Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 2). Detlev Sakautzky

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 2) - Detlev Sakautzky страница 6

Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 2) - Detlev Sakautzky

Скачать книгу

einen Schlafraum. Dort durften sie auch ihre Pferde und den Wagen unterstellen und bleiben. Der Bauer gab ihnen Essen zu den Mahlzeiten. Am Tage arbeiteten die Großeltern im Stall, in der Scheune und auf dem Feld. Der Bauer selbst hatte keine Kinder, die Hausarbeit machte eine Wirtschafterin. Er lebte mit seinen Eltern in einem mit Reet gedeckten Haus. Wohnanlage, Stallungen und Tenne waren unter einem Dach.

      Auf den Besuch der Tochter und Enkelkinder haben sich die Großeltern sehr gefreut. Der Opa nahm Hans in seine starken Arme.

      „Mein Söhnchen, bist du groß geworden“, sagte er zu Hans.

      „Opa, ich freue mich hier bei dir zu sein. Das sind ja unsere Pferde aus Ostpreußen. Darf ich reiten?“, fragte Hans.

      „Du darfst kutschieren“, sagte der Opa und meinte es ernst.

      Bei der Ernte brauchte der Bauer jede Hand. Nach einer halbstündigen Kutschfahrt waren sie im Dorf angekommen. Sie brachten das Gepäck in den Wohn- und Schlafraum der Großeltern. Dann wurde die kleine Familie dem Bauern vorgestellt und jeder erhielt eine warme Mahlzeit.

      Es war ein schöner Sommertag. Frau Solltau ging mit den Kindern nachmittags mit aufs Feld. Opa und der Bauer mähten das Getreide mit einer Sense. Frau Solltau band die gemähten Getreidehalme zu Garben und stellte diese zu Hocken auf. Hans half beim Aufstellen. Gegen Abend holte Opa den Leiterwagen und die schweren Garben wurden aufgeladen. Der hoch beladene Wagen wurde auf die Tenne des Hauses gefahren. Die Garben wurden unter das Dach des Hauses gestakt und sollten im Spätherbst und Winter gedroschen werden.

      Hans durfte, wie Opa es versprochen hatte, kutschieren. Das seitliche Gehen neben dem Fuhrwerk und die Handhabung der Zügel bereiteten ihm Schwierigkeiten, was der Opa erkannte. Auf der Fahrt zurück zum Feld durfte Hans reiten und vom Pferd aus kutschieren. Der Wallach war ein großes ruhiges Pferd und ließ sich mit den Zügeln und durch Zurufen leicht lenken. Die daneben laufende Liese richtete sich nach dem Wallach. Das klappte ganz gut und machte Hans Spaß. Er wurde schnell sicher beim Führen der Pferde. Der Opa begleitete den Wagen bei mehreren Fahrten. Schnell kletterte Hans über die Deichsel auf den Pferderücken des Wallachs, griff nach den Zügeln, rief „hüh, hüh“ und los ging die Fahrt mit dem voll mit Getreidegarben beladenen Wagen. Auf dem Rücken des Pferdes lenkte Hans den Wagen auf der Straße bis zum Feld, auf dem Feld und zurück. Der Opa erklärte Hans das Anhalten des Gespanns. „Halt, Rudi“, rief der Opa. Rudi blieb stehen und mit ihm die Liese.

      In den folgenden Wochen wurde das gereifte Getreide – Weizen, Gerste und Hafer – gemäht und in Garben gebunden. Diese wurden in Hocken aufgestellt. Nachmittags wurden die Garben auf den Leiterwagen geladen und auf die Tenne gefahren.

      Hans spannte die Pferde aus und an einen abgeladenen Wagen an. Er brachte das Gespann zurück aufs Feld, wo der Bauer, Opa und die Mutter schon warteten. Robert blieb in dieser Zeit bei der Oma.

      Nachmittags erhielt Hans von der Wirtschafterin einen Korb voll mit beschmierten Brotscheiben und zwei Kannen Malzkaffee. Im Schatten einer Hocke aßen Hans, Opa und die Mutter das mitgebrachte Brot. Hans war glücklich. Die Sonne schien den ganzen Tag. Abends ging er mit Robert in einem kleinen Bach, der sich in der Nähe des Hauses hinschlängelte, baden. Die Ferien vergingen für Hans und Robert wie im Fluge.

      „Warum bleiben wir nicht beim Opa und der Oma? Hier ist es so schön. Die Schule ist in der Nähe, keiner hungert, der Bauer ist freundlich“, fragte Hans die Mutter.

      „Wir müssen in dem zugewiesenen Ort bleiben. Dort erhalten wir unsere Lebensmittelkarten. Du möchtest doch nicht immer mit Opa in einem Bett schlafen?“, fragte die Mutter Hans nachdenklich.

