Brennpunkt Balkan. Christian Wehrschütz

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Brennpunkt Balkan - Christian Wehrschütz

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Ministerpräsident Janez Janša die Parlamentswahl, und eine Mitte-Links-Regierung unter dem Sozialdemokraten Borut Pahor übernahm die Führung des Landes. Janša hatte in guten Zeiten nicht gespart und hinterließ Pahor eine Gesamtverschuldung, die sich in vier Jahren auf fast 40 Milliarden Euro verdoppelt hatte. Nach zwei Jahren und sechs Monaten war die Regierung Pahor am Ende: Ihren Supergau bedeutete das Scheitern von drei Reformen, darunter der Pensionsreform bei drei Referenden im Juni 2011. Pahor war an seinem Stil, vor allem aber an der Opposition und den Gewerkschaften gescheitert, die das wahre Ausmaß der Krise nicht erkennen wollten, obwohl die Wirtschaftsleistung um acht Prozent schrumpfte und die Arbeitslosigkeit weiter anstieg. Nach sechs Monaten Agonie siegte bei der Wahl im Dezember 2011 nicht der favorisierte Janez Janša, sondern der Bürgermeister von Laibach, Zoran Janković, mit seiner erst wenige Monate zuvor gegründeten sozialdemokratischen Partei „Positives Slowenien“. Doch Janković scheiterte bei der Regierungsbildung, und Ende Jänner 2012 wurde Janez Janša Ministerpräsident. Er leitete eine Fünf-Parteien-Koalition, die einen harten Sparkurs zu fahren begann, der massive Einsparungen bei den 155.000 Staatsbediensteten vorsah. Ein Jahr später, Ende Jänner 2013, war seine Karriere zu Ende. Janša scheiterte nicht am Sparkurs, sondern an massiven Korruptionsvorwürfen.6) Hinzu kamen Massenproteste, die in Marburg ihren Ausgang nahmen, weil dort unter Bürgermeister Franc Kangler eine ganz besondere Mischung aus Misswirtschaft und Korruption herrschte. Kangler musste schließlich zurücktreten, doch der Unmut unter den Slowenen war so groß, dass die Demonstrationen von Marburg aus auf das ganze Land übergriffen und auch gewalttätige Formen annahmen. Janez Janša goss mit provokativen Kommentaren noch zusätzlich Öl ins Feuer. Die gegen ihn erhobenen Korruptionsvorwürfe wies er zwar zurück, konnte sie aber nicht entkräften. Daher kamen Janša seine Koalitionspartner abhanden, und unter Führung der Partei „Positives Slowenien“ bildete sich ein neues Mitte-Links-Bündnis. Da auch gegen Zoran Janković beträchtliche Korruptionsvorwürfe erhoben wurden, konnte der Laibacher Bürgermeister nicht in das Amt des Regierungschefs wechseln. Daher wurde seine Vertraute Alenka Bratušek Ende Februar vom Parlament in Laibach gewählt. Die 43-jährige Bratušek gilt als Finanz- und Budgetexpertin, ist aber politisch ziemlich unerfahren, weil sie nur wenige Monate Abgeordnete war. Ihr Auftreten unterscheidet sich bisher wohltuend von alten politischen „Hasen“, obwohl ihr ein gewisses Maß an Unsicherheit weiter anzumerken ist.

      An der Opposition und den Gewerkschaften gescheitert: Borut Pahor mit seiner Mitte-Links-Regierung, hier kurz nach seiner Vereidigung zum Regierungschef

      Misswirtschaft und Korruption führten zu Massendemonstrationen und Ausschreitungen in Marburg

      Scheiterte an Korruptionsvorwürfen: Janez Janša

      

      Die allgemeine Polarisierung zeigt sich auch bei der Einstellung zur Vergangenheitsbewältigung: Skalpe aus einem Massengrab in Huda Jama bei Laško

      Schweres Erbe – erste Erfolge – viele offene Fragen

      Die in Cilli in der slowenischen Steiermark geborene Alenka Bratušek übernahm nicht nur ein wirtschaftlich und sozial katastrophales Erbe, sondern auch ein Land, das immer stärker den Eindruck erweckte, politisch nicht konsensfähig zu sein. Dazu gehört der in der politischen Elite zum Dauerbrenner zählende Konflikt um die Rolle der politischen Vorväter im Zweiten Weltkrieg (Partisanen versus Domobranzen), der abgesehen von persönlichen Eitelkeiten nicht unwesentlich dazu beiträgt, dass in Slowenien eine große Koalition auch in Krisenzeiten nicht möglich ist. Diese Polarisierung zeigt sich bei allen Gedenktagen, die jeweils nur von einem politischen Lager besucht werden, sie zeigte sich bei der Öffnung des Massengrabes (Huda Jama) bei Laško und auch bei Ordensverleihungen, die ebenfalls Anlass für Auseinandersetzungen bieten, wenn der Geehrte dunkle Punkte in seiner Biografie aufweist, die der jeweils anderen Fraktion nicht passen. Fast 70 Jahre nach Kriegsende und angesichts der massiven Krise wäre es für Slowenien hoch an der Zeit, diesen Gegensatz zu überwinden.

