Gamer. Группа авторов

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fühle ich mich unwohl, sehe zwar mit meinen vierunddreißig Jahren noch viel jünger aus und bin recht gut in Form geblieben, trotzdem falle ich bei der Frage sofort in mich zusammen und schlüpfe schneller als gewollt in mein Oberteil.

      »Bleib locker«, meint er und grinst anzüglich, wird dann ernst: »Hast du damals auch schon gezockt?«

      »Als Kind? Klar.«

      »Bock auf einen richtigen Retro-Battle?«

      Ich schaue ihn fragend an.

      »So ähnlich wie jetzt auch. Man wettet, wie weit man kommt. Nur mit alten Konsolen und so. Ich werfe einen Jackpot von viertausend Points ein.«

      »Bin dabei!« Und denke sofort daran, meine Schulden abbezahlen zu können, mein Zimmer zu behalten. Endlich wieder vernünftig essen. Mal wieder mehr als eine Platte für Industriedosen zu verwenden. Richtig kochen, mit frischem Gemüse, das immer teurer wird.

      »Und du brauchst einen Partner. Dann noch der Vertrag.«

      Ich winke ab. »Bekomm ich hin.«

      »Nächsten Freitag, 16 Uhr.« Er schaut mich kurz von oben bis unten an, bleibt an meiner Oberweite hängen, grinst, dreht sich dann um. »Dirk lässt dich raus.« Dann verschwindet er, grinst immer noch, und in meinem Bauch macht sich ein unwohles Gefühl breit. Aber ich schiebe es beiseite.

      Ich laufe durch den Gang hinaus, die Tür steht offen, und ich nicke Dirk zum Abschied zu, dränge mich an den anderen vorbei und schleiche aus dem Untergrund, die Treppen hinauf zur Oberfläche, nicht weiter hinunter zur U-Bahn. Ich wähle den Weg zu Fuß, auch wenn es länger dauert. Vorbei an Leuten, die sich gerade zu Partys aufmachen oder spät noch aus dem Büro kommen, Überstunden sind in. Aufgehübschte Hühner auf der einen Seite, Arbeitszombies auf der anderen. Und ich dazwischen, wische mir die verschwommene Wimperntusche von den Augenrändern, als ich mich in einem der Schaufenster spiegle, und würde am liebsten gleich noch die Falten mit wegwischen. Ich gehe weiter, langsam. Kein Wecker, der morgen klingelt. Wenn du zu risikobereit bist, hast du im Bankengeschäft nichts mehr verloren. Sowieso ein Wunder, dass ich es dort so lange ausgehalten habe. Mein Weg sollte ein anderer werden. Aber wo ist der Kick, jeden Morgen aufzustehen, sich aus dem Bett zu quälen, zur Arbeit zu gehen und abends wieder ins Bett zu fallen? Ich brauche einen Partner, ist alles, an das ich denke.

      *

      »Komm schon. Du hast doch früher auch immer rauf und runter gezockt.«

      Meine Schwester sieht mich kopfschüttelnd an. Bei ihrem vorwurfsvollen Blick merke ich erst, wie sehr sie unserer Mutter ähnelt. »Vergiss es, Miriam. Ich mach bei deinen komischen Sachen nicht mit.«

      »Das sind keine komischen Sachen.«

      Sarah schüttelt wieder den Kopf, sieht mich traurig an, fast schon mitleidig, und ich ertrage es kaum. Aber an wen soll ich mich sonst wenden? Meine Freunde habe ich aus den Augen verloren, mit der Zeit wurden es immer weniger Anrufe, weniger Nachrichten, ab und zu mal ein Like, ein Kommentar unter einem Bild, und dann nur noch virtuelle Leichen, die man nicht löschen will, weil man mal eine Verbindung zueinander hatte. Und eigentlich ist es nur ein Warten darauf, dass sie einen zuerst aus der Liste löschen, aber niemand traut sich, weil die scheinbare Verpflichtung siegt. Schließlich war es mal Freundschaft, auch wenn man sich schon lange nichts mehr zu sagen hat.

      »Hast du eigentlich endlich wieder mit Mama und Papa geredet?«

      Diesmal bin ich es, die den Kopf schüttelt. Sarah spricht ein Thema an, das ich auf keinen Fall weiter vertiefen will. Ich trau mich auch nicht, zu fragen, wie es ihnen geht.

      »Miriam.« Ihr Vorwurf hängt im Raum und würde sich nicht mal durch einen Turboventilator vertreiben lassen.

