Der Tanz des Mörders. Miriam Rademacher

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Der Tanz des Mörders - Miriam Rademacher

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weiter streicheln, ich werde mich jetzt mal hier drinnen umsehen. Irgendetwas stimmt hier nicht, ich kann es fühlen.«

      Mit diesen Worten erhob er sich, stieg über den Hund hinweg und betrat das Wohnzimmer. Es sah aus wie am Tag zuvor. Auf dem Cordsofa lagen zwei faule Spaniels und zuckten mit den Lidern. Colin sah hinüber zum Wintergarten und hielt überrascht inne. Mit dem Rücken zu ihm saß in jenem Korbsessel, in dem er gestern gesessen hatte, Mrs Summers. Ihr violetter Hinterkopf ragte leicht über die Lehne und eine Hand hing kraftlos herab. Sie schien zu schlafen. Irritiert bemerkte Colin einen ungewöhnlich großen Ohrschmuck an ihrer rechten Kopfseite.

      »Mrs Summers?«

      Langsam trat er näher. Einer der Hunde gab ein leises Winseln von sich.

      Colin hatte schon viele Krimis im Fernseher verfolgt und oft schien ihm der Moment, in dem die Leiche entdeckt wurde, schlecht umgesetzt worden zu sein. Doch jetzt spielte es sich alles genau so ab, wie er es schon aus der Zuschauerperspektive erlebt hatte. Er sah und roch das Blut, bemerkte die schreckgeweiteten, leblosen Augen und fühlte, wie sein Gehirn in einen Stand-by-Modus wechselte. Er vergaß zu atmen. Er vergaß zu blinzeln. Und in dem Moment, in dem sein Körper sich wieder seiner Pflichten erinnerte, schrie er, wie er seit Kindertagen nicht mehr geschrien hatte.

      Er schrie noch eine Weile weiter, bis er begriff, dass niemand da war, um ihn fürsorglich in die Arme zu schließen und ins Freie zu führen. Irgendwann verstummte er und starrte auf das geronnene Blut auf Hals und Bluse, starrte auf die Mordwaffe, die noch immer in Mrs Summers’ rechtem Ohr steckte. Der rote Zeiger stand auf Huhn. Mrs Summers’ seltener Ohrschmuck war ein Bratenthermometer, das tief in ihren Schädel eingedrungen war, und die gut zehn Zentimeter lange Metallspitze kratzte vermutlich gerade an einer Gehirnwindung.

      Colin fühlte Übelkeit in sich hochsteigen und endlich fielen ihm auch seine Beine wieder ein. Er rannte in Richtung Haustür, stolperte fast über den immer noch im Flur liegenden Hund und stieß frontal mit Norma zusammen, die gerade, mit Einkaufstaschen beladen, hereinkam.

      »Lieber Himmel, Colin! Was hat Mrs Summers Dir angetan? Oder war der Tee wieder zu heiß?«

      »Sie ist tot! Oh mein Gott, Norma! Sie ist tot!«

      Norma schüttelte traurig den Kopf. »Ja, das ist eine schlimme Sache. Armes Ding. So grausam ermordet zu werden. Ich persönlich tippe ja auf einen Sexualmörder.«

      »Was?«

      »Man weiß natürlich noch nichts Genaues, aber du wirst sehen: Die Untersuchung wird mir Recht geben.«

      »Was??«

      »Das ist doch fast immer das Mordmotiv bei so jungen Dingern. Ich hoffe inständig, dass es niemand aus dem Dorf war.«

      »Norma! Sie liegt da drinnen mit einem Bratenthermometer im Ohr und du rätselst hier seelenruhig herum, ob sie vergewaltigt wurde?«

      »Wer hat ein Bratenthermometer im Ohr?«

      »Mrs Summers natürlich!«

      Norma starrte ihn einen Augenblick lang mit weit aufgerissenen Augen an. Dann stieß sie ihn zur Seite und rannte, die Einkaufstaschen einfach auf den Boden fallen lassend, durch die Wohnzimmertür.

      Die Kartoffeln hatten noch nicht aufgehört zu rollen, als ihr Schrei durch das Cottage hallte.

      Colin, der seinen Mageninhalt inzwischen wieder unter Kontrolle hatte, folgte ihr und schloss die schluchzende Norma in seine Arme, ohne auch nur einen weiteren Blick auf die tote Mrs Summers zu werfen.

