Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 2). Detlev Sakautzky

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Maritime Erzählungen - Wahrheit und Dichtung (Band 2) - Detlev Sakautzky

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Ostern erfuhr Frau Solltau von ihrem Vater, dass die Oma an einer Lungenentzündung verstorben war. Sofort fuhr sie zu ihm, um ihm beizustehen. Die Kinder nahm sie aufgrund der zu erwartenden Strapazen nicht mit. Frau Fettig passte auf Robert auf. Bei ihr erhielt er seine Mahlzeiten und wohnte bis zur Rückkehr der Mutter in ihrer kleinen Wohnung. Hans blieb allein, erhielt aber vom Bauern das vereinbarte Essen zu den Mahlzeiten.

      „Mutti! Du brauchst dir keine Sorgen zu machen“, sagte Hans beim Abschied zur Mutter.

      Die Mutter wusste, dass auf ihn Verlass war.

      „Warum ist die Oma gestorben?“, fragte Hans traurig.

      „Durch die Strapazen auf der Flucht war sie körperlich geschwächt und hatte keine Abwehrstoffe mehr. Eine Erkältung führte zur Lungenentzündung. Sie sagte mir, als wir abfuhren, dass sie nicht mehr leben will“, antwortete weinend die Mutter.

      „Opa ist jetzt ganz allein. Vielleicht könnten wir bei ihm wohnen?“, fragte Hans hoffnungsvoll.

      „Leider geht es nicht“, antwortete die Mutter und verabschiedete sich weinend von Hans.

      „In acht Tagen bin ich wieder zurück“, waren die letzten Worte der Mutter.

      Nach einer Woche war Frau Solltau wieder zurück. Sie hatte dem Vater in den schweren Stunden beigestanden. Die Oma wurde in einem schlichten Sarg auf dem Kirchfriedhof begraben. Keine weiteren Verwandten waren anwesend. Ihr Sohn war in Griechenland gefallen und Anna war noch in der Kriegsgefangenschaft. Zu weiteren Verwandten gab es keine Kontakte. Alle Anfragen bei den Suchdiensten waren bisher ohne Erfolg geblieben.

      „In den Sommerferien werden wir dich wieder besuchen“, tröstete Frau Solltau ihren Vater beim Abschied.

      „Sag den Kindern, dass ich zu Pfingsten zu Besuch komme“, versprach der Opa und verabschiedete sich bei seiner Tochter.

      *

      Hans und Robert waren froh, als die Mutter wieder zurück war. Das tägliche Leben verlief jetzt wieder in den gewohnten Bahnen. Frau Solltau arbeitete auf den Feldern der Bauern. Mist streuen, Kartoffeln legen, Futter-, Steck- und Zuckerrüben verhacken und verziehen waren bei allen Bauern angesagt. Auch die Hände der Kinder waren gefragt. Hans verzog nach dem Unterricht auf abgesteckten Teilen der Felder die Rübenpflanzen für ein kleines Entgelt. Der Abstand der verzogenen Pflanzen wurde durch den Bauern ständig überprüft. Robert war noch zu klein für diese Tätigkeit.

      Zu Pfingsten kam der Opa, wie er es versprochen hatte, zu Besuch. Die Freude war groß. Hans zeigte ihm das Dorf. Gemeinsam gingen sie durch die Dorfstraßen und schauten sich die Häuser an. Opa war ein stattlicher Mann, breitschultrig, sehr groß und stark wie ein Baum.

      Er trug die Uniform des Postbeamten. Die Kinder im Dorf staunten. Hans hielt stolz die Hand seines Opas fest.

      „Wann fahren wir nach Ostpreußen? Ich möchte wieder in unser Dorf zurück. Hier gefällt es mir nicht“, sagte Hans traurig und fordernd.

      „Wir müssen hier bleiben. Die Russen wohnen jetzt in unserem Haus. Uns gehört nichts mehr“, sagte der Opa bedrückt. „Viele Menschen haben die Heimat verloren. Alle müssen neu beginnen. Vielleicht kannst du unser Haus noch einmal sehen, wenn du groß bist“, tröstete der Opa sein Söhnchen.

      Nach den Pfingstfeiertagen fuhr er wieder zurück nach Mecklenburg. Frau Solltau und Hans brachten ihn zum Bahnhof.

      „Bleib gesund, bald sehen wir uns wieder“, sagte Hans zu seinem Opa und drückte seine große Hand.

      Der Personenzug fuhr pünktlich ab, Hans wartete und winkte auf dem Bahnsteig, bis der Zug nicht mehr zu sehen war. Er freute sich schon jetzt auf die Sommerferien. Rudi und Liese reiten, Getreide auf dem Leiterwagen in die Tenne fahren, im Bach baden, davon träumte er.

