Chris Owen - Die Wiedergeburt. Matthias Kluger

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Chris Owen - Die Wiedergeburt - Matthias Kluger

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hoffe, ich störe nicht. Ist mir ganz recht, wenn Chris nicht hier ist, dann können wir uns ungestört unterhalten.«

      »Na, dann komm mit in die Küche. Ich schneide gerade Gemüse für die Spaghetti-Soße. Du kannst gerne zum Essen bleiben.«

      Sie nahmen auf zwei Barhockern Platz, die vor einem frei stehenden Arbeitsblock in der geräumigen, lichtdurchfluteten Küche standen.

      »Ich schneide freiwillig die Zwiebeln«, grinste Daniela, während Sandra Karotten wusch und mit einem Schabemesser bearbeitete.

      »Was gibt’s Neues? Macht Chris Fortschritte?« Sandra lächelte gelöst. Seitdem Daniela den Privatunterricht vorgeschlagen hatte und dieser nun schon seit Monaten hier im Haus stattfand, erschien ihr Chris wesentlich entspannter zu sein. Offenkundig vermittelte Daniela ihrem Sohn etwas, wozu sie als Mutter nicht imstande war: die Klarheit, dass jegliche Begabung, die Chris von den anderen Kindern unterschied, etwas Normales an sich hatte.

      »Und ob er Fortschritte macht! Es ist wirklich sensationell, wie er sich entwickelt! Ich bin überzeugt, dass es die beste Entscheidung war, seine Fähigkeiten nicht durch die Schule fördern zu lassen. Wer weiß, auf welche Ideen dieses Institut gekommen wäre!« Daniela tränten die Augen.

      »Aber du bist bestimmt nicht gekommen, um wässrige Augen vom Zwiebelschneiden zu bekommen.« Sandra schmunzelte.

      »Aber sicher doch, nur deswegen.« Daniela lachte auf. »Nein, Spaß beiseite. Ich wollte mich mit dir über Chris unterhalten. Wie war das so, als er noch kleiner war? Ab welchem Zeitpunkt hast du gemerkt, dass er, wie drücke ich es aus, anders ist?«

      Sandra überlegte kurz. »Eigentlich vom ersten Augenblick an. Meine Ärztin legte mir Chris nach der Geburt auf den Bauch. Sicher hatte Dr. Sisley damals die Befürchtung, das Äußere von Chris würde mich verstören. Doch so war es nicht.« Verträumt betrachtete Sandra die Karotte in ihrer Hand. »Chris sah mir so durchdringend in die Augen … Sein Blick, verstehst du … Ich hatte das Gefühl, dass er ganz tief in mein Inneres eindringt. Das hört sich jetzt gewiss verrückt für dich an, aber so war es. Alles um mich herum schien unbedeutend. Nur seine Augen, ganz tief in mir.«

      »Ich kenne diesen Blick«, flüsterte Daniela. Ein kurzes Schweigen der Frauen erfüllte die Küche.

      »Dann, als Baby, lag er oft minutenlang auf seiner Decke, derart ruhig, dass ich es gelegentlich mit der Angst zu tun bekam. Er starrte, fixierte einen Punkt, als ob er konzentriert etwas betrachten würde. Nur wenn ich mich direkt vor ihn stellte, wanderten seine Augen zu mir – und dann lächelte er. Schon früh begann er zu krabbeln, dann zu laufen und irgendwann, er war noch keine fünf Jahre alt, nahm er sich die Bücher aus dem Schrank. Zuerst dachte ich, er befühlt die Seiten oder stellt sonst was damit an. Nie wäre mir der Gedanke gekommen, dass er lesen würde. Woher auch sollte er lesen gelernt haben? Dennoch, er las und merkte sich Wort für Wort, Zeile für Zeile, Seite für Seite. Irre, oder?«

      Daniela überlegte: Bestimmt erging es ihr ähnlich wie mir – Chris kann einem ab und an eine Gänsehaut bescheren. »Hat Chris mit dir jemals über …« Sie wollte auf das Thema des Erzengels und Aba überleiten. Doch irgendetwas ließ sie mitten im Satz verstummen. Es war wie das Flüstern einer kleinen Elfe, die vermeintlich im Gehörgang, dort, zwischen Hammer und Amboss, saß und ihr zu verstehen gab, dass es keine gute Idee sei, weiterzureden. »Brich nicht dein Versprechen, welches du gegeben hast, hörst du!«, schien die Elfe zu flüstern. »Nicht jetzt. Die Entscheidung über den richtigen Zeitpunkt liegt allein bei Chris!«

      »Was meinst du damit, ob Chris mit mir jemals …?«, fragte Sandra und das Geflüster in Danielas Gehörgang erstarb.

