Ich kann mir die Arbeit nicht leisten. Rainer Voigt
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Abgebranntes Haus in der Karl-Egner-Straße
Es hört sich abenteuerlich an, wie Frank-Peter zu Friedrich Rübner und dessen Konglomerat von Firmen kam. Frank-Peter hörte im Jahre 2004 nach langer Arbeitslosigkeit durch Vermittlung des Sohnes einer Arbeitskollegin seiner Frau, Patrik Steude, von einer Arbeitsstelle in Bad Elbis-Solbach und wagte das Abenteuer. Nur allein mit dessen Zusage, dass Elektriker gebraucht würden, packte er eine Reisetasche und sicherte sich eine Mitfahrt in der zu diesem Zeitpunkt noch existierenden Fahrgemeinschaft. Patrik Steude hatte auch eine Schlafgelegenheit organisiert. Frank-Peter wusste zu diesem Zeitpunkt weder sicher, ob es eine Einstellung geben würde, noch zu welchen Konditionen. Auch seine Arbeitskleidung entsprach nicht den heutigen Normen, eine Niethose und abgeschriebene Lederschuhe mussten fürs erste herhalten. Er hatte zwar Elektriker gelernt und mehr als einmal in den letzten Firmen in diesem Fach mitgearbeitet, aber die vielen neuen Bauteile und die teilweise neuen Technologien waren ihm noch nicht geläufig. Dass es nur kurze Zeit dauert bis man dieses Wissen aufholt, sollte sich später herausstellen. Abends im Dunklen kam man in dem Objekt an. In den spärlich beleuchteten Gängen wirkte alles gespenstig. Patrik Steude zeigte Frank-Peter seine Schlafgelegenheit. Am Morgen begann Frank-Peter wie alle anderen 7 : 00 Uhr mit seiner damals unvollkommenen Arbeitskleidung bei den „alten“ Elektrikern und meldete sich dann 9 : 00 Uhr im Büro bei Veronika, der dritten Tochter von Friedrich Rübner. Nur 8,50 Euro kann man ihm zahlen, verkündete Veronika, die ein bildhübsches Gesicht hatte. Unterkunft und Verpflegung waren kostenlos. Arbeitszeit ist von 7 : 00 Uhr bis 18 : 00 Uhr täglich zehn Stunden, weil die Pausen heraus gerechnet werden. Gern kann man auch danach noch länger arbeiten. Die Wochenenden werden durchgearbeitet, damit man in der zweiten Woche am Donnerstag nach der Arbeit die Heimreise antreten kann. Die Rückfahrt war ohnehin nicht möglich, er war auf die Fahrgemeinschaft angewiesen und so sagte Frank-Peter zu, wohl wissend, dass alle anderen vor ihm einen höheren Stundenlohn bekommen hatten. Zwei Tage später kreuzte auch der Bauleiter Werner Adler auf. Die Elektriker hatten eine Sonderstellung, sie unterstanden nicht dem Bauleiter, sondern wurden vom Elektriker Gerhard Lochmann in die Arbeiten eingeteilt, einem ortsansässigen „Wessi“. Nach kurzer Zeit bemerkte er wohl, dass Frank-Peter gewissenhaft und schnell arbeitet und zog sich selbst mehr und mehr aus der aktiven Arbeit zurück. Er verbrachte immer mehr Zeit im Hausmeisterbüro bei Kaffee und Kuchen, den er durch seine guten Kontakte mit der Küche immer in ausreichender Menge bekam. Zudem glich dieses Hausmeisterbüro eher einer Kneipe, denn zusammen mit Rudolf Hausmann, dem damaligen Lebensgefährten der Chefin qualmten beide um die Wette. War Friedrich Rübner im Haus, schloss er sich auch schon mal im Hausmeisterbüro ein, damit er beim Nichtstun nicht auch noch erwischt werden würde. Als Gerhard Lochmann wegen einer Gallenoperation und einigen Komplikationen danach für längere Zeit ausfiel, übernahm Frank-Peter den Elektropart der Baustelle. Weil Friedrich Rübner die Elektrofirma, die das ursprüngliche Objekt gewartet hatte zu teuer war und er mit eigenen billigen Fachkräften vor allem aus dem Osten weit günstiger arbeitete, hatte er die Zusammenarbeit aufgekündigt. Daraufhin beseitigte die alte Elektrofirma alle Unterlagen der vielen im Haus verteilten Schaltschränke. So war es vor allem in einem der beiden zusammenhängenden Häuser oft ein Glückspiel, Fehler zu suchen und neue Komponenten, etwa die elektrischen Türöffner einzubauen und in Betrieb zu nehmen. Werner Adler, der Bauleiter, zwei Jahre älter als Frank-Peter, machte mit goldenem Kettchen und zu einem Pferdeschwanz zusammengebundenen Haaren auf sich aufmerksam. Der frühere Jugendbrigadier des Baukombinates Karl-Marx-Stadt4 machte rein äußerlich nicht den Eindruck, dass er auf einer Baustelle seinen Lebensunterhalt verdient. Den Zuhälter würde man ihm indes bedenkenlos abnehmen. Aber das sind nur Äußerlichkeiten, nach denen man sich nicht richten soll, obgleich die Verhaltensweise von Werner Adler eine objektive Beurteilung schwer machte. Nach und nach sickerten erst Gerüchte, später sichere Informationen zu dessen Beziehungen mit Krankenschwestern durch, denn das Bauobjekt war bereits zum Teil mit dem Haus eins fertig und in Betrieb. Immer wenn eine Etage in diesem Haus zwei fertig wurde, bekam es kurz danach bereits Bewohner. In einem anderen Objekt von Friedrich Rübner, in Bad Kaiser, welches Frank-Peter später auch noch kennen lernte und die gesamte Elektrik einer in der Nähe befindlichen Baustelle plante und selbst installierte, hatte Werner Adler auch noch eine feste Beziehung. Immer, wenn diese Beziehungen offenkundig wurden, verloren die jeweiligen Krankenschwestern ihren Job. Als Bauleiter nahm er sich allerhand Freiheiten heraus. Während für alle anderen 18 : 00 Uhr Feierabend war, kam Werner Adler dann schon frisch geduscht aus seinem Quartier, dass er mit niemanden teilen musste. Da Werner auch ein Zimmer in Bad Kaiser hatte, kam er an den Montagen der Anreise auch nicht immer pünktlich, seine wöchentliche Abreise war in der Regel Donnerstag. Sehr viel später konnte Frank-Peter auch selbst sehen, dass Werners Stundeabrechnung all diese Fehlzeiten ausließen und selbst Wochenenden mit Stunden abgerechnet wurden, an denen Werner weit von den Baustellen entfernt war.
