitslosigkeit seit 2008 fast verdreifacht hat. Bezeichnend für die Erwartungshaltung der Slowenen ist das drastische Ansteigen der Auswanderer. 2011 wurden knapp 4.700 gezählt, 2012 kehrten sogar 8.200 Slowenen ihrem Land den Rücken, das ist der höchste Wert seit der Unabhängigkeit vor 22 Jahren.4)

      Was sind nun die Gründe für den Absturz, der aus dem EU-Musterschüler und dem Liebling der Ratingagenturen ein Land werden ließ, dessen Bankensanierung von Brüssel kontrolliert wird und dessen Bonität Moody’s Anfang Mai 2013 auf „Ramsch-Status“ herabsetzte, wobei Moody’s Slowenien deutlich schlechter bewertet als die zwei anderen großen Agenturen S&P und Fitch. Für die Krise sind wirtschaftliche und politische Gründe verantwortlich. Den Ausgangspunkt bildete der 1. Jänner 2007, als Slowenien als 13. Land den Euro einführte. Damals war ein großer Teil der Wirtschaft nicht privatisiert, Geld war billig auf dem Kapitalmarkt zu beschaffen und viele Manager griffen zu. Sie nahmen Kredite auf, gaben die Aktien ihrer Unternehmen als Sicherheit, die sie mit dem Kredit kauften. Dieses „Management Buy-out“ praktizierten etwa Boško Šrot bei der Brauerei „Laško“, Igor Bavčar bei „Istrabenz“, einem Mischkonzern, und Bine Kordež bei der Baumarktkette „Merkur“. Alle drei Firmen sind mittlerweile im Konkurs, während Šrot und Bavčar, die bekanntesten Tycoons, im Sommer 2013 noch nicht rechtskräftig zu fünf Jahren und sieben Monaten Haft beziehungsweise zu sieben Jahren Haft verurteilt wurden. Doch ein derartiges Ende war 2007 und 2008 nicht zu erwarten, weil die Aktienkurse stiegen und auch immer mehr Holdings aus dem Boden schossen, die mit dem Kerngeschäft des Mutterbetriebs oft kaum etwas zu tun hatten. Mit der internationalen Finanzkrise Ende 2008 fielen die Kurse und damit die Bonität der Kreditnehmer, und das Kartenhaus begann einzustürzen. Außerdem platzte die Immobilienblase, und die Bauwirtschaft brach ein, die noch 2007 und 2008 einer der Motoren des Wirtschaftswachstums war. Große Baufirmen („Vegrad“, „SCT“) gingen in Konkurs.

      Konkursfall Kirche

      Den spektakulärsten und größten Konkursfall bildet die katholische Kirche, ein finanzieller Zusammenbruch, der aber praktisch nur die Erzdiözese Marburg an der Drau (Maribor) betrifft. Der Aufbau ihres Finanzimperiums begann mit der spezifisch slowenischen Privatisierung, als jeder Slowene für Staatsbetriebe Zertifikate bekam. Solche Zertifikate sammelte auch die Kirche über eine Gesellschaft von Gläubigen. Außerdem erhielt die Kirche im Zuge der Restitution vom Staat Immobilien und Ländereien zurück. Anfang der 1990er Jahre gründete sie schließlich die „Krekova banka“, die sie 2002 an die österreichische Raiffeisen-Gruppe verkaufte, und die ihrerseits damit in Slowenien Fuß fasste. Mit diesem Erlös und durch neue Kredite, die im politisch und gesellschaftlich verfilzten Slowenien auch „auf Zuruf “ gewährt wurden, wie es ein Insider beschreibt, übernahm die Kirche die gesammelten Zertifikate. 2005 folgte die Übernahme der beiden Holdings, die die Kirche dann „Zvon Ena“ (Glocke eins) und „Zvon Dva“ (Glocke zwei) nannte. Hinzu kam eine dritte Gesellschaft „Gospodarski Rast“ (Wirtschaftswachstum), die zu 100 Prozent den drei Diözesen Marburg, Murska Sobota und Cilli/​Celje gehörte. Nach 2005 war „Gospodarski Rast“, die für die Abwicklung der Finanztransaktionen zuständig war, auch zu mehr als 50 Prozent Eigentümer der Holdings.5)