      »Oh Colin, wie fürchterlich! Wer kann nur so etwas Grausames getan haben?«, wimmerte sie, und Colin fühlte, wie ihre Tränen sein Hemd auf Bauchnabelhöhe durchweichten. Colin überlegte, ob es vielleicht eine Heulsuse, ein Spinner oder ein Trampeltier gewesen sein könnte, behielt diesen Gedanken aber vorerst für sich.

      »Wir müssen die Polizei rufen«, schniefte Norma und machte sich von ihm los. »Hoffentlich sind die mit der anderen Leiche überhaupt schon fertig.«

      »Andere Leiche? Welche andere Leiche?«

      Colin fühlte sich völlig überrumpelt und überlegte, ob er sich überhaupt noch in der Wirklichkeit befand. Vielleicht war er heute Morgen einfach durch eine falsche Tür gegangen und in ein Paralleluniversum gestürzt. Der Gedanke, so albern er auch war, hatte etwas Tröstliches.

      Norma hatte den Raum verlassen und Colin konnte hören, wie sie mit jemandem telefonierte. Er stand noch immer wie angewurzelt im Wohnzimmer und versuchte, ihrem letzten Satz einen Sinn zu geben.

      Einer der Hunde sprang an seinem Hosenbein hoch, hechelte freundlich und brachte ihn damit zurück in die Wirklichkeit.

      »Ich muss die Hunde hier herausschaffen«, murmelte er. Die Spurensicherung würde kommen, Männer gekleidet in Plastiksäcken, bewaffnet mit schweren Koffern. Sie würden ihn giftig anstarren, wenn sie hörten, dass nicht nur er, sondern auch eine Hundemeute über ihren Tatort getrampelt war.

      Er schnappte sich den noch immer freundlich hechelnden Hund am Halsband und zog ihn hinter sich her in den Flur. Die zwei weiteren kamen neugierig näher und wollten mitspielen. Colin hörte Norma in einem anderen Zimmer mit Gläsern klirren. Kurz darauf war sie neben ihm, beugte sich zu ihm herunter, da er noch immer mit dem Streicheln von Hundeschnauzen beschäftigt war, und hielt ihm einen Cognacschwenker unter die Nase. Sie hatte sich und ihm reichlich eingeschenkt.

      »Sehr aufmerksam. Obwohl mich diese kleinen Racker hier schon wieder auf den Boden der Tatsachen zurückgeholt haben. Ist es nicht seltsam, dass sie so fröhlich sind? Ihre Herrin ist tot. Müssten sie das nicht irgendwie spüren?«

      »Im letzten Jahr habe ich einen alten Mann bei der Pflege seiner kranken Frau unterstützt. Er meinte zu mir, die Tatsache, dass ihr Lieblingshund kein Interesse mehr an ihr zeige, würde bedeuten, dass sie bald sterben würde. Und so war es auch. Nicht jeder Hund ist wie Lassie oder Struppi. Die meisten verlieren das Interesse an dem Sterbenden.«

      Colin nahm einen Schluck Cognac und kraulte mit der freien Hand unablässig weiter. Es tat ihm gut. Es beruhigte seine Nerven und klärte seine Gedanken so weit, dass er die schon gestellte Frage wiederholen konnte.

      »Welche andere Leiche?« Er hörte Norma über sich an ihrem Glas nippen.

      »Sie haben in einem der Wäldchen vor dem Ortseingang eine Frauenleiche gefunden. Ein junges Mädchen. Zwei Spaziergänger haben sie entdeckt. Sie sind in Panik bis zum nächsten Cottage gelaufen und haben den Eigentümer gebeten, die Polizei zu rufen. Das hat er auch getan, gleich nachdem er all seine Freunde und Bekannten verständigt hatte. Das ganze Dorf weiß inzwischen von dem Mädchen. Jemand soll ihr den Schädel zertrümmert haben. Die Spaziergänger meinten, er habe ausgesehen, wie ein aufgeklopftes Frühstücksei.«

      »Nette Beschreibung. Wie plastisch«, erwiderte Colin und schwankte dabei zwischen Ekel und Heiterkeit.

      In der Ferne hörten sie eine Sirene. Augenblicke später zuckte ein unruhiges blaues Licht durch die Scheiben der Haustür.

      »Nicht zu fassen! Wozu brauchen sie Blaulicht und Sirene, wenn sie doch schon tot ist?«, entfuhr es Norma.

      Colin richtete sich auf und wischte sich die Hände an der Hose ab. Sie rochen trotzdem nach Hund.

      »Vermutlich haben sie nicht allzu oft Gelegenheit, mal so richtig

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