Der Club der scharfen Tanten. Heinz-Dietmar Lütje

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Der Club der scharfen Tanten - Heinz-Dietmar Lütje

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erlauben Sie sich? Natürlich bin ich eine Frau. Ich bin Frau Doktor Sieglinde Hammerschmidt-Blume!“ Erwartungsvoll blickte sie ihn an. Die Antwort allerdings fiel beileibe nicht so aus, wie sie es erwartet hatte.

      „Schön, wenn Sie das sagen. Das ändert aber nichts daran, dass Sie hier sind, weil Sie einer Straftat verdächtigt werden, nämlich der Verkehrsunfallflucht gemäß § 142 Strafgesetzbuch.

      Ich weise Sie darauf hin, dass alles, was Sie von jetzt an sagen, gegen Sie verwendet werden kann. Wenn Sie einen Anwalt wünschen, können Sie gern anrufen. Sie brauchen sich zur Sache auch nicht äußern oder können dies über einen Rechtsanwalt tun.“

      Damit drehte er sich um und wandte sich an die Beamten, die Sieglinde hereingebracht hatten. „So und nun macht weiter, wie es sich gehört. Wenn Verdacht auf Trunkenheit besteht, denkt an den Richtervorbehalt wegen der Blutprobe.“ Mit diesen Worten entfernte sich der Polizeihauptkommissar wieder, ohne die ihm entsetzt nachblickende Frau noch eines weiteren Blickes zu würdigen.

      Immerhin schien sie das etwas – wenn auch nur kurzfristig – zur Vernunft zu bringen. Mit dem Hinweis darauf, dass sie ja schließlich selbst promovierte Juristin sei, verzichtete sie auf anwaltlichen Beistand und willigte in einen Atemtest ein, der nullkommanull Promille ergab. Daraufhin behielt sie ihre Fahrerlaubnis – zunächst – wie ihr erklärt wurde und es blieb bei der Anzeige wegen „Unerlaubten Entfernens vom Unfallort“, wie die Unfallflucht so schön im Gesetz bezeichnet wird.

      Donnerstag, kurz vor neunzehn Uhr. Ein schöner Tag, auch am Abend war es noch sommerlich warm. Eigentlich ein Grund, um trotz der bald eintretenden Dunkelheit, den Tag auf der luftigen Terrasse zu verbringen. Dennoch hatten die Ladies vom Stammtisch „Ladies Power“ sich in eines der drei Hinterzimmer, von denen eigentlich das größte auch als kleiner Saal bezeichnet werden konnte, zurückgezogen. Das, was zu Erörtern anstand, war schließlich nicht für fremde Ohren bestimmt.

      Nachdem Etta v. Tarla-Hippenstedt die Gesprächsrunde in ihrer Eigenschaft als Gründerin und auch ohne Wahl als Vorsitzende akzeptierte Autorität eröffnet hatte, meldete sich die junge Rita Schaller zu Wort und verkündete: „So, Ladies, bevor wir jetzt zu den Problemen von Member Erika und auch Member Helga und Anne kommen, hatte ich ja schon angedeutet, dass ich eine interessante Neuigkeit für uns alle habe. Nachdem ja schon manchmal in den hiesigen Zeitungen über uns berichtet wurde, vor allem auch über unsere Charité-Aktivitäten, ist jetzt in der Samstagausgabe der „Hamburger Allgemeinen“ ein ganzseitiger Artikel über „Ladies Power“ und dessen Members geplant.“ Rita ließ diese Worte auf die fast vollzählig erschienenen Ladies wirken.

      Und ja, sie wurde nicht enttäuscht. Überall – naja, fast überall – strahlende Gesichter. „Super, Klasse, oh prima!“ So und ähnlich lauteten die Kommentare. Bis auf Erika und auch Anne und Helga, die nicht so genau wussten, ob sie sich auch freuen konnten? Erika, weil sie noch keine Lösung ihres finanziellen Problems erkennen konnte, und Helga und Anne, weil dann vielleicht noch mehr Druck seitens ihrer Ehemänner auf sie ausgeübt werden würde. Vor allem dann, wenn noch andere Ehefrauen oder auch nur derzeitige Lebensabschnittsgefährtinnen irgendwelcher, sich selbst für den Nabel der Welt haltenden, Kerle auf den Gedanken kommen würden, ihr Mann solle dafür sorgen, dass auch sie künftig zu „Ladies Power“ gehören würden.

      „Aha, da hast du doch bestimmt dran gedreht, Rita“, freute sich Etta. „Das würde uns natürlich noch weiter aufwerten. Sag schon, wie soll das vonstatten gehen?“

      Also berichtete die allseits beliebte Autorin und Journalistin, wie es ihr gelungen war, ihren Chefredakteur dafür zu interessieren, in der auflagenstärksten Ausgabe überhaupt, nämlich am Samstag, eine ganze Seite über „Ladies Power“, ihre Mitglieder und Aktivitäten zu bringen. „Nun, bekannt sind wir schon. Aber ich habe jetzt auch noch erwähnt, dass wir klare Regeln haben, und das fand er noch zusätzlich interessant“, erklärte Rita und lachte verschmitzt.

