1918. Johannes Sachslehner

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1918 - Johannes Sachslehner

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er auf keinen Fall, zu Verhandlungen in Wien sei er jedoch bereit.

      Am Abend sei dann noch Generalmajor Max Ronge zu ihm ins Hotel gekommen. Man müsse, so der Chef der k. u. k. Abwehr, bei der Armee bolschewistische Ausbrüche befürchten, tschechische Abgeordnete sollten deshalb an die Front gehen und die tschechischen Regimenter zum Ausharren bewegen. Ronge habe die kritische Lage des österreichisch-ungarischen Heeres geschildert, die Verzweiflung der Verantwortlichen wiedergegeben.

      Rašín, der nun die Stunde der Revanche für all das, was er an Verfolgung und Schikanen von Seiten der österreichischen Behörden zu erleiden hatte, gekommen sah, hatte Tusar auf diesen Bericht hin entsprechend hart und triumphierend Bescheid gegeben: „Wir können keine Abgeordneten an die Front schicken, solange nicht Österreich-Ungarn einen Waffenstillstand ohne jede Bedingung unterzeichnet!“

      Dass Ronge, der Tschechenhasser, der Mann, der als fragwürdiger „militärwissenschaftlicher Sachverständiger“ während des Prozesses alles getan hatte, um ihn und Kramář an den Galgen zu liefern, nun so zu Kreuze gekrochen kam, überzeugte Rašín insgeheim in der Auffassung, dass der Zusammenbruch der k. u. k. Armeen unmittelbar bevorstehen müsse. Nach außen hin blieb er jedoch gelassen und ließ Ronge durch Tusar ausrichten, dass er mit dem Nationalrat über diese Sache verhandeln werde, mit einer Antwort sei für den kommenden Morgen zu rechnen. Tusar reichte diese Antwort des Prager Abgeordneten sofort an das Wiener Sekretariat der Südslawen weiter, das seinerseits den südslawischen Nationalrat in Agram informierte.

       Wegen „Hochverrats“ von einem österreichischen Militärgericht zum Tode am Galgen verurteilt und von Kaiser Karl begnadigt: Dr. Alois Rašín, führendes Mitglied des tschechischen Nationalausschusses.

      Nach dem Gespräch mit Tusar hatte Rasín sofort mit Dr. Josef Scheiner, dem Starosten der tschechischen Sokolbewegung, telefoniert – man müsse sofort alle Vorbereitungen für den Umsturz treffen, bereits in wenigen Stunden könne es so weit sein. Scheiner versprach, sofort alles Notwendige zu veranlassen.

      Um 23 Uhr hatte sich dann Tusar noch einmal am Telefon gemeldet, diesmal aber nichts Neues zu berichten gewusst. Rašín gab seinem Wiener Verbindungsmann zu verstehen, dass er fest mit dem „Umsturz“ für den kommenden Tag rechne …

      An der Piavefront bei Nervesa. Die Alliierten versuchen einen neuen Brückenkopf zu bilden: Truppen des VIII. italienischen Korps gehen über den Fluss und versuchen am linken Ufer Fuß zu fassen; der 51. Honvédinfanteriedivision gelingt es jedoch im Gegenstoß den Feind zu vertreiben.

      Ein Missgeschick trifft die von Lord Cavan kommandierte 10. Armee der Alliierten bei der Papadopoli-Insel: Da der Wasserstand des Piave fällt, ändert sich auch die Hauptströmung des Flusses, die nun nicht mehr senkrecht auf die lebenswichtige, über 450 Meter lange Brücke bei Salettuol trifft, sondern in einem Winkel. Der am 26. Oktober von britischen Pionieren fertig gestellte Übergang, auf dem am 27. die Stoßtruppen der 23. britischen Infanteriedivision erfolgreich über den Fluss gingen, ist zur Hälfte eine so genannte „Bockbrücke“, zur anderen eine Pontonbrücke, was nun zum Nachteil wird: Durch die veränderte Strömung werden die „Bockfüße“ unterwaschen und die „Bockschwellen“ leicht ineinander verzwängt, das Wasser beginnt die Brücke zu überströmen, schließlich reißen sich zwei Pontons aus ihrer Verankerung los – die Brücke ist damit unpassierbar für den Nachschub und die am rechten Piaveufer wartenden Reserven; mehrere verzweifelte Versuche zur Reparatur der Brücke scheitern: Ständig gestört von österreichischem Geschützfeuer, gelingt es in der Dunkelheit nicht, neue Pontons so auf die Brücke zuzusteuern, dass sie genau in die Lücken treffen. Als ein Ponton kentert und ein britischer Pionier ertrinkt, gibt man auf. Erst mit Hilfe italienischer pontonieri kann die Brücke wieder instand gesetzt werden. Um der dringend notwendig gewordenen Versorgung der Truppen am linken Piaveufer eine sichere Basis zu geben, entschließt man sich einen zweiten Übergang bei der Papadopoli-Insel zu errichten.

