1918. Johannes Sachslehner

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1918 - Johannes Sachslehner

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Ausdruck geben konnte, verlangte, dass sich Karl bei ihm persönlich zu entschuldigen habe – eine Forderung, der der österreichische Monarch am 12. Mai 1918 mit einer Reise nach Spa ins deutsche Hauptquartier wohl oder übel nachkam. Den Wünschen der Deutschen konnte Karl nichts mehr entgegensetzen: Eine Militärkonvention wurde geschlossen, mit der sich Österreich-Ungarn endgültig in völlige Abhängigkeit vom Deutschen Reich begab; die bisher „Oberste gemeinsame Kriegsleitung“ wurde durch eine „Oberste Kriegsleitung“ ersetzt. Die Gazetten der beiden Monarchien lobten die Erweiterung des Bündnisses als wichtigen Schritt, als welthistorisches Ereignis.

      Als führungsschwach in den Augen der Militärs zeigte sich Karl bei den Vorbereitungen zur letzten Offensive an der Italien-Front im Juni 1918: Er stimmte zwar dem mit Conrad, damals Kommandant der Heeresgruppe Tirol, besprochenen Operationsplan zu, der einen Angriff aus dem Raum Asiago vorsah, ließ sich aber nach der Abreise Conrads zu den Truppen vom Generalstab wieder „umdrehen“ und plädierte nun für eine Offensive weiter östlich zwischen Astico und Piave. Für die Generäle an der Front war klar: Der Monarch war in Fragen der umfassenden operativen Planung überfordert, vor allem aber den Intrigen und „Spielchen“ der mächtigen Männer im Armeeoberkommando nicht gewachsen. Dazu kam das nachdrückliche Bestreben Karls, einen „sanften“ Krieg führen zu wollen, einen Krieg also, der mit möglichst wenig Blutvergießen auskommen sollte – für die an den Zynismus des täglichen Blutvergießens gewöhnten Generäle eine seltsame Haltung, die von ihnen als gefährliche Inkonsequenz interpretiert wurde: Wer den Krieg siegreich führen will, so das zynische Kalkül der Militärs, kann nicht auf die Opfer blicken …

      Karl möchte den Krieg beenden, einen Krieg, von dem er jedoch bis zum Ende seines Lebens überzeugt sein wird, dass es ein „gerechter Krieg“ war. Ein Krieg, den Österreich zur Selbstverteidigung gegen die Interessen der feindlichen Großmächte, vor allem von Russland und Italien, gegen Freimaurer, Sozialisten, Bolschewiken zu führen gehabt hätte. Nie wird er zu der Erkenntnis gelangen, dass Österreich im Einvernehmen mit dem Deutschen Reich den Krieg im Juli 1914 mutwillig vom Zaun gebrochen hat, dass es eine Hand voll Männer war, die geglaubt hatte, das scheinbar hoffnungslos unterlegene Serbien angreifen zu müssen, ermutigt dazu durch die zum Krieg bereiten Militärs in Berlin, die ihrerseits die Chance gekommen sahen, zum Schlag gegen Russland ausholen zu können. Moltke lockte Österreich mit dem berühmten „Blankoscheck“ –. Wien war so unvorsichtig zuzugreifen. 1914 wollte niemand Österreich-Ungarn „zertrümmern“ – erst durch die Kriegserklärung provozierte man jene Kräfte, die schließlich zum Zusammenbruch seines Reiches führen sollten.

       Kann sich mit dem zynischen Kalkül der Militärs nicht anfreunden: Kaiser Karl I. will den Frieden, hält aber auch den Krieg für „gerecht“.

      Auch Karls Gegner sammeln sich für die Kämpfe des Tages. Um 6 Uhr klingelt das Telefon in der Wohnung von Alois Rašín. Am Apparat ist Sokol-Chef Dr. Scheiner. Ob es etwas Neues gebe? Rašín verneint, weist nochmals darauf hin, dass trotzdem alles für den großen „Knall“ vorbereitet werden müsse.

      Über dem Frontgebiet am Piave dämmert der Morgen heran. Man bereitet sich auf den neuen Kampftag vor: Punkt 6 Uhr beginnt die Lagebesprechung beim 2. k. u. k. Dragoner-Regiment Graf Paar in der kleinen Ortschaft Camino, wo die Truppe, aus der Reservestellung in Rivarotta kommend, um Mitternacht eingetroffen ist. Oberstleutnant Stluka, ein Tscheche vom Dragoner-Regiment 9, der in Vertretung des beurlaubten Regimentskommandanten Oberst Hugo von Schram das Regiment führt, hat für die Herren Offiziere vom „D 2“ wenig erfreuliche Nachrichten: Englische und französische Truppen hätten am Morgen des Vortags die Dammstellung der ungarischen 7. Division durchbrochen und die Papadopoli-Insel erobert, der weitere Vorstoß des Feindes erfolge auf der Straße Tezze – San Polo – Ormelle.