      „So, und welche wären das?“ Diese Frage stellte, wer sonst, in etwas spitzem Ton natürlich Etta, die darüber nachzudenken begann, ob sie hier etwa übergangen worden sei?

      Nun war Rita natürlich als Journalistin daran gewöhnt, auch auf Untertöne zu achten. Zudem kannte sie Ettas manchmal übergroßes Ego und parierte gekonnt. „Nichts, was völlig aus der Luft gegriffen wäre. Dass wir uns als Member oder auch Lady ansprechen, dass neue Mitglieder nur auf einstimmigen Beschluss aufgenommen werden, dass wir nicht unpolitisch, aber überparteilich sind. Tolerant und aufgeschlossen und uns natürlich auch zu wirtschaftlichen und politischen Themen äußern.“

      Etta überlegte kurz und kam zu dem Schluss, sich hier nicht übergangen oder gar böse mitgespielt fühlen zu müssen. Im Gegenteil, darauf ließ sich doch aufbauen. „Sehr gut, Member Rita, damit können wir dann auch den Kerlen von Helga und Anne etwas den Wind aus den Segeln nehmen, die da glauben, dass allein die Fürsprache ihrer Frauen dazu führen kann, dass man uns irgendwelche Tanten unterjubelt, die nicht zu uns passen. Denen einfach das Niveau fehlt.“

      „Sehr gut, und für das Gespräch mit uns hat Gunther, mein Boss, sich den Dienstagabend freigehalten. Einverstanden?“ Etta und mit ihr fast alle Ladies nickten und Etta legte gleich die Regeln für das Gespräch fest. „So, das hätten wir. Dann kommt der Gunther also Dienstag gegen neunzehn Uhr. Wir treffen uns dann schon eine Stunde vorher hier, in diesem Raum, damit wir uns noch kurz abstimmen.“

      „Ja, ich dachte, wir wollten heute zusammenkommen, weil ihr was für mich tun wolltet?“

      Etta fuhr herum. „Ach, Lady Erika, entschuldige bitte, das wäre jetzt fast untergegangen. Aber das ist doch die Lösung. Am Dienstag legen wir das Problem, gut verpackt, auf den Tisch. Vielleicht bringen wir dann ja auch die Zeitung dazu, auf deine Gläubiger einzuwirken. Von mir bekommst du“, sie überlegte kurz, „sagen wir fünf Mille.“ Ihr Blick schweifte in die Runde.

      „Und ihr überlegt auch, was ihr geben könnt und bringt die Kohle mit. Wir erklären dann, dass wir den Betrag X aufbringen, wenn wir damit für unsere Member Erika einen Vergleich erreichen. Was meint ihr, Ladies?“

      Erneut setzte eine hitzige Diskussion ein. Es zeigte sich, dass bei Geld zwar nicht die Freundschaft dieser im Stammtisch verbundenen Ladies aufhörte, aber doch einige gar nicht über die nötigen Mittel verfügten, größere Beträge beizusteuern, weil sie zwar alles für den täglichen Gebrauch sich leisten konnten, einschließlich eines durchaus üppigen Bewegungsgeldes, aber ansonsten die Rechnungen an den Göttergatten gingen und dieser die Hand auf der Kohle hatte.

      „Also, macht, was ihr könnt, Ladies. Am Dienstag ist auch unsere Nadine da, so dass wir unser, das von mir angedachte, Vorgehen im Fall Member Erika, noch kurz auch mit ihr als Juristin abstimmen können.“

      Damit gingen die Damen, zum großen Teil noch angeregt die erwarteten Möglichkeiten, sich selbst ins rechte Licht zu setzen, erörternd auseinander. Jede für sich war bereits damit beschäftigt, zu klären, wie sie sich gewanden würde, um den bestmöglichen Eindruck auf dem erwarteten Hochglanzfoto in der Presse zu hinterlassen. Einige dachten auch bereits daran, durch Wortbeiträge zu glänzen. Nur Erika, Anne und Helga waren nicht von der Euphorie angesteckt. Sie dachten mehr an ihre ureigensten Probleme, die ja keineswegs gelöst waren, sondern sich vielleicht sogar verschlimmern würden.

      Ein ganz anderes Problem hatten die Ehemänner der Damen Etta und Helga in den Griff zu kriegen – aber wie? Die Herren Notare Falk v. Tarla und Hans-Georg Altmann hatten gewartet, bis auch die letzte Angestellte, wie üblich ihre Bürovorsteherin Carla Gerster, eine unscheinbare graue Maus von etwa Mitte fünfzig, aber dafür eine exzellente Fachkraft, die auch die Ausbildung der neuen Berufsanfängerinnen fast selbstständig erledigte und den Herren somit erhebliche Personalkosten einzusparen half, das Büro

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