Museumsschiff. Matthias Falke

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Museumsschiff - Matthias Falke

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      Die Wissenschaftler und Mechaniker zerstreuten sich. Das Hangartor wurde geschlossen. Der Kran fuhr selbsttätig wieder zu seiner Ausgangsposition zurück. Wir blieben neben einem versteinerten Reynolds zurück. Jill und Jennifer musterten ihn mit besorgten Mienen. Ich klopfte ihm auf die Schulter.

      »Kommen Sie«, sagte ich in der Attitüde eines großen Bruders. »Niemand macht Ihnen Vorwürfe.«

      Er ließ sich auf einen Sessel nieder, der am Rand des abgesperrten Bereichs stand, und schlug die Hände vor das Gesicht.

      »Ich will es ja nur verstehen«, murmelte er.

      Jennifer ging vor ihm in die Hocke und berührte ihn am Arm.

      »Legen Sie sich für ein paar Stunden hin«, sagte sie. »Die Daten werden ausgewertet, alles Weitere findet sich.«

      Er seufzte. Als er aufsah, war er nur noch ein kleiner Junge, der sich anstrengte, nicht in Tränen auszubrechen.

      »Ich danke euch«, schniefte er. In diesem Augenblick wurde uns bewusst, dass nur noch die Crew der ENTHYMESIS anwesend war. Alle anderen hatten sich entfernt. Das Kleine Drohnendeck lag im indirekten Licht der gelben Plasmalampen. Einige Serviceroboter fuhren herum und beseitigten die Überreste des gescheiterten Experimentes. »Und jetzt lasst mich einfach allein, bitte.«

      Die nächsten Wochen vergingen in quälenden Debatten. In der Kleinen und der Großen Messe, in versammelter Mannschaft oder unter vier Augen wurde über das weitere Vorgehen beratschlagt. Einige Mitglieder des wissenschaftlichen Teams hatten die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, dass die abgängige Sonde wieder auftauchen würde. Vielleicht hatte man sich bei der Berechnung des Rückkehrtermins einfach um die eine oder andere Zehnerpotenz vertan. Oder die Einstein-Krümmung der Raumzeit wies Faktoren auf, die man falsch einkalkuliert hatte, da sie sich bisher der empirischen Untersuchung entzogen hatten.

      Aber als auch der zweite und der dritte Tag nach dem fehlgeschlagenen Versuch verstrichen war, verringerte sich die Zahl derjenigen, die die Rückkehr der Sonde wie die Wiederkehr des Messias als unmittelbar in Aussicht stehendes Ereignis ankündigten. Die Diskussionen wurden ruhiger. Die Gesichter wurden länger, der Tonfall der Gespräche wurde sonorer. Reynolds hatte derartige absurde Hoffnungen nie gehegt. Ihm war klar, wenn die vorausberechnete Rückkehrzeit um eine Minute verstrichen war, dann konnte sie auch um Millionen Jahre verstreichen.

      Das gleiche galt für die ins Kraut schießenden Spekulationen über die Ursache der ausgebliebenen Wiederkehr. Die Sonde konnte im Saturn-Orbit in einen Meteoritenschauer geraten sein. Sie konnte von einer sinesischen Patrouille abgefangen worden sein. Es konnte buchstäblich alles mögliche geschehen sein. Ein Menschenleben reicht nicht aus, die Eventualitäten zu ersinnen, die hatten auftreten können. Wir verfügten über keinerlei Daten.

      Dennoch wucherten die Theorien und Hypothesen. Dass das auch Frontenbildungen und neuentstehende Parteiungen mit sich brachte, lag in der menschlichen Natur. Die Untätigkeit führte dazu, dass eine sachliche Diskussion unmöglich wurde. Geheimdiplomatie war angesagt. Schon vor dem Experiment hatten sich Fraktionen gebildet, Lager hatten sich kristallisiert, die sich innerhalb der amorphen Masse der wissenschaftlichen Abteilungen abschnürten wie Zellkulturen in einer übersättigten Nährlösung. Aber der bevorstehende Versuch und die bis dahin zu bewältigenden Arbeitspensen hatten die Parteien noch zusammengezwungen. Jetzt, da das Experiment gescheitert war, brachen die Konflikte offen aus, und es mangelte nicht an Schuldzuweisungen.

      WO Reynolds brachte alles an menschlicher Größe auf, dessen er fähig war, und übernahm ein ums andere Mal die Verantwortung für den Fehlschlag. Obwohl er, wie er mir anvertraute, keineswegs davon überzeugt war, dass sein Weg sich prinzipiell als falsch herausgestellt hatte, gestand er öffentlich sein vollständiges Scheitern ein. Er führte im Geheimen immer noch Berechnungen durch und suchte seine Reprogrammierung der Sonde nach internen Fehlern ab, aber nach außen hin tat er so, als habe er sich mit seinem Irrtum abgefunden.

