Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810. Harald Rockstuhl

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810 - Harald Rockstuhl страница 10

Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810 - Harald Rockstuhl

Скачать книгу

Tag noch bis Güntersbergen in mein drittes Nachtquartier.

      Andern Morgens, nach einem langen und guten Schlaf, fragte ich den Wirt nach dem nächsten Weg nach Quedlinburg. Der wäre für Fremde schwer zu finden, erklärte der Wirt und wunderte sich, daß ich als Handwerksbursche in Güntersbergen sei, statt daß ich von Stolberg aus die Hauptstraße über Harzgerode und Ballenstedt eingeschlagen hätte. Nun, nach den nächsten zwei Dörfern könnte ich zur Not noch hinfinden, aber hernach – hernach würde ich mich ganz gewiß verlaufen, wenn ich allein bliebe.

      Nach zwei Stunden war ich im zweiten Dorfe angelangt, hatte unterwegs schon mein Gebetbüchlein in Gebrauch genommen und war recht fromm und ein bißchen ängstlich gestimmt. Ich ließ mir Bier geben und legte den Kopf auf den Tisch. Das Wasser stieg mir in die Augen; ich dachte an meine Mutter und fing still zu beten an: ,Ach, du lieber Gott, schick doch nur einige Menschen her, die auch nach Quedlinburg wollen‘ – darüber schlief ich ein. Im Traum sah ich einen alten Einsiedler, der sagte zu mir: ,Wenn du fleißig in deinem Gebetbuch liest und ein guter Mensch bist, so sollst du dich nicht verirren und kein Spitzbube soll dir etwas anhaben.‘ Ich nahm mir auch im Traum vor, das so zu halten, wurde aber durch heftiges Zuschlagen von Türen und lautes Sprechen unsanft aufgerissen. Ich rieb mir die Augen und sah drei Leute; einen Bauersmann, eine Bauersfrau und ein junges Mädchen, das städtisch gekleidet war, doch ein schönes weißes Tragkörbchen auf dem Rücken trug, das sie eben absetzte. Der Bauer war ein gewöhnlicher Mann von mittlerer Statur und mittleren Jahren, in dem Gesicht der Frau stand nichts geschriehen; das Mädchen sah hübsch, aber ein wenig einfältig oder vielleicht auch unerfahren und unschuldig aus. Und weil ich mir eben im Traum vorgenommen hatte, recht brav zu bleiben, sah ich das Mädchen lange an; sie schien in meinem Alter, wo nicht jünger zu sein. Als unsere Blicke zusammentrafen, guckten wir beide schnell wo anders hin.

      Da ich hörte, daß Mann und Frau plattdeutsch miteinander sprachen, stellte ich einige Fragen. Der Mann hielt nicht zurück und bald erfuhr ich, daß das Ehepaar aus seinem Dorfe bei Quedlinburg vor drei oder vier Tagen nach Nordhausen gegangen war, um alte Bekannte zu besuchen. Deren Nachbar nun, ein Böttchermeister, hatte eine Schwägerin in Quedlinburg, die schon vor langem gebeten, man möge ihr doch das Lenchen hinschicken; sie solle es gut haben und auch das Nähen und Sticken bei ihr erlernen.

      Ich spähte zu Lenchen hin, denn sie mußte das doch wohl sein, aber Lenchen guckte schnell auf den Erdboden.

      Der Böttchermeister, so erzählte der Bauer weiter, hatte ihn nun gebeten, die Lene mit nach Quedlinburg zu nehmen oder seine, des Bauern Frau, über ihr Dorf hinaus wenigstens noch ein Stückchen mitgehen zu lassen, bis Lene von weitem die Stadt sehen könne.

      ,Oh, du lieber Gott‘, dachte ich, ,hast du schon mein Gebet erhört!‘ Es wurde mir ganz frömmlich zumut. Ich schnürte mein Felleisen auf, holte ein ordentliches Stück Cervelatwurst heraus, schnitt es in vier Stücke und bot dem Bauern, der Frau und Lenchen an. Das Lenchen wollte erst nicht recht. Da sagte die Frau: „Ach, Lenchen, nehm ses doch“ – und Lenchen nahm’s.

      Nun ließ ich noch zwei Krüge Bier kommen und zwei Schnäpschen und jetzt fing auch der Bauer an, auszufragen. Ich erzählte grundehrlich die letzten sechs bis acht Tage meiner Lebensgeschichte, besonders auch den Abschied von Mutter und Geschwistern vor vier Tagen. Lenchen rückte etwas näher, sie schien eine Angst zu verlieren, ja sie lächelte sogar ein bißchen. Nun gab ich zu erkennen, daß ich auch nach Quedlinburg wolle und mich sehr freuen würde, Gesellschaft zu finden, da ich mich gestern schon im Walde verirrt hätte. Lenchen fand Ähnlichkeit zwischen ihrem und meinem Schicksal und gab dies unbefangen zu verstehen.

