Tod im Kirnitzschtal. Thea Lehmann

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Tod im Kirnitzschtal - Thea Lehmann

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er wollte, war sich Leo nicht ganz sicher. Bei Mandy hatte er also gezögert, seinen bayerischen Charme nur mit halber Kraft eingesetzt und sich nicht sofort eingelassen. Das ging ihm nun fast zu leicht. Ein wenig Herausforderung und ein bisschen mehr Distanz sollten schon sein. Stattdessen war er also alleine nach Hause gegangen, dafür mit zwei Telefonnummern.

      Uwe Kröger schaute vorbei und nickte ihm durch die offene Türe zu. »Na, homo bavaricus, alles im Lot?« Leo sah auf und lächelte seinen Kollegen an. »Hallo, Uwe, was meinst du, braun oder schwarz?« Er deutete auf die beiden Zettel vor sich.

      »Ah, der Herr Kommissar ist mal wieder auf der Pirsch.« Kröger schüttelte mit ironischer Entrüstung den Kopf, gleichzeitig sah man ihm an, dass er Leo um seine Freiheit beneidete. »Für deine Zwecke wohl eher schwarz wie die Nacht, Alter!« Er verabschiedete sich mit einem angedeuteten Winken und ging den Flur hinunter.

      »Hm, schwarz.« Leo drehte den Zettel mit Mandys Telefonnummer zwischen den Fingern. Rein statistisch gab es nur fünf Prozent wirklich schwarzhaarige Frauen in Deutschland, wenn man all diejenigen abzog, deren Heimatländer weiter südlich lagen. Die Frage war demnach, ob sie nachgeholfen hatte. Er hasste es, wenn Frauen sich die Haare färbten. Blondinen mit dunklen Haaransätzen waren der echte Abtörner. Bei Mandy konnte die Farbe durchaus echt sein, sie hatte dunkle Kohleaugen, dunkle Augenbrauen, er glaubte sich sogar an dunkle, feine Härchen auf ihren nackten Armen zu erinnern. Alles recht vielversprechend, und die Wahrheit ließ sich schließlich leicht herausbekommen. Am seltensten waren die echten Rothaarigen. Nur zwei bis drei Prozent der Weltbevölkerung hatten natürlicherweise rote Haare. So eine fehlte ihm ganz klar noch auf seiner Liste. Aber schwarz war auch nicht übel. Also doch Mandy?

      Eine blasse junge Frau mit knallschwarzen, langen Haaren und dunklem Make-up steckte den Kopf zur Tür herein. »He, du Seppel, gehst du mit Sascha und mir zum Thai-Imbiss?«

      Leo zuckte zusammen. »Nein, kein Thailänder!«

      »Wieso nicht? Das Essen ist billig und lecker! Nur so eine Schachtel voll mit gebratenen Nudeln und ein bisschen Huhn obendrauf.« Sie sah ihn mit ihren schwarz umränderten Augen forschend an.

      Ruppiger als beabsichtigt knurrte Leo nochmals »Nein!« und drehte ihr auf seinem Bürostuhl den Rücken zu. Sandra Kruse nannte ihn »Wessi-Dumpfbacke« und verschwand aus seiner offenen Bürotür.

      Leo schämte sich ein wenig, seines Ausbruchs wegen. Doch Sandra Kruse nervte ihn. Und Sandra war blond, obwohl man davon zurzeit nichts sah, weil sie ihre helle Mähne vor einem Monat rabenschwarz gefärbt hatte. Als Kriminalbeamtin! Leo fand das unmöglich. Das Schlimmste aber war, dass Sandra es nicht lassen konnte, ihn als Besserwessi für alle ihre eigenen Unzulänglichkeiten verantwortlich zu machen.

      Als wieder Ruhe vor seiner Tür eingekehrt war, griff er zu seinem Handy und rief Mandy an. Er legte sich entspannt zurück, um seiner Stimme das spezielle Timbre zu geben, auf das alle Frauen ansprachen. Obwohl er nicht übel aussah, hatte er in dem halben Jahr, das sein Singledasein nun dauerte, schon festgestellt, dass es nicht so sehr auf das Aussehen ankam. Er fand sich eher durchschnittlich. Sein Kinn war markant, ein wenig wie bei Michael Schuhmacher, seine Haare braun, seinem Körper sah man nicht unbedingt an, wie durchtrainiert er war. Es kam mehr auf ein selbstbewusstes Auftreten an.

      Der Bürostuhl knarzte unter seinen ein Meter zweiundachtzig.

      Drei Minuten später tänzelte er hochgestimmt die Treppe hinunter und machte sich auf den Weg in die Kantine. Mandy hatte sich für den Abend auf ein Bier mit ihm verabredet. Morgen würde er wissen, ob sie eine echte Schwarzhaarige war …

      Auch in Bad Schandau schien die Sonne freundlich vom Augusthimmel und tauchte den Stadtpark am Donnerstagmorgen in goldenes Licht. Gut gelaunt marschierte Karl Kunath, seit 23 Jahren Straßenbahnfahrer bei der Kirnitzschtalbahn, auf seinen kurzen Beinen quer durch den Stadtpark. Die Mütze saß keck auf den dunklen Haaren, seine Uniform war frisch gewaschen, das hellblaue Hemd sogar gestärkt. Karl Kunath hörte die Vögel zwitschern und sah, dass in der Kurklinik ein paar Hundert Meter weiter reger Betrieb herrschte; hier wurden neue Patienten ein- und Lebensmittel angeliefert. Kunath grüßte die Besitzerin des Kiosks an der Straßenbahnhaltestelle, die gerade dabei war, ihre wenigen Tische und Stühle vor den Pavillon zu stellen.

