Kopflos in Dresden. Victoria Krebs
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»Wie ist sie da hochgekommen?«
»Tja, geflogen ist sie wohl kaum«, antwortete der Beamte lakonisch.
Idiot, dachte Maria, erinnerte sich dann aber daran, dass eine laxe Art und Schnoddrigkeit wirkungsvolle Waffen waren, um sich vor den grauenvollen Bildern zu schützen, mit denen die Kollegen immer wieder konfrontiert wurden.
»Wenn die SPUSI mit ihrer Arbeit fertig ist, holt ihr die Frau bitte runter.« Maria hatte kaum zu Ende gesprochen, da rückte die Spurensicherung auch schon an. Sie schaute auf den Transporter, der der Reihe nach eine Gruppe von Männern ausspuckte, die in ihren weißen Tyvek-Schutzanzügen mit Kapuze wie Astronauten aussahen. Jeder trug einen schweren, silbernen Koffer, in dem sich die Werkzeuge und Utensilien für ihre Untersuchungen befanden.
Kapitel 3
Achtzehn Tage vorher
Ping. Schon wieder eine Nachricht. Nervös schielte Linda Hansmann in ihre Handtasche, in der ihr Handy lag. Nur zu gern hätte sie jetzt nachgeschaut, wer ihr geschrieben hatte. Aber sie musste sich bis zur Mittagspause gedulden.
Seit kurzem gab es eine neue Dienstanweisung, die die private Nutzung des Handys während der Arbeitszeit strikt untersagte.
»Na, schon wieder neue Eroberungen im Internet gemacht?«, frotzelte ihre Kollegin Marion Kärcher, die ihre Nase in alles reinstecken musste und der Linda Hansmann sehr wohl zutraute, dass sie sie bei ihrer Vorgesetzten anschwärzte, sollte sie sich nicht an diese Regel halten.
»Vielleicht«, gab sie schnippisch zurück. Längst bereute sie, dass sie die neugierige Kollegin in ihre ausdauernde Partnersuche im Internet eingeweiht und ihr obendrein auch noch Details über ihre bisherigen Bekanntschaften und amourösen Erfahrungen anvertraut hatte. Zu spät hatte sie bemerkt, dass Marion Kärcher ihr nicht wohlgesinnt war und ihr ihr gutes Aussehen und die vielen Verabredungen neidete. In einigen Jahren wird diese blöde Ziege eine alte, verbitterte Trockenpflaume sein, dachte Linda wütend und blickte auf die Uhr in der Taskleiste des Bildschirms. Noch fünfzehn Minuten bis zur Mittagspause, dann würde sie endlich nachsehen können, ob sich wieder ein »Match« ergeben hatte.
Sie blies eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht und fuhr mit beiden Händen durch ihr langes Haar. Ein wohliger Schauer durchfuhr ihren Körper. Seit sie sich bei New-Love angemeldet hatte, konnte sie sich vor Angeboten kaum retten. Allerdings – das musste sie zugeben – war die Mehrzahl der Kontakte, die sich zunächst als durchaus vielversprechend dargestellt hatten, fast ausnahmslos in einer Enttäuschung gemündet. Der Unterschied zwischen den virtuellen Profilen und der hässlichen Wirklichkeit hatte sich immer wieder als zu groß erwiesen.
Einige, die ihr vorgegaukelt hatten, auf der Suche nach einer Seelenverwandten zu sein, stellten sich als biedere Familienväter heraus, deren Frau mit dem zweiten oder dritten Kind schwanger war, und die einfach nur auf sexuelle Abenteuer aus waren. Aber noch viel übler waren die Trophäensammler, die wahren Zombies in dieser virtuellen Welt. Die Jäger visierten ihre Opfer an und schossen sie ab. Hatten sie ihr Ziel erreicht und eine Frau rumgekriegt, meldeten sie sich nicht mehr, reagierten nicht auf Mails und legten sie als virtuelle Leiche ab. Das war der weniger erfreuliche Aspekt dieser aufregenden und rasant schnellen Kontaktaufnahme.
Und doch war Linda noch voller Hoffnung: Vielleicht würde sie hier einen Partner für eine langfristige Beziehung finden. Sie durfte bloß nicht den Kopf verlieren und nicht zu schnell nachgeben, sie musste die Männer ein wenig zappeln lassen. Sonst würden die sofort merken, dass sich langsam so etwas wie Torschlusspanik in ihr breitmachte. Und das, so hatte sie im Laufe der Zeit schmerzlich erfahren müssen, war ein Garant dafür, dass ein Typ ebenso schnell das Weite suchte, wie der Kontakt aufgenommen und ein Treffen vereinbart worden war.