Das Objekt in Bad Elbis-Solbach hatte schon beachtliche Dimensionen. Eines Tages sollten an den Enden der Korridore die Heizungen neben den schmalen Türen an die Seite versetzt werden, damit ausreichend breite Fluchttüren eingebaut werden konnten. Zuerst wurden die Heizungen an die Seite verlegt, aber aus einem unerklärlichen Grund blieben jedoch die schmalen Türen. Werner erzählte unter dem Mantel der Verschwiegenheit, dass der Gutachter auf Friedrich Rübners Kosten drei Wochen Urlaub auf Mallorca verleben durfte, wo ihm alle Unkosten beglichen wurden. Im Gegenzug hat er alle Gutachten blanko unterschrieben. Das Gleiche traf auch für das gesamte Haus zu. Werner erzählte, dass am Anfang der Baumaßnahmen des als Kurhotel geplanten, aber nie in Betrieb gegangenen Hauses eine Entkernung erfolgte, wo auch jede Menge tragende Wände entfernt wurden. Bei eine kräftigen Sturm hätte alles wie ein Kartenhaus zusammenfallen können. Nun sind aber wieder ausreichend Wände eingebaut, die das Haus stabilisieren. Als Friedrich Rübners Tochter Katrin eine 14-tägige Urlaubsreise in die USA antreten wollte, holten sie Gerhard Lochmann und Frank-Peter, um die Elektroarbeiten in ihrem Wohnbereich abzusprechen. Katja hatte eine etwa 300 m2 Wohnung auf den Dach des Hauses, die weder über einen eigenen Stromzähler noch über eine Wasseruhr verfügte. Katrin äußerte ihre Wünsche – und – dass nach dem Urlaub alles fertig sein sollte. Aus diesem Wunsch nach vierzehn Tagen Arbeit wurden Monate, die gesamte Wohnung wurde total umgebaut. Es war Frank-Peters erste Bewährungsprobe, denn alle elektrischen Arbeiten hatte er allein zu machen. In notwendigen Arbeitspausen im elektrischen Bereich half er bei der Parkettverlegung oder auch beim Trockenbau. Am Ende waren es mehr als 120 Lichtschalter und Steckdosen und mehrere tausend Meter Elektrokabel, die die edel sanierte Wohnung verschlang. Hinzu kam noch, dass die Brandmeldeanlage auch diesen Bereich des Hauses sichern musste. Die Brandmeldeanlage hatte Frank-Peter von Anbeginn als Einziger verlegt und installiert. Nur für die Inbetriebnahme und Programmierung erschien eine Spezialfirma. Selbst die Berechnung der erforderlichen Menge an Brandmeldern im großen Speiseraum überließ man Frank-Peter, der zu Hause mithilfe eines Computerprogramms ein Maßbild für die Standorte der Brandmelder erstellte. An manchen Tagen arbeitet Frank-Peter die vollen zehn Stunden auf der Leiter stehend in den Korridoren, um Komponenten der Brandmeldeanlage zu installieren oder auch den Schwesternruf zu installieren. Heftige Krämpfe in den Beinen und den Armen meldeten sich hier in den Nächten zum ersten Mal und brachten endlose schlaflose Stunden. Außerdem war er einer der wenigen, die zum Feierabend am Abend nicht sagen konnten, ob es draußen geregnet oder bereits geschneit hat. Ein anderer Elektriker, auch aus der Nähe von Leipzig, hatte Friedrich Rübner vorgerechnet, dass sich für ihn Überstunden nicht rechnen. Mit den Überstunden komme er in eine neue Steuerklasse und hat von 100 Euro Bruttolohnerhöhung aufgrund der Überstunden weniger als 20 Euro Netto für sich. Nach vierzehn Tagen war dieser Elektriker entlassen worden. Peter, der einzige „Wessi“, der eigenartigerweise mit der Ex vom Elektriker