      Zum Gegenangriff sei die 8. k. u. k. Kavalleriedivision befohlen, bestehend aus den Dragoner-Regimentern 2 und 14 (Windischgraetz) sowie den Ulanenregimentern 11 (Kaiser Alexander von Russland) und 12 (Graf Paar); an den Flanken würden die 24. und die 26. Schützendivision Unterstützung bieten.

      Für die 2er-Dragoner, die sich in Rivarotta bei guter Verpflegung 6 Wochen lang ausgezeichnet erholt haben, ist dies zunächst kein Grund zur Panik – in bester Ordnung marschiert man über Oderzo nach Colfrancui und geht hier in Stellung: In den Weingärten beiderseits der Straße will man den Feind erwarten, das 1. Halbregiment bildet die vorderste Linie, das 2. Halbregiment die 2. Linie; die II. Maschinengewehrschwadron, befehligt von Leutnant Ernst Putz, und die Tragtiere bleiben auf der Straße; das Regimentskommando wird in der Nähe der Kirche von Colfrancui eingerichtet.

      Ein klarer sonniger Herbsttag kündigt sich an, beinahe wolkenlos spannt sich der blaugraue Morgenhimmel über die Ebenen Friauls. Vom Feind noch weit und breit keine Spur, dafür sind es k. u. k. Truppen, die nach Osten zurückgehen, vor allem ungarische Einheiten passieren in kleinen Gruppen den Ort. Auffallend viele Soldaten haben die linke Hand verbunden – Selbstverstümmelung als letztes und endgültiges Argument, um in Richtung Heimat aufbrechen zu können. Zwischen den Infanterieeinheiten tauchen immer wieder einzelne Artillerieabteilungen und Trainfahrzeuge auf – die Front bröckelt auch ohne Feindeinwirkung!

      Die 2er-Dragoner, vor allem Egerländer, Tschechen und Kroaten, sehen dem ruhmlosen „Abmarsch“ ihrer ungarischen Kameraden mit gemischten Gefühlen zu, behalten aber eiserne Ruhe und Disziplin; sie sind bereit zu kämpfen.

      Reichshaupt- und Residenzstadt Wien. Die Sonne geht auf.

      Prag. Dr. Alois Rašín verlässt seine Wohnung in der Zitna, um sich wie geplant in die Redaktion der Národní listy, der wichtigsten Zeitung des Landes, zu begeben und hier die während der Nacht eingelangten Nachrichten zu studieren. Vor allem aber ist er neugierig auf den Text der Note von Außenminister Andrássy. Im Anschluss daran, so sein Plan, wird er sich mit Sokol-Chef Dr. Scheiner über die weiteren Schritte beraten. Der untersetzte kleine Mann mit Glatze und sorgfältig gepflegtem Spitzbart nimmt heute einen Umweg durch den Stadtpark, um sich innerlich zu sammeln – die Nachrichten von Verbindungsmann Vlastimil Tusar aus Wien haben die freudige Hoffnung auf unmittelbar bevorstehende große Ereignisse geweckt.

      Am Wenzelplatz, in der Nähe des Nationalmuseums, trifft Rašín einen Bekannten, von dem er weiß, dass er Mitglied der Sokol ist. Die beiden Männer schütteln sich die Hände; flüsternd fragt der Sokol-Mann: „Geht’s los?“ Rašíns Antwort ist kurz: „Jawohl!“ Dr. Scheiner, so erkennt er zufrieden, hat seine Männer bereits instruiert und auf ihre Wachposten rücken lassen.

      Wien, Hohe Warte. Die Zentralanstalt für Meteorologie gibt in ihrem „Internationalen telegraphischen Wetterbericht“ die aktuellen Wetterwerte durch. In Wien hat es nach dem Regen der letzten Tage aufgeklart, dafür ist es deutlich kälter geworden, das Thermometer zeigt 5 Grad, es ist halb bewölkt, in Budapest hat es 6 Grad und es regnet; Prag und Krakau melden bei trübem Himmel ebenfalls 5 Grad, kaum wärmer ist es in Lemberg mit 6 Grad und bewölktem Himmel. Unternormal kalt ist es im Westen und Süden: Innsbruck meldet 1 Grad, Klagenfurt 2 Grad, Agram 4 Grad bei Schneeregen. Angenehme 9 Grad hat es in Triest, wo sich auch der Himmel von seiner heiteren Seite zeigt, immerhin noch 8 Grad erreicht die Quecksilbersäule in Bozen. Keine Werte sind aus Lussinpiccolo eingetroffen, im Kriegshafen Pola regnet es bei 6 Grad. Die Prognose für den kommenden Tag sieht zunehmend heiteres Wetter vor, ab und zu können bei auffrischenden nördlichen Winden unergiebige Schauer auftreten. Die Höchstwerte werden im Wiener Raum 10 Grad nicht übersteigen.

      Erstmals in der Geschichte des Telefons gibt es eine Verbindung zwischen Berlin und Wien: Punkt

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