      Hans verließ die Mutter und ging zu Liese und Rudi in den Stall. Dort fütterte er die Pferde mit Haferähren aus der Hand, striegelte und putzte sie, bis die Hände wehtaten. Es war ein Abschied auf lange Zeit. Am frühen Morgen brachte Opa die kleine Familie zum Bahnhof. Am späten Abend war sie nach einer langen Bahnfahrt und einem zweistündigen Fußmarsch wieder im zugewiesenen Zuhause, in Gutshof. Die Großeltern hatten sie ausreichend mit Lebensmitteln versorgt. Wurst, Schmalz, selbst gemachte Butter, Äpfel und zwei Weizenbrote hatte Hans in seinem Rucksack.

      *

      In der Zeit der Schulferien gab es keinen Gottesdienst. Es wurden auch nicht die Glocken geläutet. Heute begann Hans wieder mit dem täglichen Läuten der Glocken. Hans packte die Schultasche ein und spitzte die Bleistifte an.

      „Morgen gibt es vielleicht neue Bücher“, sagte Frau Solltau zu ihrem großen Sohn.

      „Am letzen Tag habe ich Rudi Haare aus der Mähne geschnitten, die ich in die Federtasche legen möchte“, sagte Hans.

      „Hoffentlich denkst du während des Unterrichts nicht immer an die Pferde“, warnte die Mutter besorgt und legte einen neuen Radiergummi in die Federtasche.

      Am ersten Schultag musste Hans dem Lehrer das von der Mutter unterschriebene Zeugnis vorlegen. Es war ein gutes Zeugnis. Die Mutter hatte es mit einem gewissen Stolz unterschrieben. Für Fleiß und Betragen hatte Hans eine „Eins“ erhalten. Sie war zuversichtlich, dass er auch weiterhin gern die Schule besuchte.

      Frau Solltau arbeitete täglich für den Lebensunterhalt der kleinen Familie. Feldarbeit bei den Bauern, Ausbessern der Kleidung für die Bauern und Landarbeiter, Reinigung der Kirche, Vorbereitung der bescheidenen Mahlzeiten für die Kinder, das Waschen der persönlichen Kleidung und sammeln von Holz bestimmten den Tagesablauf. Die Lebensbedingungen hatten sich nicht wesentlich verbessert. Kriminalität, insbesondere Diebstähle, nahmen zu. Die Bauern lieferten häufig nicht, wie gefordert, die Feldfrüchte an die zentral eingerichteten Stellen ab. Kartoffeln, Getreide wurden versteckt, sogar eingegraben. Tiere wurden „schwarz“ geschlachtet. Nachts kamen „Banden“ in das Dorf, die Tiere aus den Ställen stahlen. Tagsüber kamen Männer und Frauen, aber auch Kinder, die Sachen wie Uhren, Schmuck und Porzellan gegen Lebensmittel tauschten. Gestohlen wurde alles, was leicht zu haben war. Gewaschene Wäsche wurde nur noch in den Innenräumen getrocknet. Eine Familie hatte ein Pflegekind aufgenommen, um zusätzliche Lebensmittelmarken zu erhalten. Das Kind war aufgrund von Unterernährung verstorben, weil die Pflegeeltern die Lebensmittel für sich selbst verbrauchten. Infektionskrankheiten nahmen zu. Einige Kinder starben an Typhus, Tuberkolose und Scharlach. Hans trug wiederholt bei den Beerdigungen das Kreuz, einen Stab mit Jesus Christus, zum aufgeschaufelten Grab des jeweilig Verstorbenen. Der kalte Winter war für alle eine schwere Bürde, besonders für die Flüchtlinge, sie hatten keine Lebensmittelreserven und lebten von der Hand in den Mund.

      Einige Bauern durften amtlich genehmigt ein Schwein schlachten. Dieser Tag war ein besonderer Tag für diese Familie, aber auch für die Kinder der Flüchtlinge. Das Schwein wurde auf dem Hof des Bauern geschlachtet. Es wurde an den Ohren und am Schwanz aus dem Stall gezerrt und spürte das kommende Ende. Es schrie und sperrte sich nach allen Richtungen. Der Schlachter schlug dem Schwein mit der Axt auf die Stirn. Es war sofort tot. Danach stach er mit einem schlanken und scharfen Messer in den Hals und ließ es ausbluten. Das Brühen des Schweines und die Entfernung der Borsten erfolgten in einem großen Bottich. Auf einer Leiter hängend wurde es ausgeschlachtet und zu Schinken, Kochfleisch und Wurst verarbeitet. Das Fleisch und die Wurst wurden in großen Töpfen auf einem großen Herd gekocht.

      Die Fleisch-Wurstbrühe, auch Wurstsuppe genannt, holten die Kinder im Essgeschirr, das die Soldaten im Krieg verwendet hatten, vom Bauern. Auch Hans holte sich die unentgeltliche Kost nach Hause.

      Da die Mutter oft die Kleidung für die Bauern ausbesserte, legten einige zusätzlich ein Stück Wellfleisch oder eine kleine Leberwurst in das Behältnis.

      Zu Hause war die Freude groß. Für die kleine Familie war diese Zugabe ein Geschenk des Himmels.

Скачать книгу