Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt
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Der Mittwoch brachte einen neuen Baustellenbereich im gleichen Areal. „Ganz schnell“ sollte am Treppenhaus hinter dem großen Hörsaal mit den Arbeiten angefangen werden. Also erst einmal Aktionismus, damit es nach Arbeit aussieht. Was sich so banal anhörte, erwies sich bei näherer Betrachtung als Arbeit für die nächsten vierzehn Tage. Der Denkmalschutz verlangte die Verwendung der alten Lampen. Die heutigen Vorschriften und der erkennbare Verschleiß durch über fünfzig Jahre Betrieb erlaubten indes die unsanierte Nutzung nicht mehr. Wer zum Teufel ist also nun für die Aufarbeitung der Lampen zuständig? Absprache? Fehlanzeige! Erst einmal wurden diese sehr vorsichtig demontiert, ein Kraftakt im Treppenhaus. Wie immer lassen die Verantwortlichen die Monteure „wursteln“, um sie bei Schäden abzustrafen, aber keinesfalls bei erfolgreichen Engagement mit Lob zu verwöhnen. Die Verantwortung wird durch Unterlassung von notwendigen Absprachen einfach nach unten delegiert. Der Haustechniker Dietmar Lohmann lagerte die Lampen auch freundlicherweise ein, damit sie im Bereich der Baustelle nicht noch mehr zu Schaden kommen. Die vorhandenen Unterlagen warfen für Marco Rechenberger und Frank-Peter eine Menge Fragen auf, die entscheidenden Einfluss auf Arbeit hatten. In einem Telefonat versprach der Chef, am Donnerstag auf die Baustelle zu kommen. Und er kam. Wie immer tat er sehr wichtig und versprühte eine Aura, die nach Hektik anmutete. Auch er hatte für einige der Fragen keine Antworten und wollte diese mit dem Elektroplaner klären. Für Frank-Peter hatte er eine schlechte Nachricht: „Du bist ab kommender Woche abgemeldet! Das hat nichts mit dir zu tun“, sprach er zu Frank-Peter. „Aber du siehst ja, die großen Hängepartien haben wir geschafft und jetzt können die eigenen Leute allein weiter machen!“ Frank-Peter hatte an diesem Tag ein Kabelsuchgerät von zu Hause mitgebracht, um den Verlauf der Zuleitungen zu den Lampen herauszubekommen und wenigstens die alten Rohre nutzen zu können. „Das erspart eine Menge Arbeit“, meinte Thilo Eckert, als er Frank-Peter bei der Arbeit zusah. Wenn Zeitarbeiter als „Feuerwehr“ auf die Baustellen bestellt werden und dort mehr machen, als man das von normalen Gesellen erwarten könnte, müssten doch diese Spezialisten, die also die Karre aus dem Dreck ziehen, einen höheren Verdienst bekommen, als die Festangestellten. Das würde ihren Einsatz sicher auch zeitlich befristen. Aber damit will sich in der Politik ja niemand beschäftigen. Die Wirtschaft soll schon selber machen, was sie für richtig hält. Den Unternehmen zumindest erspart es eine Menge an Kosten und flexibler ist man alledem. Auftragsschwankungen werden so besser abfedert und auf die Schultern der Kleinen verladen. Reicht das nicht mehr, muss der Staat mit Hartz IV die Grundsicherung übernehmen. Sicher kann man nicht alle Firmen über den gleichen Kamm scheren. Ein gewisser Trend ist jedenfalls nicht zu verkennen.
Als uralte Schalter demontiert wurden, fiel Frank-Peter die kyrillische Schrift auf. „Da siehst du mal“, sprach Thilo Eckert, dem er das Typenschild zeigte, „da heißt es immer, die Russen haben als Reparationen alles weg geholt, hier haben sie sogar geliefert!“ Ein Irrtum, wie sich bei genauer Betrachtung des Typenschildes heraus stellte. Es handelte sich ein Erzeugnis des Stalin Werkes in Berlin-Treptow.
