Kopflos in Dresden. Victoria Krebs

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Kopflos in Dresden - Victoria Krebs

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harten, kühlen Blick aus seinen schmalen Augen. Sogleich vertiefte er sich wieder in seine Unterlagen.

      Nihat war der Sohn einer japanischen Pianistin und eines erfolgreichen türkischen Geschäftsmanns, der mehrere Restaurants in der Innenstadt von Frankfurt am Main besaß. Seit über einem Jahr hatten sie eine leidenschaftliche Beziehung.

      »Hast du Dr. Martin schon erreicht, Nihat?«

      Der Befragte schüttelte den Kopf, ohne den Blick zu heben.

      »Oder irgendetwas herausgefunden, ob sich in letzter Zeit ähnliche Fälle ereignet haben?«

      »Nein, bisher noch nicht. Ich durchforste noch die Datenbanken.«

      »Okay, mach weiter. Sobald du was gefunden hast, kommst du sofort zu mir. Und versuche, den Psychologen noch zu erreichen.«

      »Ja, mach ich.«

      Verunsichert starrte Maria auf seinen schwarzen Scheitel. Was war denn nun schon wieder los? Warum war er auf einmal so abweisend und einsilbig? Aber dafür war jetzt keine Zeit, entschied sie. Wortlos ging sie weiter und schloss die Tür ihres Büros hinter sich und ihrem Kollegen und Stellvertreter Gerd.

      »Was denkst du?«, fragte sie und eröffnete damit die Prozedur ihres Rituals. Gespannt beobachtete sie Gerd, der ihr gegenüber an seinem Schreibtisch Platz genommen hatte.

      »Also, auf jeden Fall sehr viel Symbolik. Der Kopf in der Vase, das Arrangieren des Körpers in dem Baum, die weit geöffneten Arme … Fast schon ein bisschen viel, finde ich.« Er kratzte sich am Kopf. Die kurz geschnittenen grauen Haare hatte er mit Wachs in eine modische Form gebracht. Die tiefen Falten, die sich von seinen Nasenflügeln bis runter zu den Mundwinkeln zogen, verliehen ihm einen sensiblen Ausdruck. Maria war davon überzeugt, dass er ohne diese markanten Falten, die bei den meisten anderen Männern für einen müden und alten Ausdruck im Gesicht gesorgt hätten, längst nicht so interessant wirken würde.

      »An was erinnert dich das? Irgendeine Idee?«

      »Tja«, er kniff die Lippen zusammen. »Also, die Enthauptung … eine politisch motivierte Tat? Aber mein Gefühl sagt nein, ich kann aber nicht sagen, wieso. Vielleicht, weil es sich um ein weibliches Opfer handelt. Und der Körper im Baum passt nicht dazu.«

      »Das ist genau das, was mir auch zuerst in den Sinn gekommen ist. Trotzdem sollten wir YouTube durchsuchen, ob es womöglich ein Video darüber gibt. Falls ja, müssen wir mit einer politisch motivierten Tat rechnen. Das kann Hellwig Dreiblum übernehmen.«

      Maria schrieb eine entsprechende Notiz für den Studenten der Polizeihochschule.

      »O.K., warten wir’s ab«, fuhr sie fort. »Woran musstest du denken, als du den Körper der Frau im Baum gesehen hast? Dein erster Gedanke, Gerd.«

      »An einen riesigen Vogel. An einen Vogel, der gerade fortfliegen will. So sah es aus.«

      »Ja«, meinte Maria nachdenklich. »Ein nackter, großer Vogel ohne Kopf auf einem dicken Ast. Glaubst du, dass das von Bedeutung ist?«

      »Was genau meinst du?« Neugierig sah Gerd seine Chefin an.

      »Es sah irgendwie – wie soll ich sagen? – beinahe obszön aus, die nackten, gespreizten Schenkel auf diesem Ast. Verstehst du, was ich meine?«

      »Ja, jetzt, wo du es sagst. Also eine sexuell motivierte Tat?«

      »Möglich. Dr. Martin wird uns sicherlich mehr dazu sagen können.«

      »Denkst du an eine Beziehungstat?«

      Bevor Maria antworten konnte, klopfte es. Unwillig sah sie auf und erblickte Nihat in der Tür.