      31. Juli 2013, Tag der Rücktritte: Der Erzbischof von Marburg, Marjan Turnšek (li.), und Anton Stres, Erzbischof von Laibach (Mitte), mit dem Abgesandten des HeiligenStuhls Juliusz Janusz vor der Pressekonferenz

      

      Prominenter Kreditgeberan die katholische Kirchenführung: „Nova Ljubljanska Banka“

      Zum Wirtschaftsimperium der Kirche gehörten Anteile an Leitbetrieben wie die Bank „Abanka“, der Farben- und Lackhersteller „Helios“, die Druckerei „Cetis“, ein Chemiebetrieb, ein Autozulieferer und vor allem die Telekommunikationsfirma „T2“. In diese Unternehmen investierte die Kirche mehr als 100 Millionen Euro. Insgesamt gaben der Kirche nicht nur slowenische, sondern auch so mancheösterreichische Banken Kredite. Einige sollen bereits mit der Pfändung begonnen haben, während die slowenische Tochter der Raiffeisen Bank International (RBI) die Erzdiözese Marburg Anfang September 2013 klagte, und zwar mit einem Streitwert von 7,6 Millionen Euro. Denn die Kirche hörte die Alarmglocken nicht, und seit 2012 laufen vor einem Gericht in Marburg Konkursverfahren gegen alle drei Gesellschaften; die anerkannten Forderungen sollen insgesamt weit mehr als eine Milliarde Euro betragen. Die realen Verbindlichkeiten der Erzdiözese Marburg dürften dagegen bei max. 70 Millionen Euro liegen. Trotzdem ist die Kirche wegen ihrer Gesellschaften „Gospodarski Rast“, „Zvon Ena“ und „Zvon Dva“ der bei weitem größte Konkursfall Sloweniens. Betroffen sind etwa 50 Firmen mit 10.000 Mitarbeitern; für die Verbindlichkeiten der drei Gesellschaften haftet die Erzdiözese Marburg nicht. Zwar hat der Vatikan bereits zwei Mal reagiert und die Kirchenführung praktisch abgesetzt. Doch der Weg zur Sanierung, bei dem die Diözese Graz-Seckau federführend mithilft, wird noch ein weiter sein. Ein prominenter Kreditgeber war übrigens die „Nova Ljubljanska Banka“ (NLB), die bei weitem größte Bank Sloweniens. Sie soll durch die Kirche mehr als 100 Millionen Euro verlieren. Auf die NLB, die „Nova Kreditna Banka Maribor“ (NKBM), und die „Abanka“ entfallen etwa 70 Prozent des Marktanteils; gleichzeitig sind sie überwiegend im Staatsbesitz, sodass die Bankenkrise, die der internationalen Finanzkrise folgte, nicht nur die slowenischen Banken, sondern auch den Staat direkt betraf. Sloweniens Banken sollen auf faulen Krediten von etwa sieben Milliarden Euro sitzen, etwa 15 Prozent aller Kredite sollen notleidend sein.

      Wirtschaftskrise und politische Instabilität

      Auf der anderen Seite hat die starke slowenische Exportwirtschaft die Krise sehr rasch und sehr viel besser gemeistert. 2012 verkaufte sie Waren im Wert von 21,5 Milliarden Euro ins Ausland, das ist mehr als vor Beginn der Krise, denn 2008 waren es knapp 20 Milliarden Euro. Das zeigt zwar, dass Vergleiche mit Griechenland oder Zypern schon aus diesem Grund völlig verfehlt sind, doch der Exportmotor allein kann die Krise nicht bewältigen,

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