Der Tanz des Mörders. Miriam Rademacher
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Читать онлайн книгу Der Tanz des Mörders - Miriam Rademacher страница 11
Das Klopfen hielt weiter an. Colin spürte, wie er ärgerlich wurde. Er schwang die Beine aus dem Bett, was Huey dazu veranlasste, sich zu räkeln und hinter den Ohren zu kratzen, und marschierte zur Tür. Energisch riss er sie auf und sah in zwei unschuldig dreinblickende wasserblaue Augen.
»Hallo. Ich komme, um Huey für seinen Morgenspaziergang abzuholen. Haben wir schon eine Leine für ihn?«
»Wir?« Irritiert versuchte Colin sich einen Reim auf die Situation zu machen. Vor ihm stand, vollständig angezogen mit einem luftig-leichten taubenblauen Leinenkleid, das in modischer Sackform bis über ihre Knie hing, seine Nachbarin. Ihr Haar war hochgesteckt und sie duftete nach Rosen. Vermutlich noch eine schwache Note ihres Badezusatzes.
»Sie haben doch gestern gesagt, dass ich den Morgenspaziergang mit Huey übernehmen soll. Nun, hier bin ich. Und ich habe sicherheitshalber den Gürtel von meinem Morgenmantel dabei. Aber über kurz oder lang werden wir eine Leine für Huey brauchen. Wir könnten ja zusammenlegen, was meinen Sie? Ich denke, grün würde ihm gut stehen.«
Colin blinzelte mit seinen immer noch nicht ganz wachen Augen und besah sich sein Gegenüber genauer: Das hellblonde Haar war bewusst unordentlich auf dem Kopf zusammensteckt worden, so dass weiche Strähnen sich gelöst hatten und den schlanken Hals umspielten. Das herzförmige Gesicht war dezent aber sehr gut geschminkt, nur der Lippenstift erstrahlte in einem leicht grellen Rot. Das Sackkleid wurde vorn geknöpft und die obersten Knöpfe standen offen. Colin gewahrte einen weißen Spitzen-BH. Er konnte es nicht glauben. Diese Frau, kaum älter als Mitte zwanzig, versuchte ihn anzumachen! Ihn! Einen alten Knacker mit grauem Haar und angegriffener Gesundheit! War die Kleine blind oder blöd?
Hinter ihm trabte Huey heran, schob sich an seiner Wade vorbei und wedelte beim Anblick der jungen Frau fröhlich mit dem Schwanz.
»Ach, da bist du ja.«
Schon sank sie vor ihm in die Hocke, streckte die Arme nach Huey aus und gewährte Colin einen Einblick bis hin zu ihrem gepiercten Bauchnabel. Sackkleider hatten durchaus ihren Reiz.
Während Colin noch immer verwirrt auf die hübsche Aussicht blickte, wurde Huey an den Frotteegürtel geknotet. Sie richtete sich wieder zu voller Größe auf und strahlte ihn an.
»Wir sind dann in etwa einer halben Stunde zurück.«
»Wer ist wir?«
»Huey und ich?«
»Und wer ist ich?«
Sie lachte glockenhell. Hätte Colin noch irgendeinen Zweifel an ihren Absichten gehabt, dieses Lachen hätte sie augenblicklich ausgeräumt.
»Wie dumm von mir. Ich habe mich gar nicht vorgestellt. Dabei wohnen wir hier fast Tür an Tür und benutzen das gleiche Bad! Nicht zu fassen, oder?« Sie streckte ihm ihre kleine weiße Hand entgegen. »Ich bin Lucy.«
»Colin.«
»Ich weiß.« Sie lächelte kokett und wandte sich in Richtung Treppe, den ratlos auf Colin starrenden Huey hinter sich herziehend.
Colin studierte ihre zielstrebigen kleinen Schritte und die rollenden Hüftbewegungen und wusste, dass er gegen sie nur verlieren konnte. Wenn diese Frau sich in den Kopf gesetzt hatte, ihn zu erobern, würde sie es auch tun.
