Was sie nicht umbringt. Liza Cody

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Was sie nicht umbringt - Liza  Cody

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weiß nicht, warum ich es gemacht habe. Später habe ich mir eingeredet, ich hätte es gemacht, weil Goldlöckchen so jämmerlich aussah. Aber das stimmte nicht.

      Was passierte, war jedenfalls Folgendes.

      Ich kriegte keine Luft mehr. Ich hatte genug Hühner gerupft. Ich lief vor der Bühne über die Tanzfläche und stolperte über Goldlöckchen, die noch immer auf dem Boden lag. Sie war nicht allein. Eine Bullentante versuchte sie hochzuziehen. Die Tante trug zwar keine Uniform, aber ein Bulle war sie, da gab es kein Vertun. Wer hätte sich wohl sonst die Mühe gemacht, in dem ganzen Trubel eine arme Besoffene zu verhaften?

      Goldlöckchen war in einer furchtbaren Verfassung.

      Ich sagte: »Zieh Leine, Alte.« Und ich hob Goldlöckchen hoch. Ich warf sie mir über die Schulter und zischte durch Bermuda Smiths Privattür.

      Wie schon gesagt, ich werde nie begreifen, warum ich es gemacht habe.

      Zuerst sagte sie: »Wo ist Calvin?« Und dann kotzte sie auf den Bürgersteig.

      Ich war ihr dankbar. Sie hätte mir schließlich auch hinten auf die Lederjacke kotzen können, aber sie hatte gewartet, bis wir draußen waren. Lady bleibt eben Lady.

      Dann sagte sie: »Wo ist meine Tasche?«

      Ihre Tasche war natürlich da, wo sie sie vor dem Auftritt hingestellt hatte. Das erklärte ich ihr, aber es schien sie schon nicht mehr zu interessieren.

      Sie sagte: »Er ist weg. Er hat mit das Herz gebrochen.«

      »Quatsch«, sagte ich. »Das Herz ist ein Muskel.«

      Und dann fiel sie in Ohnmacht.

      Freundlichkeit ist harte Arbeit. Mit einer ohnmächtigen, besoffenen Sängerin auf dem Buckel kann man sich keinen Wagen ausborgen, also zog ich ihr, so weit es ging, das Kleid runter und setzte sie erst mal irgendwo ab.

      Um ein Haar hätte ich sie wirklich sitzenlassen. Wir waren schließlich in Notting Hill und die Polizei schnüffelte überall rum, so dass ein passender Untersatz schwer zu finden war. Ich konnte nur einen Fiat Panda auftreiben, eine richtige Sardinenbüchse, in die mich normalerweise keine zehn Pferde reingekriegt hätten.

      Goldlöckchen wohnt bestimmt in Hampstead oder Highgate, jedenfalls garantiert nicht bei mir in der Nähe, dachte ich mir. Und dann dachte ich, bestimmt ist sie einfach aufgestanden und hat sich ein Taxi nach Hause genommen. Sie war eine von der Sorte, die einen Taxifahrer dazu hätte bringen können, sie ohne einen müden Penny in der Tasche bis nach Watford zu fahren.

      Aber andererseits hatte ich sie nicht gerade an einer Bushaltestelle abgeladen. Sie hockte in einer abgelegenen Seitenstraße, die nicht besonders vornehm war. Also wollte ich wenigstens noch mal umkehren und sehen, ob sie weggekommen war.

      Sie war noch da.

      Und so kam es, dass Goldlöckchen zu mir auf den Schrottplatz zog.

      Ich musste sie zusammenknicken, damit sie in den Fiat Panda passte. Ich musste sie über den Platz tragen. Ich musste sie in mein eigenes Bett legen.

      Und je später es wurde in dieser Nacht, desto mehr Sorgen machte ich mir. Sie war nicht nur betrunken, sie war krank. Sie musste andauernd brechen. Sie zitterte vor Kälte. Und sie glühte.

      Ich wusste nicht, was ich machen sollte. Eine Betrunkene ins Bett zu packen ist ein Klacks. Aber mir war noch nie im Leben schlecht gewesen, also wusste ich nicht, was ihr fehlte, und ich wusste nicht, ob ich sie wärmen oder kühlen sollte.

      Ich fuhrwerkte herum wie ein einarmiger Tapezierer.

      Wenn sie zitterte und wimmerte, deckte ich sie zu. Dann wieder hätte sie den Schlafsack am liebsten aus dem Fenster geschmissen. Ein andermal sagte sie: »Bitte, Wasser.« Und dann kotzte sie es in den Eimer.

