Das Virus in uns. Kurt Langbein

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Das Virus in uns - Kurt Langbein

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seine Aufnahmen ins Internet; seine Bilder von überforderten Krankenhäusern. Ein anderes Video auf Twitter zeigt die gleichen gelben und orangen Leichensäcke in einem unbekannten Hospital in Wuhan auf dem Boden direkt neben Betten mit Kranken – selbst auf Sitzen im Wartesaal, wo auch Patienten warten. In Schutzanzügen vermummte Krankenpfleger können sich gar nicht mehr um alles kümmern.7

      Am 4. Februar schließlich die offizielle Selbstkritik: Chinas Führung räumt »Unzulänglichkeiten und Defizite« in der Reaktion auf den Ausbruch der neuartigen Lungenkrankheit ein. Nach einem Treffen unter Vorsitz von Staats- und Parteichef Xi Jinping lässt das Politbüro nach Angaben des Staatsfernsehens mitteilen: »Wir müssen die Erfahrungen zusammenfassen und Lehren daraus ziehen.« Das nationale Krisenmanagement müsse verbessert werden.8

      Die Regierung versucht zu retten, was sich retten lässt. Es ist ein nie dagewesenes Experiment. 37 Millionen Menschen eingekesselt, eine hermetische Abriegelung dieses Ausmaßes hat es in der Menschheitsgeschichte nicht gegeben. Europas Politiker schauen mit Skepsis und Ablehnung auf diesen Lockdown, der so wohl nur in einer Diktatur möglich ist. »Wer eine Stadt wie das chinesische Wuhan mit elf Millionen Einwohnern unter Quarantäne stellt, der wirkt so, als wolle er die Biopolitik der Pestzeit einfach hochskalieren für die Ära der Megacitys«, schreibt Jörg Häntzschel in der »Süddeutschen Zeitung« am 31. Januar, »andererseits waren insgeheim wohl dennoch viele erleichtert darüber, dass Peking zu diesem harten Mittel griff, dass es per Erlass die Menschenrechte Millionen gesunder Menschen über Nacht radikal einschränkte.« Und schließt prophetisch: »Die Wahrheit ist: So drakonisch und ineffektiv die Maßnahme auch erscheint – Millionen flohen kurz vor dem Lockdown aus der Stadt –, und so viel Zeit auch verloren ging, weil anfangs niemand wagte, die ersten Fälle zu melden, so zeitgemäß ist sie.«9

       Wo kommt das Virus wirklich her?

      In den ersten Februartagen 2020 sind außerhalb von Festland-China bereits in mehr als zwei Dutzend Ländern über 270 Infektionen und zwei Todesfälle bestätigt. In Deutschland gab es den 14. positiv Getesteten. Der Erreger wurde bei der Frau eines Infizierten aus Bayern nachgewiesen.

      Inzwischen wird die offizielle Geschichte von der Herkunft des Virus vom Fischmarkt in Wuhan immer mehr infrage gestellt. Auf diesem Markt, von den Medien inzwischen meist »Wildtiermarkt« genannt, soll das Coronavirus von illegal verkauften Tieren auf den Menschen übertragen worden sein – der Ausgangspunkt einer Pandemie. So stellte es Chinas oberster Seuchenschützer Gao Fu am 22. Januar bei einer Pressekonferenz dar. Den Markt hatten die Behörden drei Wochen zuvor geschlossen, die Waren vernichtet.

      Zur selben Zeit verfassen Botao Xiao und sein Kollege Lei Xiao eine Studie, die kurz Aufsehen erregen sollte. »Die Fledermäuse, von denen das neue Virus auf den Menschen überging, leben in Yunnan, 900 Kilometer von Wuhan entfernt«, schreiben die beiden Biologie-Professoren an zwei verschiedenen Universitäten im Wissenschaftsportal »Researchgate«.10 Es seien nur einige der Erst-Infizierten tatsächlich auf dem Markt gewesen, und Befragungen hätten ergeben, dass keine Fledermäuse auf dem Markt verkauft wurden. Allerdings steht nur 280 Meter vom Markt entfernt ein Labor des »Zentrums für Seuchenbekämpfung und Prävention«, wo mit Coronaviren und Fledermäusen als Wirtstieren geforscht wird. Die Tiere werden dort obduziert, die Viren analysiert, berichten die Forscher, es herrsche dort lediglich Sicherheitsstufe zwei von vier. Es sei daher wahrscheinlich, dass das Virus entweder durch Verunreinigung oder durch einen infizierten Labormitarbeiter in die Stadt und zum Fischmarkt gelangt sei.