      Auswärtiges Amt, Berlin. Blitzschnell, noch vor Veröffentlichung der Note Andrássys mit der Bitte um einen Separatfrieden, reagiert die deutsche Regierung auf die neue Situation: In einem Telegramm des Auswärtigen Amtes an Staatssekretär von Hintze bei der Obersten Heeresleitung wird angeregt, nunmehr verstärkt den Kontakt mit der Provisorischen Nationalversammlung „Deutschösterreichs“ zu suchen. Die Nationalversammlung solle Kundgebungen zugunsten des Waffenbündnisses mit dem Deutschen Reich veranstalten und dadurch Druck auf die Regierung Lammasch ausüben – immer klarer zeigt sich, dass Berlin bereits mit dem Entstehen eines neuen Staates an der Donau spekuliert und dieses Szenarium auch konsequent weiterdenkt: Der Gedanke eines „Anschlusses“ Deutschösterreichs an das Deutsche Reich nach Kriegsende wird als konkrete Möglichkeit ins Auge gefasst, Botschafter Graf Botho von Wedel in Wien dazu angehalten, den deutschösterreichischen Abgeordneten diese Lösung – von der viele träumen – als „Belohnung“ für ihre Loyalität in Aussicht zu stellen. Wedel, seit 1916 Vertreter des Deutschen Reichs in Wien, nimmt sich vor, noch an diesem Tag Dr. Victor Adler, den für außenpolitische Fragen zuständigen Mann im Vollzugsausschuss der Provisorischen Nationalversammlung, entsprechend zu instruieren.

      Der Gedanke, dass man die deutschsprachigen „Landsleute“ in Österreich-Ungarn nach dem Zusammenbruch der habsburgischen Herrschaft vielleicht schützen werden müsse, geht natürlich einher mit ersten Überlegungen, deutsche Truppen in Österreich einmarschieren zu lassen. Immerhin versucht das Auswärtige Amt sofort die notwendigen Finanzmittel bereitzustellen: Zehn Millionen Mark für Geheimunternehmungen in Österreich-Ungarn werden vom Finanzministerium beantragt …

      Die Deutschen fühlen sich verraten und hintergangen: Über die Absicht Andrássys und Kaiser Karls, bei der Entente mit der Bitte um einen Separatfrieden einzukommen, werden Botschafter Wedel und General August von Cramon, der bevollmächtigte deutsche General beim k. u. k. Armeeoberkommando, bereits Sonntag früh von Major Fleck vom AOK aus Baden telefonisch verständigt. Fleck beruft sich auf eine Mitteilung von Generalstabsmajor Edmund Glaise von Horstenau, der als Informant den Deutschen schon oft hervorragend gute Dienste geleistet hat. Als überzeugter Anhänger des Bündnisses mit Deutschland sehe dieser nun keinen anderen Ausweg, als die deutsche Militärmission über die Pläne der österreichisch-ungarischen Führung zu informieren. Graf Wedel begibt sich auf diese Nachricht hin ins Außenministerium und verlangt Aufklärung, Andrássy beruhigt den Botschafter und legt ihm den Entwurf zur beabsichtigten Note vor – der Text scheint Wedel unbedenklich, Glaise von Horstenau, so meint er, hätte diesmal übereilt gewarnt. Was er allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht weiß: Karls Außenminister hat ihm nur die halbe Wahrheit mitgeteilt, dem Entwurf fehlt der entscheidende letzte Satz, in dem die Wiener Regierung sich bereit erklärt, in Friedensverhandlungen einzutreten, „ohne das Ergebnis anderer Verhandlungen abzuwarten“ – in den Augen der Deutschen offener Verrat am Bündnis, ein Treubruch, der letztlich Österreichs Untergang nicht verzögern werde.

      Verwundert müssen die Deutschen feststellen, dass selbst Generalstabschef Arz nicht in die Beratungen über die Textierung der Note miteinbezogen, ja, erst am späten Abend des 27. durch einen Telefonanruf des Kaisers über deren Existenz informiert worden ist und ihren genauen Inhalt mühsam im Außenministerium erfragen musste.

      Während man in Berlin bereits darüber nachdenkt, wie man aus dem Zerfall Österreich-Ungarns noch rasch Kapital für sich selbst schlagen könnte, beginnt es sich auf den dunklen Straßen der Haupt- und Residenzstadt Wien, in denen ansonsten nur der Marschtritt der allgegenwärtigen Militärpatrouillen zu hören ist, zu regen: Die ersten Menschen treffen vor Bäckereien und Brotgeschäften ein, um im Wettlauf um ein bisschen Brot eine günstige „Warteposition“ zu ergattern. Ab halb drei Uhr, so hat die Wiener

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