Gamer. Группа авторов

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Gamer - Группа авторов

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einem anderen Tisch entdecke ich das Sega Master System, das ich als Kind immer wenig erfolgreich gegen die Nintendospieler in meiner Nachbarschaft verteidigte. Ihr hattet vielleicht Super Mario, aber wir hatten dagegen Super Boy.

      Nur Erinnerungen. Gestorbene Zeit. Ich logge mich mit dem Handy ein, ändere die Kontonummer in meinem Account, keine Zeit für Sentimentalitäten. Rufe kurz darauf die Seite erneut auf und ändere die Kontonummer, zurück zu meiner.

      Dann sehe ich mich um, wie sich die Halle nach und nach füllt. Die unterschiedlichsten Leute. Aber alle fasziniert von der Leinwand vorne, wo geprangert steht: viertausend Euro Jackpot. Der Schriftzug spiegelt sich in ihren Pupillen wieder. Heute mal nicht in Points, klingt mehr in richtiger Währung. Und ist doch nur eine Zahl wie jede andere auch. Als Hintergrund ein bewegliches Bild vom Meer, einzelne Wellen bewegen sich, spülen zum Strand und wieder zurück. Rechts unten Pixelfehler: Eine Welle vermischt sich mit einer zweiten, als rechteckige Einheiten, die sich übereinander schieben und wieder zurück.

      »Krasse Idee, oder? Dass man überhaupt mal so gezockt hat, irgendwie kaum vorstellbar.«

      Ein Typ Mitte zwanzig setzt sich neben mich. Schwarze Sturmfrisur, Dreitagebart. Ich schüttle den Kopf und fühle mich schrecklich alt. Die Halle füllt sich langsam. Mit neuen Gesichtern und denen, die man schon Jahre kennt, vom Sehen, mit denen man gealtert ist und doch nie miteinander gesprochen hat, außer das Nötigste. Und Croc mittendrin, der mir immer wieder zugrinst, sich dann umdreht und das macht, was er immer macht: Leute manipulieren.

      Wenig später füllt sich die Halle immer mehr – und dann geht es los. Croc steht vorne auf der Bühne, begrüßt kurz die Leute. Es handle sich zwar um originale Konsolen, aber alle seien miteinander verbunden, sodass man auch jederzeit auf den großen Monitoren die einzelnen Spiele übertragen könne. »Wer stirbt, fliegt. Dann kann nur noch euer Partner weitermachen. Falls ihr einen habt.« Er wirft einen Blick zu mir, und ich sehe ihm direkt in die Augen, schaue nicht weg. »Und wenn auch seine Leben aufgebraucht sind, ist es für euch vorbei. Wenn am Ende zwei übrig bleiben, machen wir hier vorne weiter. Wie normal, ohne die Retrokonsolen.«

      Zwei sollen am Ende übrig bleiben? Ich sehe mich um, die Halle ist noch voller als sonst. Wie lange sollen wir denn durchzocken? Egal. Ich nehme mir den Gameboy direkt neben mir, schalte ihn ein. Keine einzelnen Spiele, die ich einstecken muss, nur eins als Stellvertreter, mit dem ich direkt auf alle zugreifen kann. Doch nicht so old school wie angekündigt. Auch hier kann ich mich mit meinen Daten einloggen. Meine Hände umgreifen den Gameboy, wie damals: Fühlt sich gut an. Ein Stück Kindheit. Doch so viel älter; die Finger stumpf geworden, könnte die Nägel mal wieder lackieren, aber warum noch? Viertausend Euro Jackpot ist alles, an das ich denke. Was ich damit wieder gutmachen könnte.

      Als ich Super Mario Land 2 wähle, bin ich ganz im Früher versunken. Diesmal ohne die genervten Zwischenrufe meiner Schwester, blende auch die Halle um mich herum aus. Bekomme nur noch kurz mit, wie der Typ neben mir die PS2 startet, Kopfhörer überstülpt und den kleinen Monitor vor sich fixiert.

      Die Fingergriffe sind erst vorsichtig, dann geübt. Ich weiß genau, wann ich springen muss, was ich bei welchem Endgegner tun muss, um ihn sofort besiegen zu können. Kann genug Extraleben sammeln, um zwischendurch ein paar Mal draufzugehen. Die Unterwasserlevel waren schon immer am schwierigsten, den Fischen auszuweichen und nicht sofort zu schrumpfen. Aber ich komme gut durch. Und die Zeit verfliegt. Einmal schaue ich mich in der Halle um und sehe einige, die nur noch die großen Bildschirme am Rand und vorne beobachten, weil sie selbst schon raus sind. Mit Super Mario Land 2 habe ich ein gutes Spiel gewählt.