      »Ach nein! Mir ist da nur ein Gedanke … aber das können wir ein andermal … Nicht so wichtig.«

      »Dann reich mir doch die Zwiebeln. Ich muss später zwei Kinder satt bekommen.«

      In einem großen Topf köchelte dickflüssige Soße für die Spaghetti, während die beiden Frauen über zwei Stunden hinweg bei einem Glas Weißwein anderen Gesprächsstoff gefunden hatten. Das Klingeln an der Tür unterbrach die Diskussion über die kommende Mode des Frühjahrs.

      »Das werden Chris und Meira sein. Ich mach rasch auf. Stellst du derweil die Teller auf den Tisch?« Sandra glitt vom Barhocker und drückte kurz Danielas Hand. Von draußen hörte die Lehrerin die Stimmen der Kinder und die ihrer Großeltern. Kurz danach stürmten beide Kids herein. »Hab ich es dir nicht gesagt? Hunger wie die Werwölfe«, feixte Sandra, als sie hinter den Kindern zurückkam.

      »Olivia und Fredrik bleiben auch zum Essen. Chris, läufst du bitte nach oben und weckst Oma Rachel? Sie hat den ganzen Nachmittag geschlafen. Sag ihr, es gibt Essen.«

      Chris eilte nach draußen und ins obere Stockwerk. Meira folgte ihm kreischend.

      »Na, die beiden sind ja bester Laune«, meinte Daniela, als sie Olivia und Fredrik begrüßte. Sie hatte den Eindruck, dass sich die Mienen der beiden bei ihrem Anblick verdüsterten.

      »Hallo, Miss Rudolph. Geht es Ihnen gut?«, fragte Fredrik und zwischen seinen Augenbrauen formte sich eine kleine Falte.

      »Ja, danke. Ich habe Sandra ein wenig Gesellschaft beim Kochen geleistet. Sie kennen das ja: Wenn sich zwei Frauen über Schuhe und Mode unterhalten, vergeht die Zeit wie im Flug.«

      »Schuhe und Mode?«, hakte Olivia nach.

      »Schuhe und Mode«, versicherte Daniela geistesgegenwärtig.

       Kapitel 41: Der Albtraum

      »Nein!«

      Der nächtliche Aufschrei ließ Chris aus dem Schlaf hochschrecken. Vornübergebeugt saß er in seinem Bett und es dauerte, bis ihm bewusst wurde, dass es die eigene Stimme war, die ihn aus dem Traum gerissen hatte. Er lauschte in die Dunkelheit, ob sich vor seiner Tür etwas regte. Aber offenbar hatte niemand im Haus den Schrei gehört. Dann besann er sich auf die Bilder, die ihm in der nächtlichen Illusion erschienen waren.

      Sein Klassenkamerad, Scott Fitzgerald, saß zusammengekauert auf einem fleckigen Betonboden. Sein bis auf die weiße Unterhose nackter Körper wurde von diffusem, gelbem Licht spärlich beleuchtet. Ihn überragte eine große Gestalt, den Arm hoch erhoben und mit einem Gegenstand in der Hand, der einem Gürtel oder Lederriemen ähnelte. Mit voller Wucht sauste der Arm auf Scott Fitzgerald nieder. Als der Riemen den Rücken traf, zuckte und krümmte sich der Junge.

      War es nur ein Traum? Chris rieb sich die Augen. Es musste mitten in der Nacht sein. Was sollte er jetzt machen? Wüsste seine Mutter Rat? Gewiss lief es darauf hinaus, dass er zu ihr ins Bett kriechen und sie ihn beruhigen würde. Mehr nicht. War ein »Mehr« notwendig? Eine gefühlte Ewigkeit blieb Chris aufrecht im Bett sitzen, bis die Müdigkeit ihn zwang, sich wieder hinzulegen.

      »Wenn ich noch einmal einen Anruf des Nachbarn bekomme! Wie stehe ich denn da? Sorge ich mich nicht um dich? Und dann so was! Du wirst mich kennenlernen, mein Freund!« Wieder hob sich der Arm des Mannes mit der silbernen Schließe des Ledergürtels in der Hand.

      Angsterfüllt presste Scott Fitzgerald das Gesicht auf den kalten, staubigen Boden des Kellers, unmittelbar neben dem Heizkessel, der im selben Moment mit einem dumpfen Rumoren die Arbeit aufnahm, während Scott den Schmerz des auf ihn niedersausenden Leders erwartete. Doch statt das Brennen auf dem Rücken zu spüren, hörte er den Aufschrei seines Vaters. Scott Fitzgerald blickte vorsichtig über

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