Er war mein Urgroßvater. Christiane Scholler

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Er war mein Urgroßvater - Christiane Scholler

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       Der siebenjährige Franz Ferdinand mit seinen Brüdern Ferdinand (zweijährig) sowie Otto (fünfjährig), Schwester Margaretha Sophie war gerade geboren (1870)

      Die junge Frau hinterließ dem nun zum zweiten Mal Witwer gewordenen Carl Ludwig also vier Kinder: Franz Ferdinand (* 1863) sowie dessen Brüder Otto (* 1865) und Ferdinand (* 1868) und Margaretha Sophia (* 1870). Das wäre auch in heutigen Tagen keine einfache Situation. Neben der Trauer um die geliebte Ehefrau plötzlich mit vier kleinen Kindern dazustehen und, als guter Familienvater, den innigen Wunsch zu haben, den Kleinen ein halbwegs geordnetes Familienleben bieten zu können.

       Die Bedeutung der Stiefmutter

      Was also tun? Es galt, eine Frau zu finden, die nicht nur als liebende Ehefrau, sondern auch als treu sorgende Mutter infrage kam. Für vier ihr fremde Kinder, die noch einen weiten Weg vor sich hatten. Es spricht sehr für die Person und Persönlichkeit Erzherzog Carl Ludwigs, dass sich tatsächlich die ideale Partnerin für ihn fand: in der Person der 18-jährigen Prinzessin Maria Theresia von Braganza, Infantin von Portugal, die nach der Hochzeit mit Carl Ludwig 1873 Erzherzogin Marie Therese genannt wurde. Zur Wahl dieser Ehefrau hatte die Mutter Carl Ludwigs, Erzherzogin Sophie, wie immer ihren nicht unbeträchtlichen Beitrag geleistet.

      Das fast Unglaubliche geschah: Die Kinder bekamen eine junge, liebevolle und fürsorgliche Stiefmutter, und endlich kehrte wieder Familienglück im Hause des Erzherzogs ein. Dieses wurde schließlich perfekt durch die Geburt der kleinen Maria Annunziata 1876 sowie einer weiteren Schwester, Elisabeth, die 1878 zur Welt kam. So könnte man meinen, Carl Ludwig konnte zum Glück seiner Kinder den Satz »Was lange währt, wird endlich gut« in jeder Hinsicht bestätigen.

      Geht man zurück in die prägenden Jugendjahre Erzherzog Franz Ferdinands, so konnte er trotz des Schicksalsschlages, die leibliche Mutter früh verloren zu haben, eine glückliche und schöne Kindheit erleben. Das harmonische Familienleben inmitten vieler Geschwister muss in ihm schon früh den Wunsch geweckt haben, es später einmal auch so gut zu treffen: mit einer Frau, die man aus Liebe heiratet und mit der man eine glückliche Kinderschar heranwachsen sehen kann.

       Die Stiefmutter: Maria Theresia von Braganza, Infantin von Portugal, nach der Hochzeit mit Carl Ludwig 1873 Erzherzogin Marie Therese genannt

      Die Leistung Erzherzogin Marie Thereses ist bewundernswert. Sie gab der Bezeichnung »Stiefmutter« eine völlig neue Bedeutung, zum Glück für die Kinder und die gesamte Familie. Die liebevolle Stiefmutter stand in ziemlichem Gegensatz zum Wesen Maria Annunziatas, der leiblichen Mutter Franz Ferdinands. Maria Annunziata litt bereits vor ihrer Hochzeit mit Erzherzog Carl Ludwig an Lungentuberkulose. Eine Tatsche, die dem Bräutigam zum Zeitpunkt der Eheschließung wohl nicht bekannt war, die sich aber fatal auf das Leben der Kinder auswirken sollte, die dieser Ehe entstammten. Maria Annunziata, die sich des Problems sehr wohl bewusst war, hielt, wohl vor allem aus mütterlicher Vorsicht, Abstand zu ihren Kindern. Da gab es nicht einmal ein flüchtiges Umarmen, weil die Ansteckungsgefahr einfach zu groß war. Eine Vorsichtsmaßnahme, die nichts brachte, denn die Lungenkrankheit hatten alle ihre Kinder, möglicherweise bereits durch Ansteckung bei der Geburt, bereits in sich.

      Der Abstand, der wegen der Erkrankung zwischen Mutter und Kindern herrschen musste, war mit Sicherheit ein großes Problem. Die emotionale Bindung, die auf natürliche Weise zwischen Kindern und Eltern entsteht, kann sich unter solchen Umständen nicht entwickeln. Was muss der kleine Franz Ferdinand gelitten haben, als er und seine Geschwister von der Mutter nicht liebevoll in den Arm genommen werden konnten!