      Plötzlich werde ich mittendrin von einer Sirene gestört. Ich schalte auf Pause und sehe auf: Mein Name steht auf dem großen Bildschirm, mit sechs anderen. Wir sind die letzten. Ich spiele weiter, sterbe vor lauter Druck sofort, danach ein zweites Mal. »Reiß dich zusammen«, flüstere ich mir zu, bevor ich einen neuen Versuch starte. Nur noch fünf Namen. Und ausgerechnet jetzt habe ich alle Welten durch und mache in Marios Schloss weiter. Aber es läuft. Dann folgt der Endboss, sitzt dort auf seinem Thron, genauso wie damals. Noch vier Namen. Ich springe auf meinen Gegner, er hält inne, blinkt, trifft mich danach, und ich schrumpfe. Jetzt alles oder nichts. Kann ausweichen. Springe und treffe ihn ein zweites Mal. Dann ein drittes Mal. Er läuft weg, ich bekomme eine Möhre, Flügel, und renne hinterher. Auch er kann nun fliegen. Diesmal springe ich fast dreimal hintereinander auf ihn, ohne Schaden zu nehmen. Ein letztes Mal, er kann nun schießen. Ich schiele kurz auf die Anzeigetafel vorne: Noch drei Namen. Drücke kurz auf Pause, um erneut durchzuatmen. Dann geht es los, erst springe ich auf ihn, wieder blinkt er auf, laufe auf die andere Seite und weiche zu spät aus. Werde kleiner. Dann treffe ich ihn erneut auf dem Kopf. Einmal noch, die Sirene geht los, ich erschrecke, sterbe: Egal. Mein Name steht dort oben, der andere ist in seinem Spiel vor mir gestorben.

      Crocs Stimme dröhnt durch die Halle. »Cat und Boy231 stehen im Finale. Kommt nach vorne.« Ich stehe langsam auf, suche meinen Gegner: Ein Mann um die vierzig steht auf, sieht mich an, grinst und schlendert gemächlich zur Bühne. Ich folge ihm, versuche, genauso locker zu wirken, dabei zerreißt es mich innerlich. Ich fühle mich alt und müde und will eigentlich nur noch schlafen.

      Boy231 und ich verschwinden kurz hinter der Bühne, um unsere Anzüge anzuziehen, setzen uns dann auf die Liegen. Die Zuschauer stimmen ab, welches Spiel wir spielen: Bomberman. Im ersten Moment freue ich mich, da ich das selbst oft genug gezockt habe, aber als ich das Grinsen meines Gegners sehe, verschwindet meine Freude. Das wird ein harter Battle.

      Setzen unsere Helme auf und die Realität verschwimmt. Crocs Stimme nur noch über Kopfhörer. Dann beginnt die erste Runde. In 3D renne ich vor die viereckigen Steine, lege meine Bomben und verstecke mich, bevor ich die nächsten zünden kann. Das Labyrinth wird freier, ich kann die Schritte meines Gegners hören, lege eine Bombe und renne. Kurz bevor sie hochgeht, verschwinde ich um die Ecke. Eine zweite Bombe geht hoch, direkt neben mir. Dann noch eine: Sein erster »Win«. Mein Herz rast, eine kleine Anzeige in der Ecke zeigt mir, dass sie Mittel in mein Blut spritzen. Jetzt nicht, denke ich, reiße das Kabel raus, das meinen Anzug mit der Liege verbindet. Will keine Beruhigungsmittel, nichts, was mich vernebeln könnte. Ein paar Bomben und Tode später liegen wir im Gleichstand. So geht es hin und her, bis Croc durch die Kopfhörer ruft: »Letzte Runde. Jetzt entscheidet sich, wer gewinnt.« Ich werde unruhig, die Angst wird größer.

      Ich fluche, ein bisschen blöd, dieses Spiel für einen Battle zu nehmen, wenn es immer gleich abläuft. Trotzdem konzentriere ich mich auf die Bomben, auf Boy231. Kalter Schweiß fließt mir an den Schläfen und zwischen den Brüsten hinunter, mein Herz pocht so laut, dass ich glaube, alle in der Halle könnten es hören. Mein Blick verschwimmt, ich blinzle, um das Labyrinth richtig sehen zu können. Mir wird übel, und in meiner Brust schmerzt es, doch ich lege weiter Bomben. Mein Gegner stirbt. Danach ich. Der nächste Tod entscheidet. Ich lege eine Bombe, der Schmerz wird unerträglich. Ich greife mit der Hand auf Herzhöhe, verstecke mich gleichzeitig hinter einer Mauer. Höre noch, wie die Bombe hochgeht – und mein Gegner mit ihr: sich einfach ins Nichts auflöst. Jemand reißt mir den Helm vom Kopf, Leute applaudieren von weit her. Ich starre weiter in die virtuelle Welt, die schon nicht mehr da ist, sehe nur die drei Buchstaben meines Nicknames riesig auf allen Monitoren, aber kann sie nicht mehr deuten. Eine Hand nimmt meine, zieht mich von der Liege, die andere ruht immer noch auf meiner Brust. Ein Geräusch, als ob etwas reißt. Ich kann es nicht hören, nur spüren. Der Boden unter mir gibt nach – oder bin ich es, die nachgibt? Alles wird leicht, ich falle.

      *

      »Hallo Mama. Ich bin’s.«

      »Miriam. Dass du anrufst!« Kann mir lebhaft vorstellen, wie meine Mutter jetzt ins Wohnzimmer läuft, meinem Vater mit Fuchtelbewegungen deutlich zu machen versucht, wer am anderen Ende der Leitung ist – und kläglich scheitert.

      »Also erzähl, wie geht’s dir?« Kein rauer Ton, keine Frage, warum ich so lange nicht

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