      Ihre Augen gefielen mir auch nicht. Manchmal kamen sie ihr aus dem Kopf gequollen, als ob sie auf dem elektrischen Stuhl säße, dann wieder kugelten sie in den Höhlen herum wie Murmeln in einem Becher.

      Wie schon gesagt, Freundlichsein ist harte Arbeit, aber das Schlimmste an der ganzen Sache war, dass ich Angst hatte, sie könnte sterben. Ich hatte keine Ahnung, wie ich eine Leiche in meinem Hänger erklären sollte. Mit ein Grund dafür, dass ich wie eine Ratte mit juckendem Schwanz durch die Gegend raste, war also auch der, dass ich sie wenigstens so lange am Leben halten wollte, bis ich sie am Morgen irgendwie loswerden konnte.

      Aber am Morgen, gleich nachdem ich die Hunde gefüttert und in den Zwinger gesperrt hatte, trank Goldie ein paar Schluck Wasser, behielt sie bei sich und schlief ein. Bevor sie einschlief, sah sie mich an, als ob wir uns noch nie begegnet wären, und sie sagte: »Danke.«

      Nur danke, sonst nichts. Aber wegen der Art, wie sie es sagte, so als ob sie es wirklich ernst meinte, hatte ich es nicht mehr so eilig, sie loszuwerden.

      Ich machte auf dem kleinen Gaskocher Wasser heiß und kochte mir einen Tee. Dann setzte ich mich zu ihr aufs Bett und sah zu, wie sie schlief. Mir zitterten die Hände, und es tat mir hinten im Hals weh. Ich dachte, ich hätte mich angesteckt.

      Schließlich warf ich im Wohnzimmer die Polster vom Sofa auf den Boden und legte mich schlafen. Es war ein anstrengender Tag gewesen, und ich war müde.

      Ich träumte, Simone und ich wären wieder in der Schule – genauer gesagt, in einem Erziehungsheim, in die wir im wirklichen Leben immer gesteckt wurden. Und wir beschlossen abzuhauen – genau, wie wir es im wirklichen Leben immer gemacht hatten. Wir kamen an eine Mauer, und Simone sagte: »Nein, ich kann nicht. Das ist zu hoch. Wir kriegen Ärger.« »Ärger haben wir jetzt schon genug«, sagte ich. »Komm, ich mach dir eine Räuberleiter.« Sie stellte einen Fuß in meine Hände, und ich sah, dass sie weiße Satinpantöffelchen trug, die mit kleinen roten Edelsteinen besetzt waren. »Wo hast du denn die Schuhe her?«, fragte ich. Und ich hievte sie auf die Mauer. »Das sind meine gläsernen Schuhe«, sagte sie. Und während ich noch dastand, fielen die kleinen roten Edelsteine wie Regentropfen herunter, und ein paar verfingen sich in meinen Haaren. Ich bückte mich danach, weil Simone sehr eigen war, wenn es um ihre Schuhe ging. Aber auf einmal wurden sie ganz flüssig. »He!«, rief ich. »Du blutest.« Ich sah hoch und merkte zum ersten Mal, dass die Mauer oben mit Stacheldraht gesichert war. Und Simone hing darin fest. Ich wollte hinter ihr herklettern, um ihr zu helfen, aber die Mauer war höher geworden. Mir konnte keiner eine Räuberleiter machen. Also blieb sie, wo sie war, und ich blieb, wo ich war, mit Blut in den Haaren. Ich hasse Träume.

      Es war komisch, aufzuwachen und zu wissen, dass jemand in meinem Schlafzimmer lag. In all den Monaten, die ich schon hier wohnte, hatte außer mir kein Mensch den Hänger betreten. Ich schaute zu ihr rein, aber Goldie war immer noch k. o. Sie hätte tot sein können. So ruhig lag sie da. Aber bei jedem Ausatmen flatterte eines ihrer Goldlöckchen. Ich war erleichtert.

      Ich machte die Schlafzimmertür fest zu. Ich hatte einiges zu erledigen, bei dem ich keine Zeugen gebrauchen konnte.

      Gestern Abend waren mir zwar nur ein paar Brieftaschen in die Hände gefallen, aber ich wollte nicht, dass jemand einen falschen Eindruck von mir bekam. Ich bin keine Diebin. Eigentlich nicht. Ich kann mir nur manchmal eine günstige Gelegenheit nicht entgehen lassen, und die Leute sind ja auch so unvorsichtig. Du würdest es kaum glauben, wie unvorsichtig manche Leute sein können. Sie hängen ihre Jacke über die Stuhllehne, obwohl die

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