Der Tanz des Mörders. Miriam Rademacher
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Читать онлайн книгу Der Tanz des Mörders - Miriam Rademacher страница 6
Colin behielt recht. In Mrs Summers’ Cottage herrschte nur Augenblicke später eine Verkehrsdichte wie in London am Freitagnachmittag. Auch seine anderen Visionen trafen ein. Männer in Plastikanzügen schoben ihre gewaltigen Koffer durch enge Türrahmen und zwangen ihn, Norma und die Hunde zum Rückzug in die Küche. Fast beiläufig lehnte sich Norma an die Arbeitsplatte und zog eine Schublade nach der anderen auf. Dann sagte sie plötzlich: »Interessant.«
»Interessant? Was denn?«
»In dieser Schublade liegt ein Bratenthermometer. Mrs Summers hat also nicht ihr eigenes im Ohr. Das ist doch interessant, oder nicht?« Sie schob die Laden wieder zu. »Ich werde eine Kanne Kaffee kochen. Setz dich ruhig, du bist immer noch etwas blass um die Nase.«
Colin hatte kaum in der rustikalen Eichensitzecke Platz genommen, als die Tür sich wieder öffnete und ein junger Anzugträger mit Bürstenschnitt einzutreten versuchte, beim Anblick der drei Hunde aber im Türrahmen erstarrte.
»Hallo Mike! Käffchen?«, begrüßte ihn Norma und begann bereits mit dem Portionieren des Kaffeepulvers.
»Ich bin jetzt nicht Mike. Ich bin Detective Sergeant Dieber.«
»Und du hast deinen ersten eigenen Mordfall, weil alle alten Hasen sich bei dem toten Mädchen im Wald herumtreiben, richtig? Wie fühlt sich das an?« Norma sah ehrlich interessiert aus, doch Dieber machte einen eher unglücklichen Eindruck angesichts ihres mangelnden Respekts vor seiner Person.
»Ich möchte sämtliche Anwesende bitten, sich zur Vernehmung bereitzuhalten. Ich werde mir am Tatort zunächst einen Überblick verschaffen.«
»Mach nur, mach nur«, erwiderte Norma, schon wieder ganz die Alte. »Mit Zucker und Milch?« Anstelle einer Antwort zog Dieber rasch die Tür von außen zu, als zwei der Cocker auf Tuchfühlung mit ihm gehen wollten. Colin grinste, Norma sah dem Ermittler überrascht nach. »Eigenartig. Ich wusste gar nicht, dass Mike Angst vor Hunden hat.«
»Hat er auch nicht. Er hatte nur Angst um seine Hosen.«
»Wie kommst du denn darauf?«
»Er hat seine Sichelbeine bis zum Anschlag durchgedrückt, das Gewicht auf die Hacken verlagert und den Oberkörper leicht vorgebeugt. Er wollte verhindern, dass einer der Hunde ihn anspringt oder sich an ihm reibt. Das ist alles.«
»Wirklich? Das hast du gesehen? Erstaunlich.«
»Eigentlich nicht. Bekomme ich auch einen Kaffee?«
Draußen nahmen die Ermittlungsarbeiten Fahrt auf. Schritte hallten, Stimmen schwirrten, und irgendjemand vor dem Haus erbarmte sich und stellte endlich das Blaulicht ab.
Norma stellte eine dampfende Tasse vor Colin ab.
»Vorsicht. Heiß.«
»Ich bin lernfähig. Milch?«
Sie reichte ihm eine Literflasche. »Kann man das lernen?«
»Was meinst du?«
»Solche Dinge zu sehen?«
»Vermutlich. Zucker?«
Mit einer Spur von Ungeduld in der Bewegung schob sie ihm eine Porzellandose mit Blütenbemalung zu. »Und was siehst du, wenn du mich ansiehst?«
Colin konnte ein Lächeln nicht unterdrücken. »Eine gesunde junge Frau, sehr lebhaft, etwas zu neugierig, mit einer leichten Einwärtsdrehung des rechten Fußes. Ließe sich durch konsequentes Üben beheben und ich meine damit: Üben bei jedem einzelnen Schritt. Du haderst ein bisschen mit deinem Übergewicht, ziehst andauernd den Bauch ein, dabei steht er dir ganz gut. Du solltest das lassen, es führt nur zu Verspannungen im Brustkorb und einer falschen Atmung.«
Norma, die bis jetzt an den Tisch gelehnt vor ihm gestanden hatte, nahm ihm gegenüber in der Sitzecke Platz. »Colin, das ist eine Gabe. Du hast eine gottverdammte Gabe!«
»Nein, das ist Erfahrung und eine sensibilisierte Wahrnehmung. Jeder kann das trainieren, wenn er sich die Menschen um sich herum nur aufmerksam genug anschaut.«
»Und du hast das getan?«
»Über Jahrzehnte hinweg. Ich war einmal Tanzlehrer, schon vergessen?«
Erneut öffnete sich die Tür und Mike Dieber schob sich herein, den Blick fest auf drei wuselnde Cockerspaniels zu seinen Füßen geheftet.
Norma rollte mit den Augen. »Diese Hunde sind sauberer als gut für sie ist. Mrs Summers ließ sie fast wöchentlich von mir shampoonieren.«
In Mikes Haltung machte sich eine leichte Entspannung bemerkbar, die man auch auf seinem pickeligen Gesicht ablesen konnte. Colin warf Norma einen Blick zu, der so viel bedeutete wie: Habe ich es nicht gesagt?
»Sie haben das Bratenthermometer sofort bemerkt?«
»Ich hielt es für einen extravaganten Ohrschmuck.«
»Haben Sie es angefasst?«
»Nein, nur angesehen. Es stand auf Huhn.« Colin wünschte sich, er hätte den letzten Satz nicht gesagt. Dieber sah ihn an wie einen entsprungenen Irren.
»Huhn?«, entfuhr es Norma und ihre Augen weiteten sich. »Das würde ja bedeuten, dass ihre Körpertemperatur bei 80 Grad lag! Da hätte ihr aber jemand mächtig eingeheizt.«
»Möglicherweise ist es defekt«, antwortete Colin.
»Du meinst, sie war ihrem Mörder nicht einmal ein heiles Bratenthermometer wert?« Norma schüttelte schockiert den Kopf.
»Es ist möglicherweise beim Mord kaputtgegangen. So ein Kopf ist schließlich kein Schweinebraten«, mutmaßte Colin.
Diebers Blick nach zu urteilen, hielt er sie jetzt alle beide für verrückt. Er beendete den Dialog mit einer schnellen Zwischenfrage. »Und Sie kamen, um ihr Gesellschaft zu leisten?«
»Jasper, der Pfarrer, hatte mich um diesen Freundschaftsdienst gebeten.«
Um Diebers Mundwinkel zuckte es. »Wohl verloren, was?«
»Ich verliere ständig.«
»Und es war ihr zweiter Besuch bei Mrs Summers?«
»Ja, ich war gestern schon hier. Wir haben uns Fotos angesehen.«
»Fotos? Was für Fotos?«
»Vom Dorf und wie es sich über die Jahre verändert hat. Mrs Summers war eine leidenschaftliche Fotografin. Wir haben uns den rosa Karton angeschaut. Er steht im Regal.«
»Im Regal mit den Fotokartons?«
Colin war verwirrt. »Ja, sicher. In welchem denn sonst?«
»In welchem Zustand befand sich die Sammlung der Fotokartons am gestrigen Tag?«
Colins Verwirrung wuchs. »Ich verstehe die Frage nicht, fürchte ich.«
Dieber, der ihm gegenüber saß, gleich neben Norma, zog