Meine Geparden sind auf dem Weg. Vahid Monjezi
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Meine Geparden sind auf dem Weg - Vahid Monjezi страница 5
Der Sommer hatte erst begonnen und im goldenen Bach rauschte noch das Wasser.
Ein paar Schritte weiter schimpften die Spatzen aufgeregt und laut durcheinander.
Yalda warf die Pflaumentüte zu Boden und rannte dorthin, wo der Lärm herkam.
Wir standen da und schauten erstaunt auf Yalda, die zwischen den Gräsern hüpfte.
Yalda redete mit jemandem: „Husch, husch … verschwinde hier! … Ich sagte: ‚Verschwinde!‘“
Yalda nahm einen kleinen Stock und warf ihn in die Gräser.
Dann hörten wir ein Fauchen.
Wir rannten zu Yalda, die über den Boden gebeugt nach etwas im Gras suchte.
Soheil: „Was machst du hier?“
Yalda drehte sich zu uns und hob langsam ihre geschlossenen Hände hoch. Sie öffnete sie einen kleinen Spalt.
Yalda: „Schaut mal, ist das nicht süß?“
Ein Spatzenküken saß in ihren Händen. Seine Federn waren noch sehr kurz. Um den Schnabel hatte es einen gelben Rand. Es gab ein zitterndes, ängstliches Ziepen von sich.
Yalda: „Diese fette Katze wollte ihn mit einem Biss fressen.“
Oben auf dem Baum saßen mehrere Spatzen und zwitscherten aufgeregt. Sie hüpften von einem Ast zum anderen.
Adel: „Das ist bestimmt seine Verwandtschaft. … Guck mal, oh, der Arme, wie sein Herz schlägt!“
Soheil: „Drück’ ihn nicht so fest, Yalda! Lass’ ihn ein bisschen atmen!“
Mariwan: „Was machst du jetzt mit ihm?“
Yalda öffnete ihre Hände, schaute auf das Küken und sagte zu mir mit bittender Stimme:
Yalda: „Mariwan! Kannst du den in sein Nest bringen?“
Soheil: „Setz ihn hier unter den Baum, seine Eltern holen ihn bestimmt ab.“
Yalda: „Vielleicht nehmen sie ihn nicht mit und dann …? Ich habe Angst, dass die fette Katze zurückkommt.“
Adel: „So wie du die erschreckt hast, denke ich, kommt sie vor einer Woche nicht zurück.“
Yalda: „Trotzdem, ich lasse ihn hier nicht allein. … Vielleicht kommt ein anderes Tier und fängt ihn.
Er kann doch nicht fliegen und hat auch keine Hörner. Keine Krallen oder scharfe Zähne, womit er sich verteidigen kann. … Wisst ihr, dieser Garten ist voller schrecklicher Tiere.“
Ich streckte ihr meine Hände entgegen und sagte: „Her damit!“
Sie schaute mich an, legte ihre Hände in meine und öffnete sie.
Der kleine Vogel rutschte auf meine Finger. Er zitterte immer noch. Ich ging zum Baum, steckte mein T-Shirt in die Hose und ließ den kleinen Vogel von oben in mein T-Shirt fallen.
Sein Körper war warm, er bewegte sich ein bisschen auf meinen Hüften und letztendlich fand er ein gemütliches Plätzchen auf meinem Rücken.
„Hey Mariwan, geh‘ nicht! … Kalmamad kommt gerade!“
Das war die Stimme von Adel, die wie eine Sirene klang. Er zeigte irgendwo an das Ende vom Garten und sagte: „Verdammt, der hat auch seinen Hund dabei.“
Ich umarmte den Baum und zog mich hoch: „Geht weg!! … Ich komme gleich.“
Adel: „Ich beschwöre dich, beim Leben deiner Mutti. Geh nicht hoch!“
In der ganzen Hektik hatten wir trotzdem was zu lachen, denn jedes Mal, wenn Adel aufgeregt war, sprach er in seinem südlichen Dialekt.
Letztes Jahr kam er mit seiner Familie aus Ahwaz(5) nach Mashhad in unser Viertel.
Man sagte, es seien Kriegsflüchtlinge. Das Saddam-Regime hatte damals den südwestlichen Iran bombardiert. Darum mussten viele Familien fliehen und Adel hatte es zu uns verschlagen.
Er war dünn und hatte eine dunklere Hautfarbe als wir. Er hatte große schwarze Augen und viele Locken umspielten sein Gesicht.
Yalda lachte: „Beim Leben deiner Mutti, geh, aber komm schnell wieder zurück.“
Ich schaute hoch, die Spatzen flogen immer noch unruhig hin und her. Ich zog mich höher.
Währenddessen hörte ich von weit weg die Stimme von Kalmamad, der mit seinem Stock durch die Luft fuchtelte und schimpfte. Meine drei kleinen Freunde mussten flüchten.
Kalmamad: „Ihr Ganoven, ihr Wegelagerer, Sauhunde, wenn ich euch erwische!!! Diebe!“
Er trug ein weißes Baumwollhemd und eine runde braune Filzkappe auf seinen grauen Haaren.
Er war ungefähr 60 Jahre alt, ein bisschen krumm und der Gärtner von diesem großen Obstgarten.
Der Garten, dessen Obst immer auf die Erde fiel und verfaulte. Trotzdem erlaubte er niemandem, etwas zu pflücken.
Zwischen den Ästen hatte ich ein kleines Nest gefunden, in dem saßen noch zwei gleiche Spatzenküken. Vorsichtig holte ich das Vogelkind aus meinem T-Shirt.
Es sah mich mit seinen kleinen schwarzen Augen an. Ich spürte seinen Herzschlag an meinem Finger.
Ich küsste es auf seine Federn. Es roch nach Yalda. Die anderen Spatzen beobachteten mich von den obersten Ästen aus. Ich setzte es in sein Nest und rutschte ein Stückchen weiter weg.
Sekunden später kamen zwei Spatzen zum Nest geflogen und begannen, das Kleine zu füttern.
Von unten hörte ich Zähne fletschen. Es war Kalmamads Hund, der mich auf seine Weise empfing.
Kalmamad, der mit leeren Händen von seiner „Kinderjagd“ zurückkam, wurde durch das Bellen auf mich aufmerksam. Er kam langsam zum Baum und als er mich sah, strahlten seine Augen.
Kalmamad: „Hää … ausgezeichnet! Na, mein Herr … was machen Sie da oben? – Du Hundesohn.“
Mariwan: „Schimpf nicht Kalmamad!“
Kalmamad: „Ich schimpfe, wenn ich es will. Du kommst zum Klauen und hast noch die große Klappe. … Komm! … Komm runter! Du Dieb!“
Mariwan: „Ich komme nicht!“
Kalmamad: