Indianische Heilpflanzen. Felix R. Paturi

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Indianische Heilpflanzen - Felix R. Paturi

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Kein indianischer Heiler käme deshalb auf die Idee, Heilpflanzen in riesigen Monokulturen industriell und unter dem Einsatz von Kunstdünger, Genmanipulation usw. zu züchten.

       Er setzt auf das harmonische Zusammenwirken mit seinen pflanzlichen Helfern. Er fragt sie, ob sie ihm beistehen möchten und wie, ob er sie pflücken darf und zu welchen Tages- und Jahreszeiten sie für ihn am wirksamsten sind. Er erfährt, welche Pflanzenteile er verwenden soll und darf und welche nicht.

       Wer das alles vor dem Hintergrund rein chemotherapeutischen Denkens für überflüssigen, naiven Aberglauben hält, der weiß nichts über die seelischen Voraussetzungen des Heilens, und der hat auch keine Ahnung von den biologischen Rhythmen der Natur. Er sieht nur leblose Details, nicht aber die großen Zusammenhänge des Lebens selbst.

      Neben den Pflanzen sind es auch die Tiere, die in der indianischen Medizin eine große Rolle spielen. Als Schutztiere beeinflussen sie das harmonische Verhältnis zwischen Mensch und Natur.

      Chemotherapeutische Eigenschaften

      Hätten die indianischen Heilpflanzen keinerlei chemotherapeutisch nachweisbare Qualitäten, dann fiele europäischen Denkern ihre Akzeptanz vermutlich sogar leichter. Was man nicht begreift, kann man schließlich unvoreingenommen untersuchen und erforschen. Aber dem ist nicht so. Viele, ja die meisten indianischen Heilpflanzen besitzen sogar sehr ausgeprägte chemotherapeutische Eigenschaften, und aufgrund dieser bewertet sie der europäische Pharmazeut und Arzt grundsätzlich falsch, da aus einer falschen Perspektive heraus.

       Hat er nämlich erst einmal analysiert, dass z.B. die Rinde des südamerikanischen Condurango-Strauchs glykosidische Bitterstoffe, Flavonoide und Kumarinderivate, Chlorogen- und Kaffeesäure enthält, dann kann er sich aufgrund dieses chemotherapeutischen Wissens sofort erklären, dass die Rinde die Magensaftsekretion anregt und deshalb ein »brauchbares Stomachikum« ist. Aber er wird sie nicht wie die Indianer erfolgreich bei inoperablem Magenkrebs einsetzen, denn für ihre Wirksamkeit in dieser Hinsicht kann er sich aufgrund der ihm bekannten einzelnen Inhaltsstoffe keinen Reim machen. Er weiß nicht einmal etwas über deren Zusammenspiel und schon gar nichts über mögliche seelische Reaktionen eines Krebskranken auf die Condurango- Rinde.

      Die Krebs heilende Wirkung der Mistel

      Genau aus diesem Grund wurde z.B. auch die große Heilwirkung der Mistel bis vor wenigen Jahren von den Schulmedizinern bestritten. Erst jetzt kennen Wissenschaftler in der Mistel die so genannten Interleukine 1 und 6 und andere Zytokinine, und erst jetzt glauben auch sie, was die europäische Volksmedizin schon seit Jahrtausenden wusste: Misteln können Krebs heilen. Allerdings verfallen die Wissenschaftler umgehend wieder in den alten Fehler: Sie versuchen, die Interleukine zu isolieren, zu standardisieren und damit aus dem natürlichen Lebensverbund der Mistel herauszureißen. Das Ganze, sagen sie, verstehen sie nicht; und deshalb sei ihnen das Ganze zutiefst suspekt. Mit diesem Ansatz lassen sich zwar gute Teilerfolge erzielen, aber er erlaubt niemals den Zugang zu einem integralen Krankheits- und einem integralen Heilungsverständnis.

      Die bis dahin in Europa gänzlich unbekannte Pflanze des Krallendorns wurde weißen Forschern bei einer Expedition in den Anden von einem indianischen Heiler überreicht. Auf diese Weise gelangten die Pflanze und das Wissen um ihre Krebs heilenden Eigenschaften in die europäische Medizin.

      Das Verständnis indianischer Heilpflanzen

      Kein Wunder, dass deshalb eine der wirkungsvollsten peruanischen Heilpflanzen gegen Krebs, der Krallendorn Uncaria tomentosa, mit dem sich nachweislich zahlreiche als unheilbar geltende Krebserkrankungen beheben ließen, in kaum einem modernen Phytotherapielexikon überhaupt nur dem Namen nach erwähnt wird. Man weiß schließlich noch zu wenig über die Inhaltsstoffe und deren Wirkungs»mechanismen«.

