Die Forsyte-Saga. John Galsworthy

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Die Forsyte-Saga - John Galsworthy

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wenn ein Hund ins Feld läuft, standen sie Kopf an Kopf und Schulter an Schulter, bereit den Eindringling niederzurennen und totzutrampeln. Offenbar waren sie auch gekommen um herauszufinden, welche Art von Geschenken schließlich wohl von ihnen erwartet wurde. Regelten sie die Frage der Hochzeitsgeschenke auch gewöhnlich in dieser Art: – »Was schenkst du? Nicholas schenkt Löffel!« – so kam es doch sehr auf den Bräutigam an. War er gewandt, geschniegelt und von gefälligem Aussehen, so hielten sie es für geboten ihm auch hübsche Geschenke zu machen, das durfte er von ihnen erwarten. Zuletzt gab jeder freilich genau das, was durch eine Art von Familienübereinkommen als passend und schicklich festgesetzt wurde, wie die Preise auf der Börse festgesetzt werden, wobei die genauen Einzelheiten in Timothys behaglichem, am Park gelegenen Haus aus roten Ziegeln näher bestimmt wurden, wo die Tanten Ann, Hester und Juley wohnten.

      Die Unruhe der Familie Forsyte war durch die einfache Erwähnung des Hutes gerechtfertigt. Hätte nicht jede Familie des besseren Mittelstandes, die den ihr gebührenden äußeren Anstand zu wahren wußte, es für unmöglich und unrecht gehalten, sich hier nicht beunruhigt zu fühlen!

      Der Urheber dieser Unruhe stand im Gespräch mit June an der nächsten Tür. Sein lockiges Haar war zerzaust, und er sah aus, als fände er alles ungewöhnlich, was um ihn her vorging. Seine Miene verriet auch, daß er seinen Spaß daran hatte.

      George, der sich halblaut mit seinem Bruder Eustace unterhielt, sagte:

      »Er sieht aus, als wolle er sich aus dem Staube machen – der flotte Bukanier!«

      Dieser »sehr sonderbar aussehende Mann«, wie Mrs. Small ihn hernach nannte, war von mittlerer Größe und kräftig gebaut, hatte ein bleiches, braunes Gesicht, einen staubfarbenen Schnurrbart, sehr vorstehende Backenknochen und hohle Wangen. Seine Stirn stieg bis zum Wirbel des Kopfes hinauf und trat über den Augen in Höckern hervor, wie man es an Löwenstirnen im Zoo sehen kann. Er hatte Augen von der Farbe des Sherry, mit einem zuweilen beunruhigend zerstreuten Blick. Der Kutscher des alten Jolyon sollte, nachdem er June und Bosinney ins Theater gefahren hatte, zum Butler, dem Haushofmeister, gesagt haben:

      »Aus dem wer ich nich klug. Mir kommt er wahrhaftig vor wie 'n ›Jahrmarkts-Tiger‹!«

      Und hin und wieder tauchte ein Forsyte in der Nähe auf, schob sich vorbei und warf dabei einen Blick auf ihn.

      June – das winzige Ding, »ganz Haar und Geist«, wie jemand einmal gesagt hatte, mit furchtlosen blauen Augen, einem festen Mund und leuchtenden Farben, stand vor ihm und wehrte diese müßige Neugierde ab – Gesicht und Körper waren fast zu zart für ihre Krone rotgoldenen Haares.

      Eine große Dame von schöner Gestalt, ein Familienmitglied hatte sie einmal mit einer heidnischen Göttin verglichen, beobachtete die beiden mit einem schattenhaften Lächeln.

      Sie hielt die Hände in perlgrauen Handschuhen gekreuzt, das ernste schöne Gesicht zur Seite gewandt, und die Blicke aller Männer in der Nähe ruhten darauf. Ihre biegsame Gestalt wiegte sich, wie vom bloßen Lufthauch bewegt. Es war Wärme in ihren Wangen, aber wenig Farbe; ihre großen dunklen Augen blickten sanft. Aber die Männer schauten auf ihre Lippen, wenn sie mit jenem schattenhaften Lächeln eine Frage stellte oder eine Antwort gab. Es waren sensitive Lippen, süß und sinnlich, und wie von einer Blume, schien Wärme und Duft von ihnen auszuströmen.

      Von dem Brautpaar war die stille Göttin und ihr forschender Blick bis jetzt unbemerkt geblieben. Bosinney entdeckte sie zuerst und fragte nach ihrem Namen.

      June führte ihren Verlobten zu der Dame mit der schönen Figur.