      So tragisch das Ableben der 28-jährigen Maria Annunziata aufgrund der fortgeschrittenen Lungentuberkulose war: Die mittelbare Folge war der Eintritt einer liebevollen Ersatzmutter in diese Familie, die es mit psychologischem Gespür und großer emotionaler Intelligenz trotz ihrer jugendlichen 18 Jahre bei der Hochzeit schaffte, die Herzen der Kinder und das des Vaters im Sturm zu erobern. Diese Frau war es auch, die – zum Glück! – die weitere Entwicklung Franz Ferdinands nachhaltig prägen konnte und ihm bis an das Ende seines Lebens eine liebevolle, weise und gütige Ratgeberin war. Was kann man Schöneres über eine Mutter sagen?

       Der »Ausstellungs-Erzherzog«

      Die landläufige Meinung über Kindererziehung und Alltag in einem adeligen Haushalt geht nicht selten in die Richtung: verwöhnte Fratzen, denen jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird, süßes Nichtstun und keine Sorgen um Essen, Trinken, Kleidung und Geld, weil ja ohnedies alles im Überfluss vorhanden ist.

      Weit gefehlt! Franz Ferdinand und seine Geschwister mussten sehr wohl, und zwar sehr viel, lernen, um sich auf einen späteren Beruf vorzubereiten. Das konnte die Gutsverwaltung mit allen damit verbundenen Pflichten und großer Verantwortung gegenüber den Mitarbeitern sein. Oder die Vorbereitung auf ein hohes Amt, wie auch der Vater, Erzherzog Carl Ludwig, seiner Familie und seinen Zeitgenossen in vieler Hinsicht beeindruckend demonstrierte.

      Denn Carl Ludwig bekleidete eine unglaubliche Anzahl von Ämtern. Begonnen hatte er im Alter von 20 Jahren als Staatsdiener, mit 22 war er bereits Statthalter von Tirol, später auch in Lemberg in Galizien. Ab dem sogenannten Februarpatent vom 26. Februar 1861 konnte man jedoch nicht gleichzeitig Mitglied des Erzhauses und »Diener« eines Ministers sein. Das Februarpatent war eine von Kaiser Franz Joseph erlassene Verfassung für den gesamten österreichischen Kaiserstaat, durch die die Grundlage für eine konstitutionelle Regierungsform gelegt wurde. Es teilte die Legislative zwischen der Krone und zwei Kammern des Reichsrats.

      Also suchte Carl Ludwig andere Möglichkeiten, seine Fähigkeiten einzusetzen. Zwar konnte er hin und wieder seinen Bruder, Kaiser Franz Joseph I., vertreten. Doch am liebsten war ihm die Förderung von Gewerbe, Künsten und Wissenschaften. So übernahm er eine Vielzahl von sogenannten Protektoraten. Damit in Zusammenhang standen viele öffentliche Auftritte und Verpflichtungen sowie diverse Ausstellungseröffnungen. Die damit verbundenen Reden waren sein tägliches Brot. Aus gutem Grund und mit einem Augenzwinkern bezeichnete er sich daher selbst einmal scherzhaft als »Ausstellungs-Erzherzog«. Er war unter anderem Protektor des Grazer Kunstvereines, des Wiener Künstlerhauses, der Gartenbaugesellschaft, aber auch diverser Weltausstellungen zwischen Paris und Sydney. Er stiftete 1874 eine nach ihm benannte Goldmedaille und 1890 die höchste Auszeichnung für Bildende Künstler, die es damals gab, den Kaiserpreis.

       »Der Ausstellungs-Erzherzog« Carl Ludwig

      Obwohl viel unterwegs, sorgte Erzherzog Carl Ludwig für eine ausgewogene »work-life-balance«: Immer wieder nahm er sich bewusst Zeit, um die Erziehung und den Unterricht seiner Kinder und deren Fortschritte genau mitzuverfolgen. Ein Mustervater also, möchte man meinen, und sicher ein echtes Vorbild für seinen Nachwuchs.

       Nicht für die Schule, sondern für das Leben

      Carl Ludwigs lebhaftes Interesse für fremde Länder und Sitten, aber auch für Kunst und Gewerbe muss den kleinen Franz Ferdinand bald »angesteckt« haben. Der Bub war schon früh fasziniert von den Erzählungen seines Vaters über die große, weite Welt und von dem damals gar nicht so üblichen Blick weit über den eigenen Tellerrand hinaus. Kein Zufall also, dass Franz Ferdinand – vielleicht auch unbewusst – seinem Vater nacheiferte. Später, als Erwachsener, unternahm er weite Reisen, auf denen er das Erlebte genau dokumentierte. Er wurde ein begeisterter Sammler von Gewerbe-

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