      

      Konnte mit Krediten aus den USA ihrem Land eine Atempause verschaffen: Alenka Bratušek, Ministerpräsidentin Sloweniens

      Dazu kommt, dass Referenden so leicht zu erzwingen waren, dass damit aber praktisch jede schmerzliche Reform blockiert werden konnte. Und die weltanschaulich sehr unterschiedlichen Koalitionspartner (wirtschaftsliberal versus postkommunistisch), zu denen fast immer die Rentnerpartei zählt, die reine Klientelpolitik betreibt, tragen auch nicht zu einem Konsens bei. Generell ist die Kompromissbereitschaft der meisten dieser Kleinparteien dann am größten, wenn sie Neuwahlen fürchten müssen, wie das auch im Sommer 2013 nach Umfragen der Fall war. Abgesehen davon wirkt der Umstand positiv, dass bei Politik und Bevölkerung kein Zweifel mehr an der Krise herrscht, und Slowenien darum kämpft, seine bei der Bankenreform bereits eingeschränkte Souveränität nicht vollends an Brüssel zu verlieren.

      Unter dem „Galgen“ konnten nur erste Schritte in die richtige Richtung unternommen werden. Dazu zählt die Verankerung der „Schuldenbremse“ in der Verfassung, die ab 2015 in Kraft tritt. Sie schreibt vor, dass das Budget ausgeglichen oder im Überschuss sein muss. Beschlossen hat das Parlament eine Novelle zum Gesetz über Volksabstimmungen, wonach Referenden über Budget- oder Steuerthemen nicht mehr möglich sind. Das schränkt auch den Handlungsspielraum der Gewerkschaften etwas ein. Ein Referendum kann nur mehr durch 40.000 Unterschriften von Bürgern eingeleitet werden, sodass die beiden Parlamentskammern keine Referenden mehr beantragen können. Das Parlament beschloss eine Erhöhung der Mehrwertsteuer, Vorrückungen und Zuschläge für Beamte werden eingefroren, und bis Ende 2014 werden die 155.000 öffentlich Bediensteten um 0,5 bis 5 Prozent niedrigere Gehälter hinnehmen müssen. Ende Juni verabschiedete das Parlament außerdem einen Nachtragshaushalt, der 900 Millionen Euro als Kapitalaufstockung für die Banken und 3,3 Milliarden Euro für die so genannte „Bad Bank“ vorsieht, in die schlechte Forderungen der Banken eingebracht werden, während die Banken im Gegenzug eine Kapitalaufstockung erhalten. Erst wenn die Bewertung aller Forderungen abgeschlossen ist, wird ein genaues Bild über das Ausmaß der Bankenkrise vorliegen. Grünes Licht gab das Parlament Ende Juni zum Verkauf von 15 Staatsfirmen. Dazu zählen die Telekom, der Flughafen von Laibach oder die Fluglinie „Adria Airways“, um drei Beispiele zu nennen. Bratušeks größter Erfolg war jedoch, dass sie auf dem amerikanischen Markt Anfang Mai durch eine Anleihe frisches Geld im Ausmaß von 3,5 Milliarden Euro beschaffen konnte. Damit gewann die Regierung eine Atempause bis zum Sommer 2014. Das große Aber liegt zunächst darin, dass die Wirtschaft 2013 um 2,4 Prozent schrumpfen dürfte. Weiter ansteigen wird wohl die Arbeitslosigkeit. So will die größte Bank des Landes, die NLB, binnen zwei Jahren 700 Stellen streichen und Filialen schließen. Derzeit zählt die Bank 3.550 Mitarbeiter. Die geplante Privatisierung der zweitgrößten slowenischen Bank NKBM wird in Krisenzeiten kaum möglich sein, wobei generell Zweifel bestehen, ob Slowenien ohne Finanzhilfe aus dem Ausland seinen Bankensektor überhaupt sanieren kann. Auskunft darüber wird wohl der Stresstest ergeben, dem im Herbst zehn der 18 Banken unterworfen sind. Die Ergebnisse sollen bis Jahresende 2013 vorliegen. „Slowenien hat 30 von 100 Stufen auf dem Weg aus der Krise zurückgelegt“, sagte der neue Gouverneur der Nationalbank, Boštjan Jazbec, beim „Strategischen Forum“ Anfang September in Bled. Ob das Land die restlichen 70 selbständig meistern wird, könnte sich am 19. Oktober 2013 entscheiden, wenn dieses Buch bereits erschienen sein wird. An diesem Tag soll Alenka Bratušek den Vorsitz in der Partei „Positives Slowenien“ von Zoran Janković übernehmen.

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