Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810. Harald Rockstuhl

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810 - Harald Rockstuhl страница 7

Mit Amor auf der Walze oder „Meine Handwerksburschenzeit“ 1805–1810 - Harald Rockstuhl

Скачать книгу

und die Herberge in den Rautenkranz verlegt, wo auch die Färber und Hutmacher verkehrten.

      In diesem Jahre kam ein hochwichtiger Tag für einen Lehrling. Im Juli wurden zwei Färber, Friedrich und Christian Jänisch, ein Hutmacher und meine Wenigkeit zum Ritter geschlagen, das heißt zum Gesellen gemacht. Wir gaben ein Abendessen und Musik bis Mitternacht, tanzten auch tüchtig mit, ob wir gleich kaum 16 Jahre alt waren.

      Für mein Alter war ich sehr stark, aber meine Stärke in Schlägereien an den Mann zu bringen, wie in den Schuljahren, das fiel mir nicht mehr ein. Nicht nur, daß man etwas feiner geworden war! Ekel und Furcht vor den Folgen solcher Raufereien waren die Hauptursache, daß man sich zurückzog, sobald man merkte, daß die Bank herausgezogen und Stuhlbeine abgetreten werden sollten.

      Um diese Zeit war’s, daß ich einmal ohne Erlaubnis nach Erfurt wanderte. Ich besorgte und packte mir eine Tasche, nahm den Stock in die Hand, kam morgens die Treppe hinunter und sagte: „Adieu, adieu! ich geh in die Fremde.“ Alle lachten, nur meine Mutter nicht. Sie sah mich sehr ernsthaft an und ich wäre beinahe beim Siechhof wieder umgekehrt, so verfolgte mich ihr Gesicht. Dies war die Ursache, daß ich zu einigen Bekannten, die mir begegneten, sagte: „Ich gehe nach Erfurt zum Besuch und bin in einigen Tagen wieder da.“

      Nun marschierte ich frisch drauflos. In Erfurt arbeitete Friedrich Hesse, der bei meinem Vater sechs Jahre in Lehre und Arbeit gestanden hatte und 1798 in die Fremde gegangen war. Seit der Zeit war er öfter zu Besuch bei uns gewesen und ich wußte ihn wohl zu finden. Er freute sich über die Maßen, als er mich sah und stellte mich seinem Meister, bei dem er gut angeschrieben war, als seines Lehrmeisters Sohn vor. Ich griff gleich mit zu bei der Arbeit und schlief bei Friedrich Hesse im Bette.

      Anderen Tags erzählte ich Hessen, daß ich mich zu Hause ein wenig gezankt hätte und so fast heimlich oder doch ohne Erlaubnis fortgelaufen wäre. Er sprach mit seinem Meister darüber; der brachte mir einen Bogen Papier, Feder und Tinte.

      „Damit kannst du alles ins gleiche bringen“, sagte er, „bitte dir nur noch vierzehn Tage Urlaub aus; es soll mich freuen, wenn du sie erhältst und solange bei mir bleibst.“

      Ich tat’s in einem langen, demütigen Briefe, den ich ihm vorlesen mußte. Drei Tage darauf kam die völlige Begnadigung von meiner Mutter mit Zugeständnis der erbetenen Frist.

      Hesse war als Altgeselle bei der Brüderschaft und Fahnenspieler ein angesehener Bursche in Erfurt. Er zeigte mir die Stadt und wir sahen uns zusammen auch den Dom und die große Glocke an. Ein artiges Mädchen, anscheinend des Kastellans Tochter, führte uns. Ein Trinkgeld nahm sie aber weder von Hesse noch von mir.

      Des Abends nun waren wir in Gesellschaft, da sagte eine Färberstochter: „Ei, Herr Hesse, wo haben Sie heute den jungen Herrn hingeführt? Sie kamen ja vom Dom herab.“ – „Ja, ja“, meinte eine andere und wollte sich halb totlachen. „Herr Hesse hat ihm die große Glocke gezeigt.“ „Wie hat Ihnen denn die große Glocke gefallen, junger Herr?“ fragte eine Dritte mit verstelltem Ernst, doch bevor ich antworten konnte, platzte sie beinahe vor Lachen.

      „Ich hätte mir die große Glocke größer vorgestellt“, sagte ich schließlich. „Nun“, meinte die Färberstochter, „wenn sie mal ins Regenwetter kommt, wächst sie vielleicht noch ein bißchen“ – und sie kitterte in sich hinein. Ich begriff nichts von diesen Reden, die ich albern fand. Auf dem Heimwege gab mir Hesse die Erklärung. „Die infamen Mädchen haben der Mamsell da oben den Spitznamen ‚große Glocke‘ gegeben“, sagte er, „und weil sie so hübsch ist, haben sie ihren Ärger darüber, wenn man hinaufgeht.“

      Nun verstand ich das Ding. Sonntag gegen Abend fanden wir uns auf der Milchinsel ein; es war Tanz da und ziemlich voll. Hesse stieß mich an: „Guck mal da ’nüber, links der Tür, kennst du die in dem schönen blauen Kleide noch?“ – Meiner Seel, es war die große Glocke.