      Einen Tag später ist die Publikation gelöscht, auch das Profil von Professor Botao Xiao von der South China University of Technology ist verschwunden. Er erklärt später in einem Telefonat mit dem »Wall Street Journal«, er habe die Arbeit zurückgezogen, weil es an Beweisen für den Verdacht fehle.11 Allerdings hatte eine andere chinesische Forschergruppe im angesehenen Fachblatt »The Lancet« schon Ende Januar Ergebnisse publiziert, die ebenfalls die Markt-These infrage stellen. Die erste positiv getestete Covid-19-Patientin sei bereits am 1. Dezember erkrankt und habe keinerlei Kontakt zum Fischmarkt gehabt, schreiben sie.12 Und von den ersten 47 Erkrankten hätten sich lediglich 27 auf dem Markt aufgehalten.

       Europa bleibt gelassen

      Noch am 20. Januar sagt einer der erfahrensten Virologen, John Oxford von der Queen Mary University of London: »Ich bin immer noch nicht sehr besorgt. China hat aufgrund von Sars 1 Erfahrungen mit solchen Coronaviren.«13 Und am 22. Januar beschwichtigt der Präsident des deutschen Robert-Koch-Instituts, Lothar H. Wieler, das Gesundheitsrisiko für die Bevölkerung sei derzeit »eher gering«. Obwohl das Virus offenbar von Mensch zu Mensch übertragen werden könne und die Möglichkeit bestehe, dass Erkrankte nach Deutschland einreisen, sagt Wieler: »Allerdings ist die Übertragungsrate nicht kontinuierlich, nach dem jetzigen Wissensstand. Wir gehen also davon aus, dass nur wenige Menschen von anderen Menschen angesteckt werden können.«14 Auch der deutsche Bundesgesundheitsminister Jens Spahn meint am 23. Januar: »Das Infektionsgeschehen ist deutlich milder, als wir es bei der Grippe sehen.«15 Am 24. Januar werden die ersten drei Infizierten aus Frankreich gemeldet. Damit ist die Krankheit in Europa gelandet. Ende Januar treten die ersten Fälle in Deutschland auf – die meisten tatsächlich mit einem milden Krankheitsverlauf.

      Am 29. Januar kommt der Gesundheitsausschuss im Deutschen Bundestag zusammen. Das Thema Coronavirus ist Tagesordnungspunkt 5.b – am Ende der Sitzung. Wieler beklagt die »mangelhafte Informationspolitik Chinas«. Es sei immer noch nicht genau geklärt, wie das Virus übertragen werde.16

      Für den Krisenfall gibt es ein Papier aus dem Jahr 2012: »Bericht zur Risikoanalyse im Bevölkerungsschutz«.17 Darin steht, was zunächst bei Pandemiegefahr nötig ist: rasche Diagnose, Eingrenzen der Kontaktpersonen und Quarantäne aller Verdachtsfälle. Und falls die hohen Fallzahlen dies nicht mehr möglich machen: Schulen schließen, Großveranstaltungen absagen, Schutz des medizinischen Personals.

      Davon ist in dieser Sitzung laut Protokoll keine Rede. Der Gesundheitswissenschaftler Gerd Glaeske von der Universität Bremen hält das für ein Versäumnis: »Im Prinzip hat man diesen Bericht nicht ausreichend zur Kenntnis genommen und hat letzten Endes nicht darauf reagiert, dass man längst Vorkehrungen getroffen hat für die nächste Epidemie oder Pandemie.«18

      Die drastischen Maßnahmen der chinesischen Regierung werden als diktatorisch kritisiert – auch von Publizisten, die später die europäischen Lockdowns hochleben lassen. »Dass die Weltgesundheitsorganisation diesen schweren Eingriff in die Freiheitsrechte von Millionen ohne Weiteres unterstützt, ist eine Schande«, schrieb etwa Lea Deuber in der »Süddeutschen«. »Niemand will gerne krank werden. Aber China ist in der Lage, eine solche Entscheidung zu treffen, weil die Menschen kein Mitspracherecht haben. Dass die Staatengemeinschaft das ausnutzt, ist unwürdig.«19 Und weiter: »Die Entscheidung hat zu Panik geführt. Sinnvoll wäre es gewesen, die Menschen aufzufordern, zu Hause zu bleiben. Nun stürmen sie die Krankenhäuser, weil sie nicht mehr einschätzen können, wie gefährlich das Virus wirklich ist. Die Isolation hat die Menschen nicht geschützt. Sie hat sie in Gefahr gebracht.«20

      Im österreichischen Innenministerium tagt am 26. Januar ein Einsatzstab zur weiteren Vorgehensweise zum Thema Coronavirus. Im Anschluss an die Lagebesprechung treten Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) und Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) vor die Presse. »Es gibt absolut keinen Grund zur Panik«, sagt Anschober.21

       Italien: Die Welle schwappt nach Europa

      »Das

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