      »Irene ist meine allerbeste Freundin,« sagte sie. »Und ihr beide müßt auch gute Freunde werden.«

      Alle drei lächelten bei dem Gebot des kleinen Wesens, und während sie noch lächelnd dastanden, tauchte Soames Forsyte geräuschlos hinter der Dame mit der schönen Figur auf, die seine Frau war, und sagte: »Bitte, stelle mich doch auch vor.«

      Er entfernte sich bei öffentlichen Gelegenheiten nur selten von Irenens Seite, und wenn sie im Drang des gesellschaftlichen Verkehrs einmal getrennt wurden, konnte man sehen, wie seine Augen ihr mit einem seltsamen Ausdruck von Wachsamkeit und Verlangen folgten.

      Am Fenster untersuchte James, sein Vater, noch immer den Fabrikstempel auf dem Porzellan.

      »Ich wundere mich, daß Jolyon diese Verbindung zugibt,« sagte er zu Tante Ann. »Wie ich höre, haben sie auf Jahre hinaus keine Aussicht sich zu heiraten. Dieser junge Bosinney (er machte im Gegensatz zu der üblichen Anwendung des offenen o einen Dactylus aus dem Wort) besitzt nichts. Als Winifred damals Dartie heiratete, sorgte ich dafür, daß er jeden Pfennig sicher anlegte – ein wahres Glück übrigens – sonst hätten sie jetzt nichts mehr!«

      Tante Ann blickte von ihrem Sammetsessel auf. Graue Locken rahmten ihre Stirn ein, Locken, die seit Jahrzehnten unverändert, allen Sinn für Zeit in der Familie ausgelöscht hatten. Sie erwiderte nichts, denn sie sprach selten und schonte ihre alte Stimme, aber für James, der kein ganz ruhiges Gewissen hatte, war ihr Blick so gut wie eine Antwort.

      »Ja,« sagte er, »ich konnte nichts dafür, daß Irene kein Geld hatte. Soames hatte es so eilig, er magerte sichtlich ab, als er sich so lange um sie bewarb.«

      Verdrießlich stellte er die Schale aufs Klavier und ließ seine Augen zu der Gruppe an der Tür wandern.

      »Meiner Ansicht nach,« sagte er ganz wider Erwarten, »ist es ganz gut so wie es ist!«

      Tante Ann forderte ihn nicht auf, diese merkwürdige Äußerung zu erklären. Sie wußte was er dachte. Da Irene keine Mittel hatte, würde sie nicht so töricht sein dumme Streiche zu machen, denn es hieß – es hieß – sie habe getrennte Zimmer verlangt; aber Soames natürlich hatte nicht –

      James unterbrach sie in ihrer Träumerei.

      »Wo ist denn Timothy?« fragte er. »Ist er nicht mitgekommen?«

      Über Tante Anns zusammengepreßte Lippen drängte sich ein Lächeln.

      »Nein, er hat es nicht für ratsam gehalten, wo so viel Diphtheritis in der Luft liege und er so dazu neige, sich etwas zu holen.«

      »Ja, er ist sehr besorgt um sich,« erwiderte James. »Ich kann's mir nicht leisten, so besorgt um mich zu sein, wie er.«

      Es war nicht leicht zu sagen, ob Bewunderung, Neid oder Verachtung in dieser Bemerkung vorherrschend war.

      Timothy, das Baby der Familie, ließ sich in der Tat selten sehen. Er war Verleger von Beruf und hatte vor einigen Jahren, als das Geschäft noch in voller Blüte stand, eine Stockung vorausgewittert, die zwar noch immer nicht eingetreten war, aber nach der übereinstimmenden Meinung aller schließlich kommen mußte, darauf seinen Anteil an eine Firma verkauft, die sich hauptsächlich mit der Herstellung religiöser Bücher beschäftigte, und den ganz beträchtlichen Gewinn in goldsichern Papieren angelegt. Hierdurch war er sofort in eine völlig isolierte Stellung gekommen, denn kein Forsyte begnügte sich mit weniger als vier Prozent für sein Geld; und diese Isolierung hatte langsam aber sicher einen Geist unterminiert, der mehr zu Vorsicht neigte, als gemeinhin üblich war. Er war fast zur Mythe geworden – einer Art Verkörperung der Hypothekensicherheit, die im Hintergrund der Forsyteschen Welt spukte. Er hatte nie die Unklugheit besessen zu heiraten oder sich irgendwie mit Kindern zu behelligen.

      James fuhr fort, indem er das Porzellan beklopfte:

      »Das ist kein echtes altes Worcester. Jolyon

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