      Kurz, wir brachen auf und ich bezahlte die ganze Zeche, die sich auf ein paar Groschen belief. Wir waren kaum tausend Schritt gegangen, da steckte der Bauer sein Ränzchen in den Korb seiner Frau und bat sich mein Bündel aus, das er nicht eher wieder vom Buckel heruntergab, bis wir schieden. Ob ich nun gleich das größte Zutrauen zu dem Manne hatte, so war mir doch, als sei es meine Schuldigkeit, mein Bündel im Auge zu behalten und so hielt ich mich hübsch zu ihm. Ich bezahlte noch ein paarmal Bier und Lenchen gab Kuchen zum besten, den sie im Korbe hatte. Es war ein schöner Tag; ich ging so frei ohne mein Felleisen. Gegen vier Uhr fing es an, schwül zu werden und in der Ferne zu blitzen.

      Der Bauer sagte: „Es sind kaum noch zwei Stunden bis Quedlinburg; ich und meine Frau werden nun bald links abgehen, denn da Sie auch nach Quedlinburg wollen, braucht meine Frau die Lene nicht länger zu begleiten. Der Weg ist nicht mehr zu verfehlen.“

      Nicht lange und es wurde haltgemacht; der Bauer legte mein Felleisen ab und die Frau nahm Abschied von Lenchen, die ihr gute Worte gab, sie möge doch noch ein Fleckchen mitkommen.

      „Wozu?“ meinte der Bauer. „Noch ein Halbstündchen schnurgeraden Wegs durch den Wald und ihr kommt zur „Neuen Schenke“. Von da hat man die Stadt immer vor Augen. Der Mosje Langensalzer wird die Lene schon in Schutz nehmen, daß ihr nichts Übles begegnet. Ha, ha, ha, ha!“ lachte der Kunde noch recht.

      Lenchen bemerkte kleinlaut: „Der fürchtet sich ja selbst.“ Aber dagegen hatte ich viel einzuwenden und tat sehr dick mit meiner Courage. Ich nötigte dem Bauern noch ein Stückchen Wurst auf; wir nahmen Abschied mit Händedruck – und dort gingen sie hin und überließen zwei junge Anfänger in der Welt ihrem Schicksal. Sie glaubten, daß die Lene, ihre Anbefohlene, in zwei Stündchen bei ihrer Tante sein werde, aber es sollte anders kommen.

      Fast war ich willens, hier beim Schreiben meines Berichts eine Lücke zu lassen oder moralische Schwätzereien anzubringen – doch weg damit! Ich will treu und ehrlich erzählen, wie sich alles der Wahrheit gemäß zugetragen hat.

      Wir, Lenchen und ich, gingen zusammen weiter und Lenchen meinte: „Sie müssen heute abend mit bei meiner Tante essen. Das ist eine gar gute Frau; mein Vater nennt sie nur die Fromme. Vielleicht nehmen Sie auch Arbeit in Quedlinburg?“

      Ich erklärte ihr nun, daß ich zu Verwandten in Neuhaldensleben wolle, morgen nach Egeln und übermorgen nach Magdeburg marschiere, von dort seien es dann noch sechs Wegstunden bis Neuhaldensleben.

      „Ach, so weit noch“, rief das gute Lenchen, „und wissen keinen Weg. Da werden Sie sich wohl wieder verirren.“

      „Nein, Lenchen, nun werden die Wege besser und es kommen auch mehr Leute, die man fragen kann.“

      „Ja, wer sagt Ihnen denn das? Sie sind – “ Herr Gott! jetzt kam ein so furchtbarer Blitz und Donnerschlag, daß Lenchen umfiel; sie raffte sich jedoch schnell wieder auf. Wahrscheinlich hatte es in der Nähe eingeschlagen; meine Augen waren wie geblendet von dem gewaltigen Blitz. Nun hielten wir uns aber dazu und gelangten, nur wenig vom Regen durchnäßt, in die Neue Schenke. Es war am Donnerstag vor Pfingsten und ging auf sieben Uhr. Lange Zeit zum Verweilen blieb uns nicht, das bißchen Regen durfte uns nicht abhalten.

      Aber noch keine dreihundert Schritt waren wir gegangen, als ein schrecklicher Blitz und Donner, dem sogleich starker Regenguß folgte, uns in die Schenke zurücktrieb. Es regnete eine Stunde so fort und die Leute sagten uns, das Flüßchen zwischen hier und der Stadt sei so angeschwollen, daß es heute nicht passiert werden könnte. Es wurde Nacht; ich bestellte Abendbrot. Wir bekamen Suppe und ausgeschlagene Eier; ich langte tüchtig zu, denn ich war hungrig, trank viel Bier und rauchte sogar ein Pfeifchen. Dann und wann versuchte ich, mit Lenchen zu sprechen, aber sie machte ein schauerlich ängstliches, fast einfältiges Gesichtchen. So ging der Abend hin und eh wir’s uns versahen, trat eine Frau mit einem Licht in der Hand zu uns und sagte: „Na, wellts net ok slapen gahn? is all lang zehne durch!“

      Ich griff nach meinem Bündel, Lenchen nach ihrem Korbe und wir trotteten wie die Lämmer hinter der Frau her. Nachdem wir ein paar Treppen und einen Gang passiert hatten, machte sie eine Türe auf, zeigte uns die Kammer, stellte das Licht auf den Tisch

Скачать книгу