      »Störe ich? Ich habe Dr. Martin erreicht. Er will morgen kommen, gegen zehn Uhr. Passt das?« Jetzt stand er mitten im Zimmer.

      Gerd pfefferte seinen Stift auf seinen Schreibtisch. »Wir reden später weiter, Maria«, sagte er knapp und verließ das Büro.

      Irritiert schaute ihm die Kommissarin hinterher. Waren denn heute alle verrückt geworden?

      »Nihat, wir waren gerade mitten in einer Besprechung. Wenn es nur um den Termin geht, hättest du auch durchrufen können, um mir das zu sagen. Du weißt, dass das Austauschen von ersten Assoziationen für uns immens wichtig ist. Nichts verflüchtigt sich so schnell wie der erste Eindruck, den ein Tatort oder eine Leiche hinterlässt.«

      »Ja, ich weiß, tut mir leid.«

      »Setz dich, wenn du schon mal da bist.«

      Nihat nahm auf Gerds Stuhl Platz.

      »Was hast du?« Maria studierte das Gesicht ihres Liebhabers. Und was sie sah, gefiel ihr nicht. Seine verschlossene Miene und die zusammengekniffenen Lippen sprachen Bände.

      »Nichts, wieso?«

      »Nihat! Was ist mit dir?«

      »Warum hast du Gerd mitgenommen und nicht mich?«

      Aha, dachte sie, daher weht der Wind.

      »Weil Gerd nun mal mein Stellvertreter ist und wir zusammenarbeiten. Schon sehr lange, wie du weißt.«

      »Ihr wart ziemlich lange weg.«

      »Nihat, sei nicht kindisch. Wir mussten noch ein ganzes Stück zu Fuß gehen. Nachdem wir den Fundort gesichtet und mit dem Einsatzleiter gesprochen haben, hat sich Gerd noch mit jemandem von der SPUSI unterhalten, einem alten Freund. Deswegen musste ich eben ein bisschen warten …«

      Sie sah Nihat an. Noch immer stand ihm seine Eifersucht ins Gesicht geschrieben.

      »Ich bin mir ziemlich sicher, dass dein Gerd was von dir will. Glaub mir, ich spüre das. Ich kann es an seinen Augen sehen, wenn er dich anschaut.«

      »Ja, das ist doch klar. Ich bin eine schöne Frau, deren Ausstrahlung sich niemand auf Dauer entziehen kann.« Maria lachte, so hoffte sie, ungezwungen auf. »Vielleicht sollte ich mich verhüllen, was meinst du? Dann könntest nur du mich sehen.« Sie spielte auf seinen muslimischen Hintergrund an.

      »Eine gute Idee!« Jetzt grinste auch Nihat und verzog dabei den Mund. Es war kein freundliches Lächeln.

      Gott sei Dank, er insistierte nicht weiter und gab sich mit ihrer Erklärung für die lange Abwesenheit zufrieden. Doch Nihats sarkastische Äußerung verunsicherte Maria, und das nicht zum ersten Mal. Sie vermutete, dass er chauvinistische Ansichten wie diese wegen seiner Religion und Kultur insgeheim teilte, es aber nicht für opportun hielt, sie offen auszusprechen. Ein Körnchen Wahrheit steckte eben in jeder Ironie, dessen war sich Maria sicher. Ach verdammt, soll er glauben und denken, was er will. Sie würde sich davon nicht beeindrucken lassen. Außerdem wusste sie ja auch gar nicht genau, wie er wirklich darüber dachte. Diese Themen hatte Nihat in der Vergangenheit immer geschickt umschifft.

      »Verschieben wir das auf heute Abend, ja?«, sagte sie nun.

      Nihat erwiderte nichts, stand auf, kam um den Schreibtisch herum und beugte sich zu ihr herab. Zärtlich küsste er sie auf den Mund und verließ dann das Zimmer.

      Überrascht von seiner plötzlichen Sanftmut, berührte Maria ihre Lippen mit den

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