Diese verflixten Kerle, dachte sie. Die tickten irgendwie auch nicht ganz richtig. War die Beute zu leicht zu haben, verloren sie sehr schnell das Interesse. Offenbar betrachteten sie eine Frau nur so lange als anziehend, solange das Objekt ihrer Begierde nicht nachgab.
Linda fand es ausgesprochen kompliziert, die richtige Balance zu finden, dieses Spiel zwischen Anziehung und Zurückweisung, Nachgeben und Verweigern auszutarieren. Es war sehr anstrengend, es mitzuspielen und das Interesse der Männer aufrechtzuerhalten. Dabei hatte sie am eigenen Leib erfahren, dass nichts die Männer so sehr anstachelte, wie wenn man sich zwei Wochen lang nicht meldete und seine Mails einfach nicht beantwortete, obwohl das Gegenüber sehen konnte, dass man online war. Das weckte ihren Jagdinstinkt und Ehrgeiz.
Eine Frau, die einen Mann mit offenen Armen empfing und ihm so signalisierte, jederzeit verfügbar zu sein, stand auf verlorenem Posten. Daher war Linda fest entschlossen, ihre Strategie zu ändern und sich an die Regeln zu halten, die sie an einem Abend vor zwei Wochen mit einem Glas Weißwein in der einen und einer Zigarette in der anderen Hand aufgestellt hatte.
Damit sie ihre Gebote in der ersten Euphorie eines »Matches« nicht gleich wieder vergaß und sich nicht selbst betrog, hatte sie fein säuberlich eine Liste geschrieben. Wesentlicher und entscheidender Punkt dieses Regelwerkes war es, nicht gleich beim ersten oder zweiten Date mit einem Mann ins Bett zu gehen, selbst wenn er noch so gut aussah und total sympathisch rüberkam.
Etwas länger hatte sie für die Formulierung der Regel benötigt, nach dem wievielten Treffen Sex okay wäre. Nach einiger Überlegung hatte sie die Zahl von sechs auf vier vorangehende Verabredungen korrigiert. Sie war schließlich keine alte Jungfer, sondern eine attraktive junge Frau mit einem gesunden sexuellen Appetit. Im Gegenzug hatte sie die Zeitspanne von der Kontaktaufnahme bis zum ersten Treffen auf mindestens einen Monat nach oben geschraubt. Das erschien ihr zwar geradezu absurd lang, aber sie war wild entschlossen, sich auf dieses Spiel und die Hinhaltetaktik einzulassen. Sollten sich diese neuen, selbstauferlegten Regularien als untauglich erweisen, könnte sie immer noch zu ihren alten Gewohnheiten zurückfinden. Nichts leichter als das!
Endlich war Mittagspause. Aber die blöde Schachtel ihr gegenüber machte keine Anstalten aufzustehen und in die Kantine zu gehen. Vielmehr tat sie so, als wäre sie ganz in ihre Arbeit vertieft. Linda war sich sicher, dass sie sie bloß dabei ertappen wollte, wie sie sich endlich ihr Smartphone schnappte und die neue Nachricht las.
Blöde Kuh, dachte sie, nahm das Handy aus ihrer Handtasche, verließ das Büro und steuerte die Toilette an. Dort konnte sie in aller Ruhe nachschauen, wer ihr geschrieben hatte. Das bekannte Kribbeln im Bauch erfasste bereits ihren ganzen Körper. Wer würde es diesmal sein? Vielleicht endlich der lang ersehnte Traummann?
Noch auf dem Weg zum Klo ermahnte sie sich, sich strikt an ihre neuen Regeln zu halten: Zwar Interesse signalisieren, jedoch freundliche, aber bestimmte Zurückhaltung an den Tag legen und den Chat am ersten Tag auf höchstens fünf Minuten begrenzen.
Eilig schlüpfte sie in die Kabine und verschloss die Tür. Mit der Fußspitze hakte sie hinter den Klodeckel und ließ ihn auf die Brille knallen. Mit zum Schneidersitz verschränkten Beinen aktivierte sie das Display ihres iPhones. Wie gebannt starrte Linda auf ihr Handy: Sie hatte eine Nachricht über New-Love bekommen!
Kapitel 4
Zurück im Präsidium, gingen Maria und Gerd direkt in ihr gemeinsames Büro, um sich ohne großen Zeitverlust auszutauschen. Das war ein Ritual, das sie seit Jahren pflegten – eine Art Brainstorming der Gefühle und Impressionen, bewusst jede Plausibilität und Logik ignorierend.