Der Tanz des Mörders. Miriam Rademacher
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Читать онлайн книгу Der Tanz des Mörders - Miriam Rademacher страница 10
»Ziemlich kriegerische Hundenamen, sogar für Mrs Summers. Aber ob Huey eine Verbesserung darstellt?« Colin setzte den Hund auf den in Orangetönen gemusterten Teppich. »Huey? Huey, komm her, Kumpel!« Der Hund schoss freudig in seine Arme. »Funktioniert. Na gut, wenn du es so haben willst. Dann eben Huey.«
Colin ließ sich neben Huey auf dem Teppich nieder und kraulte seinen neuen Gefährten zwischen den Ohren. Der Hund schloss fast augenblicklich die Augen, sank auf dem Teppich nieder und schlug ein paar Mal mit dem Schwanz.
Auch Colin schien es, als hätte das Streicheln des Fells eine beruhigende, fast meditative Wirkung auf ihn. Um ein Haar hätte er es versäumt, Jasper zuzuhören.
»Ich habe über unser Gespräch im Anchor eine ganze Weile nachdenken müssen, und ich finde, Norma hat Recht.«
Colin hielt im Kraulen inne und wartete darauf, dass Jasper fortfuhr. Doch es wurde still im Zimmer. Dumpf hörte er die Nachbarin ein Liedchen trällern.
»Wirklich, Jasper, ich gebe mir die größte Mühe, aber ich habe keine Ahnung, was du meinst.«
»Wir sollten den Mörder überführen, Colin. Wir könnten es. Und wir würden nicht nur einen Verbrecher seiner gerechten Strafe zuführen, wir würden auch alle Unschuldigen von Verdächtigungen befreien und den Frieden im Dorf wahren.«
»Wer bist du? Pater Brown?«
Jasper glitt aus dem Sessel und setzte sich Colin gegenüber auf den Fußboden. Auge in Auge saßen sich die Männer gegenüber. Ein alternder Tanzlehrer und ein übergewichtiger Pfarrer. Für einen kurzen Moment hob Huey ein Augenlid an und schien auf etwas zu warten. Dann gab er ein Schnauben von sich und klappte das Auge wieder zu. Auch Jasper strich dem Cocker über das weiche Fell. »Colin, es fängt schon an. Als ich ins Pfarrhaus kam, hatte meine Haushälterin die Liste aller potentiellen Mörder bereits mit Klebeband an den Kühlschrank geheftet. Und hinter jedem Namen steht eine völlig absurde Begründung für ihren Verdacht! Als ich mir einen Joghurt holen wollte, erfuhr ich auf diese Weise, dass Bäcker Jones Brot vom Vortag als frisches verkauft! Das mag ja nicht nett sein, aber macht es den Mann zu einem Mörder?«
»Ich bin sicher, dass deine Haushälterin ein Einzelfall ist.«
»Das kann man nur hoffen, aber eigentlich weißt du es besser. Schon heute Abend werden im Anchor die ersten Wetten abgeschlossen, und gleich am nächsten Sonntag werden erste Verleumdungen noch vor Beginn des Gottesdienstes über den Kirchhof schwirren wie Hummeln in einem Lavendelfeld!«
»Und was um alles in der Welt hat das mit mir zu tun?«
»Es geht um dein Talent, Colin. Deine Gabe!«
»Blödsinn! Eine Menge kluger Menschen haben sich mit Körpersprache beschäftigt! Es gibt Bücher darüber in jeder Buchhandlung. Ganze Regalreihen voll! Und in jedem dieser Bücher steht mehr, als ich darüber weiß!«
»Auch Blödsinn! In diesen Büchern werden Thesen aufgestellt aufgrund einer Sitzhaltung, einer Handstellung oder dem Wippen einer Augenbraue. Sie schließen daraus auf die Gemütslage der Person. Du aber siehst viel mehr als nur eine Stimmung. Du hast Vivian Small ganze zehn Sekunden betrachtet und hast viel mehr gesehen als ihre Gemütsverfassung. Du hast ihr Leben gesehen!«
»Ich hätte mich genauso gut irren können.«
»Das hast du aber nicht.« Jasper lächelte plötzlich. »Nein, das hast du nicht. Im Gegenteil. Normas Dorfklatsch und mein Hintergrundwissen über die Familie passten perfekt zu deinen Beobachtungen. Willst du es denn nicht begreifen, Colin? Gemeinsam können wir das Puzzle zusammensetzen.«
»Es wird kaum ausreichen, ein bisschen Dorfklatsch, ein paar Krümel Beichtgeheimnisse und einige Beobachtungen in einen Topf zu werfen. Damit fängt man doch keinen Mörder!«
»Eher als jemand, der verwaiste Hunde im Pfarrhaus abgibt, oder jemand, der den Bäcker im Visier hat.«
Colin wusste nicht, was er sagen sollte. Er fühlte sich unwohl bei der Geschichte. Seine Beobachtungsgabe zu nutzen, damit jemand sich in seiner Tanzstunde wohl fühlte, war eine Sache. Damit aber jemanden des Mordes überführen zu wollen, eine völlig andere.