Die Typenschilder der demontierten Schalter in deutscher und kyrillischer Schrift
Von vier Schaltern war ein Typenschild in deutscher Sprache, drei in russischer. Das bedeutet, dass dort Produkte vor allem als Reparationsleistung für die Sowjetunion hergestellt wurden und ein Teil der Produktion seinerzeit für die Kunstschule abgezweigt worden war. Der Freitag war gekennzeichnet von Stemmarbeiten mit dem Bohrhammer. Obwohl der Schutt gleich zusammengekehrt wurde, zog eine gewaltige Staubwolke durch den 800 Meter langen Quergang. Jeder Schritt aus diesem Areal heraus zeichnete eine weiße Fußspur, die jeden Kriminalisten begeistert hätte. Aber hier nicht. „Du wirst am Montag bestimmt vom Bauleiter etwas zu hören bekommen“, sprach Frank-Peter zu Marco Rechenberger. Der zuckte mit den Schultern. „Als man hier den Putz abgehackt hat, war mit Folie eine Staubschutzwand errichtet worden. Vielleicht machen wir das auch. Aber jetzt ist schon der größte Teil der Wandschlitze gestemmt“. Nicht ganz, wusste Frank-Peter. Es kam noch einiges auf die Kollegen zu. Aber das mussten sie ohne ihn erledigen.
10. Rückzahlung eines Knöllchens!
Frank-Peter ist ein Wunder widerfahren, dass kaum zu fassen ist.
Eines Tages Mitte April flatterte Frank-Peter ein Strafbefehl (Knöllchen) ins Haus. Das Auto war auf seine Frau zugelassen, also war es erst einmal an sie adressiert. In der Begründung stand, dass das Fahrzeug am 08. März in der Gottschedstraße 23 verkehrswidrig geparkt wurde. Nach sechs Wochen kann man schlecht jeden Schritt nachvollziehen und weil Frank-Peter den Behörden in dieser Beziehung nicht über den Weg traute, vor allem wegen einer integrierten Drohung auf der Rückseite des Schreibens hat Frank-Peter den Widerspruch nicht gewagt und zähneknirschend bezahlt. Ein Widerspruch zu diesem Zeitpunkt hätte im ungünstigsten Fall den Weg vor ein Gericht eröffnen können. Das wiederum ist mit Zeit und vielleicht auch mit erneutem finanziellem Aufwand verbunden. Beides Dinge, über die Frank-Peter nicht verfügte. Außerdem waren gleich zwei Polizeiobermeister als Zeugen benannt worden. Für Frank-Peter war das ärgerlich, denn solche Sonderausgaben versuchte er seit Jahren zu vermeiden. Allerdings ist manchmal eine unklare Beschilderung oder eine ungünstige Warteposition, während die Ehefrau zum Beispiel in der Apotheke ein Rezept einlöst, eine Ursache, dass Vorschriften auch von Frank-Peter nicht erkannt oder schlichtweg ignoriert werden. Die angegebene Adresse hat ihm aber keine Ruhe gelassen, insgeheim ahnte er schon eine Verwechslung mit seiner Adresse. Spät, vielleicht zu spät suchte Frank-Peter dann diese beschriebene Stelle auf und musste feststellen, dass er in diesem Teil der Gottschedstraße seit Jahren nicht mehr mit dem Auto eingefahren war. Dieser Straßenabschnitt zwischen Käthe-Kollwitz-Straße und Thomasiusstraße ist eine so genannte verkehrsberuhigte Zone, das heißt, von einer Richtung (Thomasiusstraße) ist das Einfahren durch das Verkehrszeichen 267 nicht gestattet, allerdings auch nicht das Ausfahren in Richtung Käthe-Kollwitz-Straße. Im Bereich ab Gottschedstraße 17 ist auf beiden Seiten Parken erlaubt, rechts schräg zur Fahrtrichtung, links längs zur Fahrtrichtung. Es würde schon an Dummheit grenzen und auch akrobatische Aktionen erfordern, wenn er an dieser beschriebenen Stelle auf der linken Fahrbahnseite falsch geparkt haben sollte. Schon anhand dieser Tatsache entbehrt die Beschuldigung jeder Grundlage.
Lange überlegte Frank-Peter, was er unternehmen könnte. Es wurmte ihn mächtig, voreilig bezahlt zu haben. Wenn er aber niemals in dieser Straße mit dem Auto war, ist dann die Behauptung der „beiden“ als Zeugen genannten Polizeiobermeister nicht Falschbeurkundung zu seinem Nachteil? Als erstes schrieb Frank-Peter eine Beschwerde an das Ordnungsamt über die Art und Weise der Erlangung von Verwarngeldern und als zweites erstattete er eine Anzeige bei der Polizei wegen Falschbeurkundung. Daraufhin bekam seine Frau einen Anruf vom Polizeichef. Es war schon bühnenreif, was sich dann abspielte. So teilte der Chef der Polizei mit, dass es sich bei den angegebenen Zeugen nicht um zwei Polizisten handle, sondern um einen, wo man den Vornamen mit POM (Polizeiobermeister) und den Familiennamen erneut mit POM angegeben hatte. Diesen hatte man befragt