Der Samurai-Manager. Reinhard Lindner
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Diese Fähigkeiten ziehen andere mit in den Sog und das bringt ein Unternehmen nach vorne.
Respekt
„OSS“ ist die Abkürzung für onegai shimasu und bedeutet, sich gegenseitig zu unterstützen und zu helfen. Da beim Training einer Kampfkunst natürlich auch Verletzungsgefahr besteht, sind Respekt und Disziplin besonders wichtig. Das Betreten des Dojos (Trainingsraum) geschieht mit einer Verbeugung und das OSS begleitet diese kleine Zeremonie. Wenn der Meister dem Schüler etwas erklärt, antwortet er mit OSS. Zu Beginn und am Ende jeder Partnerübung verbeugt man sich, begleitet von OSS.
OSS ist der Ausdruck von Respekt. OSS hat eine sehr tiefgründige Bedeutung. Mit OSS ist gemeint: „Ich gebe bei diesem Training mein Bestes, um dir ein würdiger Partner zu sein. Mein Bemühen soll dazu führen, dass du dich in diesem gemeinsamen Training gut weiterentwickeln kannst. OSS heißt, ich gebe dir meinen ganzen Geist, der in mir steckt, damit wir die kurze Zeit, die uns zur Verfügung steht, optimal nutzen können. Das Training ist unser gemeinsamer Weg, ein Stück näher zu unserem Ziel, im Bewusstsein dort nie anzukommen.“
Steve Nakada hat in seinem Interview (siehe S. 23) den Spruch „Ichi go ichi e“ geäußert. („Jeder Moment kommt nur einmal, also machen wir das Beste daraus.“) In diesen vier Silben steckt enorme Weisheit, und diese spiegelt die japanische Denkweise wider. Begegnen wir diesem Moment des Übens mit Respekt und bringen wir die Disziplin auf, auch unser Bestes zu geben.
Die Japaner sagen: sai (am meisten), zen (gut). Gemeint ist damit, das Beste geben, in jeder Situation das Maximum aus sich herausholen.
Respekt und Achtung sind existenzielle Werte für unser Zusammenleben.
Jeder Mensch hat Respekt verdient, dies ist in den Menschenrechten verankert. Als seine Heiligkeit der Dalai Lama in der Wiener Stadthalle am 26. Mai 2012 seinen Vortrag begann, eröffnete er ihn mit den Worten: „Meine Schwestern und Brüder, es gibt sieben Milliarden Menschen auf dieser Welt, und ich habe das Gefühl, dass wir alle gleichwertig sind, ich bin einer von euch.“ Mit diesem Einstieg hat er sich einen Platz in den Herzen vieler Zuhörer gesichert. Er ist eine der würdevollsten Persönlichkeiten der Gegenwart und stellt sich mit allen Anwesenden auf dieselbe Stufe. Damit drückt er auf beeindruckende Weise seinen Respekt aus. Gerade was das Thema Respekt und Achtung betrifft, können wir von den Asiaten, insbesondere von den Japanern, viel lernen.
Einer meiner Freunde, ein sehr erfahrener Manager, spezialisiert auf Logistik und ein wahrer Japankenner, war eines Tages bei einer japanischen Familie zu Hause eingeladen. Die Gastfreundschaft und die stilvolle Höflichkeit, die ihm entgegengebracht wurden, müssen an dieser Stelle nicht im Detail erörtert werden. Was ihn jedoch besonders beeindruckt hat, war die Art und Weise der Verabschiedung. Ein Japaner, der einen Gast verabschiedet, bleibt so lange in der offenen Eingangstür stehen, bis der Klang der Schritte des Gastes in der Dunkelheit verstummt. Das frühzeitige Schließen der Tür und das Unterbrechen des Klanges der Schritte werden in Japan als respektlos angesehen.
Meinem langjährigen Freund und Wegbegleiter Dr. Włodzimierz Kwiecinski, Präsident des „Polnischen Traditionellen Karateverbandes“, wurde anlässlich seines unermüdlichen Engagements für die Völkerverbindung und den kulturellen Dialog zwischen Polen und Japan auf Basis des Traditionellen Karate eine hochrangige Auszeichnung seitens der japanischen Regierung verliehen. Zahlreiche Ehrengäste aus aller Welt waren zu dieser Zeremonie in die japanische Botschaft in Warschau geladen. Sein erster Karatetrainer Sensei Shimoda (er brachte 1972 das Karate nach Polen) war auf der Liste der Ehrengäste. Er war jedoch beruflich verhindert, und ein persönliches Erscheinen war unmöglich. Als Zeichen des Respekts und der Wertschätzung trat sein Bruder Hidemaro Shimoda, welcher mit der Karate-Family nichts zu tun hat und Dr. Kwiecinski auch nicht persönlich kannte, die Reise von Tokio nach Warschau an. Er überbrachte ihm persönlich die Glückwünsche seines Bruders. Ich war tief beeindruckt von dieser Geste der Höflichkeit.
