Persephone. Matthias Falke
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Sie schwiegen eine Weile. Jeder hing seinen Gedanken und Erinnerungen nach. Laertes nippte ab und zu an der Zitronenlimonade, die herrlich erfrischend war. Beth stocherte in ihrem Kuchen, stellte den Teller dann aber weg. Ash sah zu der kleinen Jennifer hinüber, die in ihr Spiel vertieft war. Mit einem Modell eines Enthymesis-Explorers übte sie Starten und Landen in der Kraterlandschaft ihrer Sandkiste.
»Ihr hattet bestimmt viel Spaß auf eurem Trip«, sagte Beth schließlich, um das Schweigen zu brechen. »Franklin hat mir da so ein paar Anekdoten erzählt.«
»Spaß?« Laertes wirkte entgeistert.
»Du natürlich nicht.« Ash lachte amüsiert. An seine Frau gewandt, sagte er noch: »Er ist und bleibt ein Eigenbrötler.«
»Stimmt es«, fragte Beth, »dass du dich nur mit diesem Computer unterhalten hast, diesem Bordrechner?«
»Nicht nur, aber auch, ja.« Laertes grinste entschuldigend. »Das war mein Job.«
»Eine KI?«
»Madeleine.« Er nickte. »Sie war zur Zeit des Abflugs die am höchsten entwickelte Künstliche Intelligenz, die je geschaffen worden war. Während der Mission erlangte sie ein vollgültiges Bewusstsein. Das war im wesentlichen meine Aufgabe.«
»Respekt.« Beth schaute ihn anerkennend an.
»Er hat sie hervorgebracht«, rief Ash in dem Bemühen, sich in dem Genie seines Freundes zu sonnen. »Es ist, als wenn er einen Menschen geschaffen hätte!«
»Ja«, sagte Beth leise und mit mildem Spott. »Und es klingt, als sei er verliebt in sie. Madeleine?«
Laertes beschrieb nur eine ausweichende Geste.
»Was ist eigentlich aus ihr geworden?«, erkundigte sich Ash. »Nach allem, was ich mitbekommen habe, wurde unsere MARQUIS DE LAPLACE komplett umgerüstet. Da wurden doch sicher auch neue Systeme aufgespielt.«
»Die Software wurde komplett ausgetauscht«, sagte Laertes. »Das Schiff wurde generalüberholt und technisch auf den neuesten Stand gebracht. Immerhin waren einige Jahrhunderte nachzuholen. Die Entwicklung des Überlichtfluges zum Beispiel hatten wir buchstäblich verpennt. Das musste alles nachgerüstet werden. Und das ging natürlich nur mit einer vollständig neuen KI-Architektur.«
»Und Madeleine?« Beth klang erschrocken.
»Ich habe mir ihre Persönlichkeit heruntergeladen.« Laertes nestelte ein Medaillon aus dem Kragen seines Freizeithemds. Er betrachtete es unschlüssig. Dann reichte er es Beth, die sich das eingelegte Mini-Hologramm neugierig besah.
»Ist sie das?«
»Das ist Kathy«, sagte Laertes.
Beth wirkte irritiert.
»Seine Verlobte«, fiel Ash ein. »Ich habe dir davon erzählt.«
»Madeleine ist auf dem Chip gespeichert, der in das Medaillon eingearbeitet ist«, erklärte Laertes noch. »Ein Quantenspeicher der neuesten Generation.«
Beth betrachtete das Schmuckstück eingehend. Dann gab sie es ihm zurück.
»Bei Frauen hast du kein Glück, was?«
Er lächelte schief und verstaute das Medaillon mit einer linkischen Bewegung.
»Das einsame Genie«, sagte Ash tonlos.
»Was weißt du eigentlich von den anderen?«, fragte Laertes, um das Thema zu wechseln. »Wiszewsky? Rogers?«
»Die Frage ist, was du weißt.«
»Ich war viel unterwegs«, erklärte er ausweichend. »Reisen, Vorträge.«
»Wiszewsky hat sein Ziel erreicht. Die neue MARQUIS DE LAPLACE steht unter seinem Kommando.«
»Ja, stimmt. Das habe ich mitbekommen.«
»Von Randy weiß ich nur, dass er wohl eine ziemliche Karriere hingelegt hat. Er hat ja schon auf dem Rückflug ziemlich aufgedreht.«
Laertes nickte.
»Dann ist er in die Forschungsabteilung eingestiegen.« Ash schrieb mit den Händen wolkige Strukturen in die Luft. »Irgendwelche obskuren Entwicklungsprojekte. Alles natürlich streng geheim.«
Nicht ohne Murren hatte sich die Besatzung der ERIS an die Arbeit gemacht. Die Leute wussten, dass Rogers der erste sein würde, der sich nach Feierabend ein Glas einschenkte, wenn auch eher Whisky als Champagner. Aber wann dieser Feierabend sein würde, das konnte man nicht wissen. Rogers selbst arbeitete wie ein Besessener, und das erwartete er auch von seiner Mannschaft. Der Umfang an Daten war ungeheuer. In nur einer Schicht war er nicht zu bewältigen. Sie würden Wochen und Monate daran zu rechnen haben. Aber wann würde der Stationsleiter ein Einsehen haben und erklären, dass es für heute genug war?
Als sie auf einem der nächsten Umläufe die Stelle des Einschlags wieder überflogen, war die kilometerhohe Fontäne aus Sand und Staub verschwunden. Sie war in sich zusammengesunken und von den Jets der dünnen, sturmgepeitschten Atmosphäre ausgewischt. An ihrem ehemaligen Fußpunkt klaffte nun ein riesiger Krater.
»Strahlung?« Rogers beugte sich neben seiner rechten Hand über die Protokolle, die den ganzen Hauptbedienplatz der Station einnahmen.
»Sehr gering.« Seten Brini spielte zufrieden mit seinen schwarzen Locken. »Das ist einer der Vorteile dieses Systems. Die Reaktionsmasse wird vollständig vernichtet. Es bleibt nichts übrig. Kein Fallout. So gut wie keine Kontamination.« Er sah seinen Chef über seine Datenbrille hinweg an.
Rogers nickte.
»Ja, das könnte wirklich etwas Feines werden«, murmelte er in sich hinein. »Und das Profil?«
»Ich blicke auf eine gewisse Laufbahn als Exogeologe zurück«, erklärte Brini selbstverliebt. »Aber ich darf behaupten, dass ich einen solchen Scan noch nicht gesehen habe. Der ganze Planet liegt vor uns wie ein aufgeschlagenes Buch. Die Kruste, der Schalenbau. Die mineralogische Zusammensetzung, der Temperatur- und Viskositätsverlauf. Einfach alles. Auf einen Schlag!«
»Ein Schlag mit dem Hammer.« Dr. Rogers grinste.
»Als wäre der ganze Planet ein einziger großer Gong.«
»Boing!«
»Wahnsinn.« Brini schüttelte den Kopf, fassungslos und begeistert.
»Dieser Gong hat einen schönen satten Klang«, sagte Rogers. Dann wurde er wieder ernst. »Wissen wir schon etwas über die Tonnage?«
»Die freigesetzte Energie, meinen Sie?« Brini schaltete an seinen virtuellen Anzeigen herum. »Nicht schlecht.« Er deutete auf ein Feld.
Rogers pfiff durch die Zähne. »Einhundert Megatonnen?«
»Eine runde Sache, würde ich sagen.«
»Rechnen Sie das nochmal durch«, sagte Rogers. »Damit wir einen vorläufigen Bericht formulieren können.« Er zwinkerte seinem Stellvertreter