Er atmete tief durch. Was für ein herrlicher Morgen.
Im Bad brauchte Colin an diesem Tag länger als gewöhnlich. Er scheitelte das volle ergraute Haar mit Hingabe, föhnte es mit einer leichten Welle zurück, zog probehalber vor dem an der Innenseite der Tür befestigtem Spiegel den Bauch ein, war leidlich zufrieden und beschloss den Kauf eines neuen Rasierwassers.
Die halbe Stunde war fast vorbei, als er hastig in eine legere Jeans und ein dunkelblaues Hemd sprang. Noch während der Suche nach seinen Schuhen klopfte es wieder energisch an der Zimmertür.
Colin fuhr in die Slipper, stürmte zur Tür und riss sie auf. Lucy strahlte ihn an und reichte ihm den Griff einer nagelneuen roten Hundeleine, an deren anderem Ende ein völlig erschöpft aussehender Huey hing.
»Ich habe ein Schnäppchen gemacht. Mit passendem Halsband. Steht es ihm nicht gut?«
»Oh ja, und es ist so grün.«
Lucy lachte und zeigte ihm eine Reihe perlweißer Zähne. »Ich muss jetzt zur Arbeit. Morgen früh komme ich wieder.«
»Wir freuen uns drauf«, erwiderte Colin und schleifte den auf der Schwelle zusammengesunkenen Huey ins Zimmer.
Lucy schritt davon und hinterließ nur eine süßliche Parfümwolke wilder Rosen.
»Na Huey, alter Kumpel? Ob wir zwei uns mit dem Mädel wohl etwas zu viel zumuten?«
Als Antwort gab Huey ein Schnaufen von sich.
Nachdem Huey und Colin gefrühstückt hatten, begann Colin die fällige Runde kleinerer Besorgungen beim Bäcker.
Er spürte die Veränderung, als er den Laden betrat. Im gleichen Augenblick, in dem über ihm das Glöckchen bimmelte, wandten die Damen hinter und vor dem Tresen ihm den Kopf zu und starrten ihn schweigend an. Colin versuchte es mit einem vorsichtigen Guten Morgen und erhielt statt einer Antwort nur ein knappes Nicken mit unbewegten Mienen.
Verunsichert bat er um ein halbes Graubrot und zwei Devonshire Dreams und verließ den Laden zügig wieder.
Auf dem Bürgersteig band er Huey vom Fahrradständer los, drehte sich um und blickte zurück. Die Damen starrten ihn durch die Glasscheibe weiterhin an. Eine Gänsehaut überlief ihn und die Haare auf seinen Armen stellten sich auf. Mit schnellen Schritten passierte er die Dorfstraße und betrat die Drogerie.
Der Alptraum schien sich wiederholen zu wollen. Das Glöckchen über der Ladentür bimmelte, als er eintrat, und alle Gespräche im Laden verstummten, alle Köpfe wandten sich nach ihm um. Colin begann sich zu fragen, was er heute Morgen falsch gemacht hatte. Klebte ihm Zahnpasta auf der Stirn oder hatte er etwas an der Nase?
Rasch und ohne jeden Enthusiasmus wählte er ein Aftershave, das jugendliche Frische versprach und brachte es zur Kasse. Hier wurde der Fluch für einen kurzen Moment gebrochen, als die Kassiererin ihren starren Blick um eine kurze und wenig freundlich klingende Frage bereicherte.
»Wer sind Sie überhaupt?«
Colin versuchte es mit Ehrlichkeit. »Colin Duffot? Der Mieter von Mrs Grey?«
»Das meine ich nicht. Wo kommen Sie denn überhaupt her?«
Colin wusste, dass nicht nur ihre Augen unbeweglich auf ihn gerichtet waren. Jeder Kunde im Laden schien nur ihn anzustarren. Anstelle einer Antwort legte er einen Geldschein auf den Tresen, murmelte