Inazo Nitobe erzählt im Bushido folgende Geschichte:
Ein Mann geht (ohne Sonnenschirm) in der glühend heißen Sonne spazieren und trifft einen japanischen Bekannten. Der Mann spricht ihn an und dieser nimmt sofort seinen Hut ab. Das „Komische“ daran ist, dass der Japaner während des Gesprächs seinen mitgeführten Sonnenschirm geschlossen hält und sich so ebenfalls der glühenden Sonne aussetzt. Töricht? Gewiss, wenn der grundlegende Gedanke nicht folgender wäre: „Sie stehen in der Sonne, ich sympathisiere mit Ihnen, gerne würde ich Sie unter meinem Schirm nehmen, wenn er groß genug wäre oder wenn wir vertrautere Bekannte wären. Da ich Sie nicht vor der Sonne schützen kann, will ich wenigstens Ihre Unbequemlichkeit teilen.“ Derartige Handlungen sind nicht überspitzt oder Formalien; sie sind die Darstellung rücksichtsvoller Gedanken, die sich um das Wohlergehen des Gegenübers drehen.22
Ein anderes Beispiel: In der westlichen Gesellschaft neigt man dazu, ein Geschenk, welches man einem Gast überreicht, hervorzuheben. Wie wertvoll es doch sei und von welch besonderer Qualität und mit welch Mühen es verbunden war, es aufzutreiben. Der Japaner macht genau das Gegenteil: Er setzt sein Geschenk herab. Im westlichen Denken gehen wir von Folgendem aus: „Dies ist ein tolles Geschenk, wenn es nicht edel wäre, würde ich es nicht wagen, es Ihnen zu geben, denn alles andere wäre eine Beleidigung.“
Im Gegensatz dazu sagt die Logik der Japaner: „Gewiss sind Sie ein einzigartiger Mensch, kein Geschenk kann gut genug für Sie sein. Bestimmt werden Sie nichts von dem annehmen, was ich Ihnen entgegenbringe, es sei denn als Beweis meiner guten Absicht. Ich bitte Sie, das Geschenk nicht um seines Wertes willen anzunehmen, sondern als Andenken an unsere Begegnung.“
Der Grundgedanke hinter beiden Aktionen ist ident. Der Westliche hat jedoch die Materie des Geschenks im Blickfeld, der Japaner hingegen vielmehr den Geist, mit dem es gegeben wird. Wir sehen anhand dieses Beispiels, auf welche Art und Weise der Japaner in der Lage ist, seinen tiefen Respekt zu zeigen. In der westlichen Welt stellen wir im Vergleich damit derzeit eine Zunahme von Respektlosigkeit fest.
Seinem Gegenüber aufrichtig zuzuhören und ihn ausreden zu lassen, ist eine Minimalanforderung an Respekt.
Wenn wir uns zu Wahlkampfzeiten im Fernsehen eine „Elefantenrunde“ unserer Spitzenpolitiker ansehen, erleben wir den Auswuchs von Respekt- und Taktlosigkeit. Mangel an gegenseitigem Respekt und ehrlicher Wertschätzung ist meines Erachtens mit Sicherheit ein Grund dafür, warum die Politik massiv an Reputation in den letzten Jahren verloren hat.
Das Magazin Der Spiegel veröffentlichte 2010 auf Spiegel Online ein Ranking der Glaubwürdigkeit der verschiedenen Berufsgruppen: Die Politiker bildeten das Schlusslicht.23 Jene Berufsgruppe, welche die Zukunft unseres Landes bestimmt, erhält also die „rote Laterne“. Auch weit abgeschlagen waren die Banker, die vor wenigen Jahrzehnten noch einen hoch angesehenen Berufsstand vertraten und jetzt im Zuge der Bankenkrise in Misskredit geraten sind. Dies geschieht zum Leidwesen zahlreicher Bankmitarbeiter, die mit großem Engagement einen guten Job machen und für die Misere am wenigsten verantwortlich sind. Interessanterweise haben Berufsfeuerwehrmänner das Feld im Ranking angeführt und viele soziale Berufe waren ebenso im oberen Drittel angesiedelt. Ich erlebe in meiner täglichen Arbeit zahlreiche Mitarbeiter, welche die Identifikation mit ihrem Berufsbild verloren haben. Im Bankenbereich ist dies besonders ausgeprägt. Vielen fehlt jedoch der Mut, neu durchzustarten.