      *

      In den Wochen bis zu den Sommerferien arbeitete Frau Solltau auf den Feldern der Bauern. Sie besserte weiter zerschlissene Kleidung aus. Wiederholt brachte man ihr auch Kinderkleidung von Flüchtlingen und Vertriebenen. Die Kleidung der Älteren trugen, soweit es möglich war, die Jüngeren. Was nicht passte, wurde häufig durch Frau Solltau passend gemacht.

      Es waren inzwischen weitere Kinder in seine Klasse gekommen. Einige davon waren zugezogene Flüchtlingskinder. In einem Schulraum wurden jetzt zwei Klassen unterrichtet. Für die Schüler und Lehrer trat eine Verbesserung der Unterrichtsbedingungen ein. Hans brauchte eine neue Tafel. Die Linien auf der Papptafel waren zerkratzt und so waren die geschriebenen Buchstaben nicht mehr zu lesen. Frau Solltau tauschte eine richtige Schiefertafel bei einer Bäuerin gegen Haarwickler ein, darüber freute Hans sich sehr. Jeden Tag wurden die geschriebenen Zahlen und Buchstaben mit einem nassen Lappen abgewischt. Das Geschriebene sah immer sauber aus. Es wurde aber nicht mehr nur auf der Schiefertafel geschrieben. Hans schrieb in der dritten Klasse schon in Heften mit Linien und Kästchen. Er benutze einen Bleistift, den die Mutter immer abends mit einem scharfen Messer anspitzte. Falsch geschriebene Wörter und Zahlen wurden ausradiert.

      Eine Woche vor den Sommerferien erhielten Frau Solltau und Hans vom Pastor den Lohn für die geleisteten Dienste des vergangenen Jahres. Das Geld reichte aus, um die Fahrkarten für die Hin- und Rückfahrt nach Mecklenburg zu bezahlen.

      Am Tag vor den Ferien verteilte der Lehrer die Zeugnisse. In den Kopfnoten hatte Hans eine Eins, im Lesen und Schreiben und Rechnen auch eine Eins. Hans und die Mutter waren sehr zufrieden. Für das sehr gute Zeugnis schenkte Frau Solltau ihrem Sohn eine neue selbst geschneiderte kurze Hose und einen Bleistiftanspitzer, den sie für ein Ei eingetauscht hatte. Am darauffolgenden Tag fuhr die kleine Familie wieder nach Mecklenburg.

      *

      Spät abends holte sie der Opa mit dem Pferdewagen ab. Rudi wieherte, als er die kleine Familie wiedersah. Alle freuten sich auf das ersehnte Wiedersehen. Die Wirtschafterin hatte den Ankömmlingen ein warmes Essen, Kartoffelsuppe mit Speck, zubereitet. Opa spannte die Pferde aus und brachte sie in den Stall. Hans war mit dabei. Er schaute Rudi in die großen Augen und streichelte ihm die Mähne.

      „Morgen sind wir wieder zusammen“, sagte er leise zu dem Pferd.

      Nach dem Essen gingen alle müde zu Bett. Frau Solltau schlief mit Robert, Hans und Opa im selben Bett. Der Raum war sehr klein. Ein weiteres Bett ließ sich nicht aufstellen.

      Am folgenden Morgen stand Hans früh auf und lief eilig in den Stall zu Rudi und Liese. Opa hatte beide schon gefüttert. Er streichelte beide Tiere und half Opa beim Ausmisten. Nach dem Frühstück fuhr die kleine Familie aufs Feld. Der Opa und der Bauer mähten mit der Sense den Winterweizen wie im letzten Jahr. Die Mutter band aus dem gemähten Getreide die Garben und stellte diese zur Hocke auf. Hans spielte mit Robert im Schatten einer solchen. Er öffnete mit einer kleinen Hacke die Mäusegänge zwischen den Stoppeln. In diesem Jahr gab es viele Mäuse, die schon auf dem Felde einen großen Schaden anrichteten. Ab und zu gelang es Hans eine Maus zu fangen und zu töten. Dabei hatte eine Maus Hans in ihrem Überlebenskampf in die Hand gebissen. Opa hatte ihm Jod, das er ständig bei sich trug, auf die Wunde gegossen. Bald waren die Schmerzen vorbei und die Mäusejagd begann von neuem.

      Die Ernte war im vollen Gange. Die Bauern im Dorf ernteten vom frühen Morgen bis zum späten Abend auf den Feldern. Unterstützt wurden sie durch Vertriebene und Flüchtlinge des Dorfes. Hans brachte, wie im vergangenen Jahr, die vollen Getreidewagen zum Abstaken in die Scheune. Zu den Mahlzeiten bekam er deshalb kräftige mecklenburgische Kost. Mittags gab es Kartoffeln, frisches Gemüse und immer etwas Fleisch. Zum Frühstück selbst gebackenes Weißbrot und Butter, zum Abendbrot

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