      Stracks ging ich auf sie los. „Kann ich die Ehre haben, Mademoiselle, mit Ihnen zu tanzen?“ (Fräulein war noch nicht Mode.) „Die Ehre ist auf meiner Seite“, sagte die große Glocke und lächelte. Wir kamen in ein angenehmes Gespräch; sie hatte mich sogleich wiedererkannt. Ich tanzte mich recht satt und Hesse, der seine Freude an mir gesehen, lobte meinen Tanz.

      Mehrmals ging ich auch ganz allein in Erfurt spazieren. Der Wall war damals offen, man konnte um die ganze Stadt herumgehen. Ich verlief mich im Gewirr der Gassen, hatte aber die caprice, niemanden zu fragen und fand mich auch nach Haus.

      So waren die vierzehn Tage bald hingeschwunden. Ich saß schon wieder in Gräfentonna und rauchte ein bißchen; denn ich wollte nicht bei Tage nach Hause kommen. Als ich Licht sah, trat ich in unsere Stube. Da saßen bald alle um mich herum und ich mußte noch eine Stunde erzählen.

      Andern Morgens fabrizierte ich Erfurter Gebäck und brachte es meiner Mutter. Es verkaufte sich gut und wurde lange beibehalten, bis wieder andere Figuren es verdrängten.

      Damals war ein Geselle aus Hirschfeld bei uns, ein Sohn wohlhabender Eltern. Er hieß Johann, wurde aber nur Hannchen genannt. Trotzdem er sechs Jahre älter war als ich, kapitulierte er schnell, wenn ich ihn packte und an die Wand drückte. Ich habe ihn später auf meiner Wanderschaft besucht. –

      Meine Mutter kaufte dem alten Nachbarn Schütz sein Haus für 250 Taler ab; er reservierte sich aber die Parterrestube und den Laden auf Lebenszeit. In diesem Hause wohnte damals ein Chorschüler, Zwinkau, der gut Flöte blies. Ich bekam Lust dazu, kaufte mir solch ein Ding und nach drei Monaten blies ich wie ein Alter.

      Oft war ich auch draußen in der Ufhover Pfarre. Mein Onkel galt viel in unserem Hause; und meine Mutter befragte ihn bei allerhand Vorfällen um Rat.

      Wir schrieben nun 1804. Es war um die Zeit der Kirschenreife, als ein Bauer bei dem Weimar-Eisenachschen Dorfe Hitzelsroda lebendig verbrannt werden sollte, weil er fünfmal Feuer angelegt hatte. Der Tag der Verbrennung war festgesetzt und bekanntgemacht worden; von allen Seiten zogen viel tausend Menschen dahin. Auf einem großen Wagen, den der Fuhrmann Seiling in der Holzgasse bespannt hatte, saß des Morgens um zwei Uhr eine fidele Gesellschaft. Erinnerlich sind mir noch: Zwinkau, Bransener, Traubott, drei lustige achtzehnjährige Chorschüler, Minor, ich und meine Schwester, einige Freundinnen von ihr, auch ein Walter und Triembach. Wir fuhren über Graula.

      Der Seiling hatte eine zwanzigjährige Tochter, Marth-Marie, die war groß und stark, aber ein bißchen dumm und sehr grob. Die Schüler hatten ihren Witz mit ihr; sie stand im Feststaat mit auf dem Wagen. Bransener ordnete eine Komödia an und verteilte die Rollen zum Donauweibchen. Sich selbst machte er zum Ritter Albrecht von Waldsee und sagte sehr höflich: „Liebe Jungfer Seilingen, Sie müssen aufpassen, Sie stellen Hulda, das Donauweibchen, vor.“ Das Donauweibchen schnitt aber ein falsch Gesicht dazu. Bransener belehrte weiter: „Wenn ich Sie gleich angeredet habe, so erwidern Sie: ‚nein, edler Ritter, heute nicht, kommen Sie morgen wieder!‘ “

      So nahm also die Oper ihren Anfang, indes wir durch den Wald fuhren. Bransener faßte Posto vor seiner Hulda. „O Hulda, schöne Hulda, komm in meine Arme!“ – und er breitete die Arme weit aus. Aber Hulda sank nicht hinein, sondern schlug zu und gab ihm eine furchtbare Maulschelle.

      „Dummkopf!“ sagte sie ganz trocken.

      So hatte Bransener seinen Denkzettel vom Donauweibchen weg; seine Backe war feuerrot und angeschwollen. Zuerst wollte er heftig werden, sah aber bald ein, daß hier nichts zu machen war. Viele Jahre ist er mit diesem seltsamen Liebesabenteuer geneckt worden. Er kam später als Lehrer nach Kammerforst, wo er vor wenig Jahren gestorben ist.

      Auf einem sehr großen Platze, vom Walde begrenzt, war der Scheiterhaufen kunstvoll aus Wellen [3–4 m lange Reisigbündel, mit denen die Backöfen geheizt wurden],

Скачать книгу