      Frankel musste nun zugeben, dass er außer der Idee nichts in der Hand hatte. Eilig wurden neue Kommissionen ins Leben gerufen, die damit betraut wurden, das mathematische Gerüst für eine Umrüstung zu erstellen. und die bittere Ironie unserer Situation wollte es nicht anders, als dass Reynolds mit der Leitung dieser Arbeitsgruppe beauftragt wurde, da weder Frankel selbst noch ein anderes Mitglied seines Stabes in der Materie beschlagen genug waren, die nötigen Berechnungen durchzuführen.

      Reynolds schickte sich darein. Er würde auch zum zweiten und zum dritten Mal stürzen und sein Kreuz immer wieder aufnehmen. Er schlich durch die Gänge des wissenschaftlichen Traktes wie ein Schmerzensmann, verbrachte die regelmäßigen Besprechungen schweigsam und die Mahlzeiten allein, über ein MasterBoard gebeugt, an dem er die endlosen Operationen der selbstprogrammierenden mathematischen Tools überwachte. Er konnte einem leid tun, aber wenn man ihm einen aufmunternden Blick, ein tröstendes Wort oder ein kameradschaftliches Schulterklopfen zukommen ließ, winkte er nur ab und vergrub sich noch tiefer in seinen Arbeitseifer.

      Währenddessen wuchs Reynolds von unerwarteter Seite ein tatkräftiger Verbündeter heran. Sergeant Taylor sah seine Stunde gekommen. Schon seit einiger Zeit belegte er an den Ausbildungsinstituten der MARQUIS DE LAPLACE Lehrgänge, um die Offizierslaufbahn einschlagen zu können. Jetzt wurde er, dank seines Ehrgeizes, seiner Arbeitswut und seiner Erfahrung im Umgang mit Feldgeneratoren, zu Reynolds’ rechter Hand, wo es darum ging, eine neue Generatorengeneration zu schaffen. Taylor rückte in Reynolds Arbeitsgruppe offiziell auf den Posten des Generatorbeauftragten vor. Er musste die Beförderung zum Offiziersanwärter abwarten, ehe er von Rogers eingesetzt werden konnte, aber dann war er der rechtmäßige Leiter des Technikerteams, das sich noch in der gleichen Stunde an die Entwicklung eines völlig neuen Typs von warpfähigen Feldgeneratoren machte. Zu jeder beliebigen Tageszeit und an sieben Tagen der Woche sah man Reynolds und Taylor als seinen verlängerten Arm im abgesperrten Bereich des Kleinen Drohnendecks, wo sie mit erhitzten Köpfen und in einem Jargon miteinander konferierten, den nur noch ihre engsten Mitarbeiter verstanden.

      Frankel zog sich auf Verwaltungstätigkeiten zurück. Er tauchte hin und wieder auf dem Drohnendeck auf, schlich um die Versuchsstände herum, ließ ein paar bissige Bemerkungen los und verschwand dann wieder. Obwohl wir weit davon entfernt waren, einen Termin für einen Test der neuen Sonde ansetzen zu können, ging es doch mit der Stimmung an Bord spürbar aufwärts. Jennifer brauchte abends über eine Stunde, um mir von den Fortschritten des Tages zu berichten. Ich hätte in dieser Phase der Entwicklung gern selbst mehr Zeit im Kleinen Drohnendeck zugebracht und wäre den Kameraden gerne zur Hand gegangen, aber schließlich war ich ENTHYMESIS-Kommandant, und meine Aufmerksamkeit hatte sich in dieser Zeit wieder mehr meinem eigenen Baby zuzuwenden, der auf drei Schiffe geschrumpften Explorer-Flotte, die in den Hangars des Großen Drohnendecks vertäut war.

      Ich verbrachte meine Tage mit Colonel Kurtz, meinem ranggleichen Kollegen von der Endeavour. Er hatte den Flug der ENTHYMESIS II von Neptun-Orbit in den erdnahen Raum durchgeführt. Bis jetzt waren wir nicht dazu gekommen, uns über die neue Technik auszutauschen. Aber sowie sich jetzt abzeichnete, dass die Entwicklung in ein neues Kapitel ging, das auch Explorereinsätze mit sich bringen würde, ließ ich mich von ihm in der neuen Technologie unterweisen. Einige Piloten und Kommandeursanwärter gingen uns dabei zur Hand. Ich hätte Jennifer gerne dabei gehabt, aber sie hatte sich selbst für unabkömmlich erklärt, um ungestört am Sondenprogramm mitwirken zu können. Ich machte mir, was ihre Instruktion anging, auch keine Sorgen. Wenn ich ihr abends erzählte, was wir gemacht hatten, stellte ich fest, dass sie weiter war als ich und von der Materie mehr verstand.

      Wenn ich mir zwischendurch eine Stunde freinahm und vom Großen zum Kleinen Drohnendeck hinüberwechselte, traf ich auf eine eingeschworene und vor Begeisterung glühende Gemeinschaft. Reynolds, Jennifer, Jill und Taylor werkelten mit aufgekrempelten Ärmeln und erhitzten Gesichtern inmitten von zwei Dutzend

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