      Um acht Uhr entriegelte Karl Kunath die beiden Waggons mit dem speziellen Schlüssel und schaltete den Triebwagen ein. Die Stromabnehmer fuhren langsam nach oben und rasteten mit einem Klicken ein.

      Da keine Passagiere in Sicht waren und weil er noch fünf Minuten Zeit hatte, bis er laut Fahrplan losfahren sollte, drehte er eine Runde außen um die Waggons, um zu sehen, ob alles in Ordnung war. Dann inspizierte er die Wagen von innen. Von seinem Führerstand aus ging er zunächst im ersten Wagen nach hinten und sammelte mehrere Bonbonpapierchen auf. Er öffnete die Tür am hinteren Ende des Waggons, um hinaus auf den Bahnsteig zu treten. Sein Blick fiel auf die Gummilippe der Tür. Er kannte diese Bahn seit über 20 Jahren und hatte bestimmt schon jede Schraube an diesem Gefährt in der Hand gehalten. Seit die Gotha-Triebwagen 1992 aus Plauen ins Kirnitzschtal gekommen waren, wurden sie gehegt und gepflegt, denn niemand hier wollte moderne Züge haben. Zum einen waren neue Wagen viel zu teuer, zum anderen kamen viele Menschen allein wegen der alten Straßenbahn ins Kirnitzschtal. Der Gummi an der hinteren Türe war porös und musste demnächst erneuert werden. Karl Kunath nahm sich vor, das gleich im Straßenbahn-Depot zur Sprache zu bringen. Dann inspizierte er den zweiten Waggon. Der war ziemlich sauber, aber auch hier entdeckte der Straßenbahner noch eine leere Flasche Club-Cola, die neben einem Einzelsitz am Boden lag. Als er sich bückte, um sie aufzuheben, fiel sein Blick auf das Profil zweier Wanderschuhe.

      Erschrocken fuhr er hoch, knallte mit dem Kopf gegen die Haltestange. »Dunnerlittschn!«, entfuhr es ihm. Er lief die paar Schritte nach hinten. Da lag eine Person am Boden, verdeckt unter den beiden Sitzbänken. Das Gesicht war nicht zu sehen, das lag zur Außenwand hin, aber die Hose, die Jacke, die kurzen, schütteren Haare auf dem Schädel, all das deutete darauf hin, dass die Person ein nicht mehr junger Mann war.

      Karl Kunath rief ihn an: »He, hallo Sie da, schlafen Sie? Aufwachen!« Aber der Mann rührte sich nicht. Als Kunath ihn zu schütteln versuchte, merkte er, dass der Körper starr war. Er zuckte zurück und versuchte zu verstehen, was das bedeutete.

      »Ach du meine Güde!«, stöhnte er. »Ä Doder in meiner Straßenbahn!«

      Er schaute auf den Bahnsteig und hinüber zur Straße.

      Glücklicherweise waren immer noch keine Fahrgäste zu sehen. Mit zitternden Händen nahm er sein Handy und meldete das Malheur erst einmal seinem Einsatzleiter. »Gustav, halt dich fest, ich hab hier ’nen Doden in der Bahn liegen. Ruf gleich mal die Polizei und ’nen Doktor an und was man noch so braucht. Ich komm mit dem Typen vor zum Depot!«

      Er rannte zum ersten Wagen, setzte sich in den Führerstand und fuhr ohne den vorgeschriebenen Halt am Abzweig nach Ostrau direkt zum Straßenbahndepot. Dort wurde er von seinem Chef Gustav Neusche empfangen. »Die von der Polizei haben gesagt, du hättest mal lieber da bleiben sollen! Aber nu biste schon mal hier, da könn’ mir den Wagen ooch offs Abstellgleis stellen, und du kannst deine Runde mit der Bahn machen. Kannst die Fahrt ja nicht ausfallen lassen.«

      Sie koppelten den Wagen mit dem blinden Passagier ab, hängten einen neuen dran, und mit einem Blick auf die Uhr schickte der Chef der Straßenbahn seinen altgedienten Straßenbahner Kunath auf die Runde ins Kirnitzschtal. Er hatte ja schon einiges erlebt im Tal, aber einen Toten in der Bahn, so was hatte es bisher noch nicht gegeben.

      Neusche wartete mit dem Toten im Waggon auf dem Abstellgleis. Zehn Minuten später war die Ärztin aus Bad Schandau da und diagnostizierte, was zu diesem Zeitpunkt schon alle wussten, dass nämlich der Mann das Zeitliche gesegnet hatte.

      »Und

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