       Vor diesem Hintergrund ist es gewiss keine leichte Aufgabe, dem europäischen Leser in einem Buch wie dem vorliegenden indianische Heilpflanzen zu präsentieren. Verzichtet der Autor auf die Angabe bekannter Inhaltsstoffe und auf die mit ihnen zusammenhängenden, schulmedizinisch anerkannten phytopharmazeutischen Befunde, dann wird der altweltliche Arzt das Buch leichtfertig als »unwissenschaftlich« abtun. Führt er aber heute klinisch akzeptierte Fakten auf, dann könnte nur allzu leicht ein scheinbares Gefälle zwischen »gesicherten Erkenntnissen« und möglicherweise zweifelhaften oder gar auf Aberglauben beruhenden Anwendungen indianischer Heilpflanzen entstehen.

       Eine solche Differenzierung wäre durch nichts, aber auch gar nichts gerechtfertigt. Hätte es nicht die überwältigende Flut von Berichten früher europäischer Siedler und Missionare in Amerika über die spektakulären phytotherapeutischen Heilerfolge der Indianer gegeben, dann wäre niemals ein europäischer Arzt auf die Idee gekommen, diese Pflanzen auf ihre Inhaltsstoffe hin zu untersuchen. Und die Tatsache, dass er auch heute noch weit davon entfernt ist, die Mehrzahl dieser Inhaltsstoffe zu kennen und ihre Wirkungsweisen zu verstehen, bedeutet keineswegs, dass es sie nicht gibt und dass sie dem Menschen nicht ebenso helfen können wie die wenigen heute bekannten Substanzen schon vor ihrer Entdeckung.

      Lebenskräfte akzeptieren und aktivieren

      Vor allem aber sind jene Faktoren von überragender Bedeutung, um die sich die pharmazeutische und klinische Forschung überhaupt nicht kümmert, weil sie nicht in ihr Weltbild und ihre Vorgehensweise passen: seelische Komponenten und Lebenskräfte generell. Vergisst man Letztere, dann wird man niemals begreifen, dass natürliches, lebendes Vitamin C eben doch etwas völlig anderes ist als chemisch »baugleiches« synthetisches.

       Aber auch moderne europäische Mediziner, die den Einfluss der Seele auf den Körper erkannt haben, machen gravierende Denkfehler. Sie versuchen flugs, sogar die kranke Seele chemotherapeutisch zu behandeln und forschen deshalb in psychoaktiven indianischen Heilpflanzen lediglich nach Alkaloiden und anderen Psychopharmaka, ganz so, als ob es eine unmittelbare Interaktion zwischen pflanzlicher und menschlicher Seele überhaupt nicht gäbe.

       So kann nur ein seelisch selbst defekter Mensch vorgehen. Ein seelisch intakter Mensch weiß, dass ihn und die Heilpflanzen weit mehr verbindet als nur Chemie, denn er und die Heilpflanze sind Teile eines weit größeren lebenden Ganzen. Ihre Verbindung ist unendlich vielschichtig. Vor diesem Hintergrund will indianische Pflanzenheilkunde verstanden werden.

      Übersieht man die Seele, dann wird Heilung auf Dauer ein akademisches Stümperwerk bleiben. Der Arzt beseitigt ein Leiden, um es durch ein anderes zu ersetzen.

      Unser indianisches Erbe

      Das Interesse der Europäer an der indianischen Kultur und an indianischen Heilverfahren ist keine neuere Entwicklung, die mit einem generellen Interesse an anderen Kulturen und an deren Integration in den eigenen Kulturkreis einhergeht. Spätestens seit Kolumbus und der Entdeckung der Neuen Welt im 15. Jahrhundert waren auch europäische Botaniker und Pharmazeuten am Heilpflanzenschatz der Indianer interessiert. Die Erforschung - und allzu oft leider auch die Zerstörung - der neuen Kulturen wurde zunächst vom spanischen Königshof und Adel getragen, der sowohl die Zeit als auch das Geld hatte, seiner Neugier zu frönen. Später verselbstständigte sich das Interesse an indianischen Pflanzen und deren Heilwirkungen; bereits gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren Teile der indianischen Heilpflanzenkenntnisse Gemeingut der europäischen Arzneimittellehre.

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