      »Bist du jetzt dabei oder nicht?«

      »Ich bin verheiratet und habe zwei Kinder, keine Zeit für deine Spielchen.«

      »Das ist deine Ausrede für alles.« Ich stehe auf. Warum noch länger meine Zeit vergeuden?

      »Jetzt warte.« Ich zögere. »Wie läuft es denn gerade so bei dir? Schon einen neuen Job in Aussicht? Du wolltest doch gerne noch im zweiten Anlauf studieren. Was ist damit?«

      »Das war vor sieben Jahren.« Oder noch länger her, füge ich in Gedanken hinzu. »Grüß die Kinder.« Ich gehe zur Tür und erwarte nicht, dass sie mir folgt. Erwarte nicht, dass sie den Kindern von dem nächtlichen Besuch erzählt, geschweige denn sie von der unbekannten Tante grüßt, die nur alle paar Monate mal vorbeikommt.

      Ich laufe an den kleinen Häuschen mit ihren perfekten Gärten vorbei, in denen das Spielzeug vom Tage liegt, bis es irgendwann verfault, der Rasen welkt und es nur noch eine einsame Erinnerung an eine längst vergangene Zeit ist. Vorbei an dunklen Fenstern, weil hier alle schon schlafen. Oder mit matten Lichtern ganz leise im Wohnzimmer sitzen oder in den Schlafzimmern und lesen, damit die Kinder nicht aufwachen. Vielleicht hier und da noch eine liegen gelassene Arbeit am Schreibtisch nacharbeiten, bis das schlechte Gewissen ruft, man sich zum Partner ins Bett legt und trotzdem an die Arbeit denkt. Sex als Ausgleich. Wilder, wenn die Kinder nicht da sind, und irgendwann nur noch als Routine. Leidenschaft vorgaukeln, Lebendigkeit. Was unterscheidet mich von ihnen, wenn wir alle nur nach dem Falschen streben, das gar nicht wirklich existiert?

      *

      Croc sieht an mir vorbei, als ich die Woche darauf wieder vor ihm stehe. »Du brauchst einen Partner, sagte ich doch.«

      »Aber wofür denn unbedingt?« So langsam verliere ich die Nerven, bei all diesen Regeln. Wenigstens hier will ich nicht nachdenken, sondern einfach machen.

      »Als Joker. Als zweites Leben.«

      »Ich zieh das allein durch.« Lasse mich von Croc nicht beirren, trete geradewegs an ihm vorbei und gehe in die Halle. Bin erstaunt, wie sie sich verändert hat. Statt der Liegen stehen dort nun alte Sofas und Sessel in allen möglichen Variationen. Mal aus braunem Leder, mal aus rotem Stoff. Auch einfache Holzbänke an den Seiten.

      Ich steuere ein blaues Sofa an, mit bunten Blümchenmustern. So eins hatten wir damals auch. Ich stelle meinen Rucksack auf dem Fußboden vor mir ab und klemme ihn mit den Beinen fest. Das Geld vom letzten Mal bar in der Tasche, habe direkt alles vom Konto geräumt. Damit keine Behörde oder sonst eine Institution auf die Idee kommen kann es abzubuchen und die Schulden damit auszugleichen. Beim Vermieter war ich noch nicht, hab vorerst meine wichtigsten Sachen, die noch übrig geblieben sind in meinen Rucksack gepackt und bin weg.

      Auf einem kleinen Tisch neben dem Sofa liegt ein Gameboy erster Generation.

      »Du hast wieder meine Batterien leergespielt«, höre ich das Quäken meiner Schwester im inneren Ohr. Sollte sie doch froh sein, dass ich endlich ihre Super-Mario-Land-Level geschafft hab, an denen sie schon seit Tagen dran war. Und ein Jahr später das überhebliche »Du kannst ihn haben. Ich bin jetzt eh zu alt dafür«, als sie mir den Gameboy aufs Bett geschmissen hat, und ich ihn wie einen kostbaren Schatz aufhob, die gespeicherten Spielstände löschte und alle von vorn anfing. Bis er dann auch bei mir irgendwann in der untersten Schublade verschwand.

      Vor mir auf dem Boden eine Playstation. Bekamen wir damals zu Weihnachten. Sozusagen ein Familiengeschenk. Meine Mutter, meine Schwester und ich selig zusammen auf der Couch: erst Tetris, dann Herkules, Autorennen, die Demo-DVD. Und mein Vater wohlwollend daneben. Ohne zu wissen, dass das alles in ein paar Jahren vorbei sein würde. Aber vorher sollten wir uns noch hunderte Male um den ersten Controller

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