»Das ist eine riesige Verantwortung. Was ist, wenn ich mich irre? Stell dir das nur mal vor: Jemand gerät unter Mordverdacht, weil ich ihn zum Mörder gestempelt habe! Stell dir weiter vor, dieser Mensch wird diesen Stempel nie wieder los, selbst wenn er sich als unschuldig erweist. Was habe ich denn dann angerichtet? Ich könnte eine Existenz zerstören, wenn alle mir so blind vertrauen würden wie du und Norma!«
»Wir würden natürlich nie jemanden beschuldigen, wenn wir von seiner Schuld nicht völlig überzeugt wären. Erst müssten Beweise her.«
»Ach? Das auch noch? Und wie? Willst du in Gebüschen lauern oder in Wohnungen einbrechen? Jasper, ich will dich nicht kränken, aber wie willst du dich denn im Ernstfall tarnen oder verstecken? Du bist nicht gerade eine zarte Elfe, die sich unters Bett oder in einen Kleiderschrank flüchten kann.«
»Darüber müssen wir uns unterhalten, wenn es soweit ist. Möglicherweise taugt Norma zur Elfe. Irgendetwas Weltfremdes hat sie an sich, findest du nicht? Zunächst brauchen wir aber einen Schlachtplan. Wir treffen uns morgen zur Mittagszeit im Anchor.« Jasper machte Anstalten aufzustehen und Colin hielt ihn nicht zurück. Er kraulte weiter Hueys Schlappohren.
»Was sagt denn überhaupt Norma dazu?«
»Soll das ein Witz sein? Es war doch ihre Idee! Sie ist hellauf begeistert und hat vollstes Vertrauen in deine Fähigkeiten, genau wie ich.«
»Ich aber nicht! Hast du überhaupt ein Wort von dem gehört, was ich zu dir gesagt habe?«
»Morgen. Zur Mittagszeit. Im Lost Anchor. Schlaft gut, ihr zwei.«
Colin blickte auf Huey hinab und stellte fest, dass dies zumindest auf einen schon zutraf. Jasper entfernte sich mit schweren Schritten und gleich darauf klappte die Zimmertür.
Als Colin sich ein paar Stunden später in seinem Bett hin und her wälzte, um eine halbwegs angenehme Schlafposition zu finden, spürte er plötzlich etwas Feuchtes an seinem Fuß. Vorsichtig ertasteten seine Zehen eine Hundenase.
»Das nicht dein Ernst, oder?«
Doch da hatte sich Huey schon mit einer ruckartigen Bewegung unter die Decke geschoben und robbte sich gnadenlos weiter aufwärts. Colin erwog kurz, den Hund an seinen Ohren zu packen und schwungvoll aus dem Bett zu werfen, doch als sich der warme, weiche Körper wie ein Schmerzpflaster in seinen Rücken drückte und die Körperwärme des Tieres ihre Wirkung entfaltete, unterließ er es.
»Großartig. So ersetzt der Cockerspaniel im Bett das wohltuende Lammfell. Nun, ein Versuch schadet nicht«, sagte Colin in die Dunkelheit hinein. Bald darauf schlief er ein.
Bachata
Alles kommt in Bewegung