Meine Geparden sind auf dem Weg. Vahid Monjezi
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Ich will mein Reden aufnehmen.
Ich weiß nicht, ob diese Wörter überhaupt jemandem nützlich sind. Aber ich fühle, dass ich sie aussprechen muss, bevor der Tod alle meine Erinnerungen zunichtemacht.
Genauso, als ob sie nie existiert hätten.
Auf dem Tisch liegt ein kleines Foto von Yalda. Ich nehme es und schaue in ihre Augen.
Ein sanfter Windhauch zieht über mein Gesicht. Ich schließe die Augen, mein Atem wird langsamer.
Allmählich schwinden alle Geräusche und Eindrücke.
Neue Bilder werden hinter meinen geschlossenen Augen - wie Filmausschnitte - lebendig.
Ich sehe ihr Gesicht direkt vor meinem. … Und fühle ihre warmen Lippen, die über meine Lippen gleiten.
Yalda: „Mariwan … mein Mariwan“
Sie öffnet ihre schönen Augen für einen kurzen Moment und schaut mich mit einem traurigen Lächeln an.
Yalda: „Ich war verrückt, wegzugehen und jetzt habe ich keine andere Wahl, außer mich meiner Verrücktheit zu ergeben.“
Mariwan: „Vielleicht ist die Reise unser Schicksal … Yalda! Wir sind verurteilt zu gehen.“
Sie dreht sich zu mir.
Yalda: „Rede nicht weiter! … Ich will den Augenblick nicht verschwenden … Wenn die Sonne aufgeht, bleibt von uns nur das leere Bett … Ich will diese Momente jetzt neben dir erleben. … Gib mir deine Hand!“
Ich falte meine Finger in ihre Hand.
Ihre Wangen glühen unter der orange leuchtenden Nachttischlampe.
Sie schließt ihre Augen und wartet.
Ich schaue auf die sanften Falten ihrer Stirn.
Wie schnell die Zeit vergeht.
Zärtlich streichele ich ihr Haar, das auf ihrer Brust liegt.
Langsam nähert sich mein Mund ihren Lippen und ich ziehe ihren warmen Atem in mich ein.
Er duftet und ist weich und er weckt in mir eine ferne Erinnerung.
Sie legt ihren Arm um mich. Was für ein Feuer in diesen Lippen, in diesem Körper.
Wir haben beide Fieber. Wir sind beide durstig. Wir umfangen uns.
Danach fühle ich, wie wir mit allen Gegenständen im Zimmer langsam verschmelzen.
Gardinen, Fenster, Wände, Flaschen neben unserem Bett, alles schmilzt wie Wachs ineinander und beginnt zu tropfen.
Meine Augen sind geschlossen, aber ich spüre, dass meine Umgebung in einer unglaublichen Wärme zerfließt.
Eine Art Verwandlung von einem festen Körper, grob und leblos, in eine flüssige sprudelnde Form, die sich frei bewegen kann. Sie ist lebendig und findet ihren Weg durch ein Labyrinth von Hindernissen.
Ich wittere sie wie ein wildes Tier, das jahrelang überall nach seinem Gefährten gesucht hat.
Dieser Duft ist ihr Duft. Es ist kein Traum, ich kenne ihn.
Der Duft, mit dem ich jahrelang nur in meiner Erinnerung gelebt habe, ist jetzt bei mir, hier in meinem Arm … – obwohl ich weiß, dass der Sonnenaufgang sehr nah ist und mit seinem Kommen alles zu Ende geht.
Sie sagt: „Küss mich!“
Und ich küsse sie; ihre Augen, ihre Stirn, ihre Haare, ihre Schulter, ihre Lippen …
Ich küsse ihren ganzen Körper.
Sie öffnet langsam ihre Augen und sagt: „Wunder sind keine schwere Sache, siehst du!
Du hast eine Tote wieder zum Leben erweckt.“
Ich lege meinen Zeigefinger auf ihren Lippen: „PSSST“.
Sie küsst meinen Finger und sagt: „Ich habe deinen Blick nie vergessen.“
Mariwan: „Und ich nicht den Duft deiner Haare … als du geschlafen hast, und ich heimlich in dein Zimmer kam, neben dir saß und dich beobachtete.
Lächelnd und schelmisch wie ein zehnjähriges Mädchen fragt sie: „Sag die Wahrheit! Wie oft hast du mich beim Schlafen geküsst?“
Ich lache: „Tausendmal!“
Sie nähert sich mir wieder und schaut in meine Augen.
In ihrem Blick sehe ich das Bitten der ganzen Welt.
Ihre Lippen zittern: „Komm mit mir, Mariwan!“ … „Bitte, komm mit mir!“
Ich sage nichts. Ich schaue sie weiter an und weiß, dass sie aus meinem Blick alles liest.
Wenn sie redet, wenn sie atmet, wenn ihr Herz auf meiner Brust schlägt.
Ich vergesse, ich vergesse alle meine Ängste.
Sie flüstert: „Wenn die Liebe Gelegenheit bekommt, ist im Menschen kein Platz für die Angst.“
Zweites Kapitel
Ein ganzes Leben auf der Suche nach einem Schlüssel,
der nie gebraucht werden wird.
Schade - man musste nur die Klinke drücken,
die Tür war offen.
Wenn ich mich an meine Kindheit erinnere, war diese voller Angst.
Sie haben uns immer vor etwas gewarnt. Sie haben uns immer vor etwas geängstigt.
Dschinns(1), Satan, Geister, Gott, die Hölle mit ihren Schlangen und Skorpionen, mit feurigen Keulen und Flüssen aus geschmolzenem Blei und Teer, alles das, was Gott für Ungläubige und Zweifelnde vorbereitet hat.
So haben sie es uns gesagt, in unseren Religionsbüchern aufgeschrieben und uns damit immer geängstigt.
Ich habe nie verstanden, warum Gott sich so viel Mühe gibt, eine so komplizierte Hölle zur Folter und zum Erschrecken seiner Schöpfung, die sich nicht verteidigen kann, zu bauen.
Warum hat Gott nicht von Anfang an die Menschen so geschaffen, wie er sie sich wünscht?
Wozu überhaupt so viel Bedrohung und Angst?
Hat er Angst vor unseren Fragen oder dass wir ungläubig werden!?