Das Virus in uns. Kurt Langbein

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Das Virus in uns - Kurt Langbein

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Beobachtung und erhöhte Wachsamkeit gegenüber dem Auftauchen neuer Virusstämme durch zoonotische Übertragung«, sagt Rasmus Nielsen, Evolutionsbiologe an der University of California.34 Er untersucht, was auf molekularer Ebene passiert, wenn Viren ihre Wirtszellen wechseln. Dass Viren den Sprung über die Artengrenze schaffen, ist kein neues Phänomen. Wenn sie dann nicht nur von Tieren auf Menschen übergehen, sondern sich so anpassen, dass sie von Mensch zu Mensch übertragen werden können, wird es wirklich unangenehm. Denn dann können sie sich schnell ausbreiten und je nachdem, wie ansteckend sie sind, zu Epidemien oder Pandemien führen. Die Zahl der Säugetier- und Vogelviren, die theoretisch den Menschen zum Wirt nehmen können, wird auf 700.000 geschätzt, 260 haben es bisher tatsächlich geschafft.35

      Das war vor mehr als 130 Jahren so, als ein im Nachhinein Betacoronavirus genannter Keim von Mäusen auf Kühe und dann auf den Menschen übersprang und wahrscheinlich Auslöser einer Pandemie war, die weltweit mehr als eine Million Menschen tötete.36 Das war bei HIV so, da kam das Virus von Schimpansen und Gorillas; das ist beim Influenzavirus so; und bei den Coronaviren SARS 1 und MERS, die sich ursprünglich in Fledermäusen und dann Schleichkatzen bzw. Dromedaren breitmachten. Und beim Coronavirus SARS 2.

       3

       Die Covid-Lawine

       Ein Wintersportort in den Tiroler Alpen wurde zum Hotspot für das neue Virus. Wie in China reagierten Behörden und Verantwortliche zunächst mit Leugnen und Vertuschen. Schließlich sorgte die Vertreibung der internationalen Gäste für die rasche Verbreitung von SARS-CoV-2 in Nord- und Westeuropa.

      Im Winter nach Ischgl reisen, tagsüber die Skipisten runterbrettern und abends das Leben feiern – so stellen sich viele Europäer ihren Urlaub im Schnee vor. Für zahlreiche Wintersportfreunde gehört ein Trip in den berühmten wie beliebten Skiort in Tirol einfach dazu, wenn sich die weiße Pracht im Land ausbreitet. Denn hier befindet man sich unter Gleichgesinnten. Mit 1,4 Millionen Nächtigungen belegt Ischgl Rang zwei in der Tiroler Urlauber-Statistik, aber im »Ibiza der Alpen« drängt sich vermögenderes Volk als am Mittelmeer, dafür sorgen schon allein die Preise.

      Paris Hilton hat sich hier ebenso sehen lassen wie Bill Clinton, gehobener Mittelstand aus ganz Nord- und Westeuropa trifft sich hier zum Schwingen auf den autobahnähnlichen Pisten. Danach geht es zunächst zur Hüttengaudi neben den Pisten und am Abend dann weiter in die Bars, Pubs und Klubs im Zentrum des Skiortes. Junge Frauen in Lederhosen oder in kurzen Dirndl-Röckchen tanzen dort auf dem Tresen, der Rest ergibt sich.

      Die Saison 2020 sollte wie üblich Anfang Mai mit einem Groß-Event zu Ende gehen. »Starke Gefühle übernehmen die Regie, wenn beim letzten Top of the Mountain Concert der Saison Eros Ramazzotti die Idalp in seinen Bann zieht«, kündigt die Fremdenverkehrswerbung stolz an, »mit seinen Klassikern und Ohrwürmern im Gepäck kommt der italienische Großmeister am 2. Mai 2020 und begeistert die Besucher und Skifahrer in der Silvretta-Arena.«37

      Im Jahr davor feierten 18.000 Besucher den Schluss der Skisaison und bestaunten zwei Jets des österreichischen Bundesheers und die aus Helikoptern springenden »Skydiver« in ihren Fledermauskostümen. Aber 2020 wurde alles anders. »Abgesagt«, steht lapidar neben der Ankündigung auf den Webseiten der Tiroler Tourismuswerbung.

       Lawinenwarnung

      Die Geschichte, die zu dieser Absage führte und Ischgl zum Wuhan Europas machen sollte, begann offenbar bereits im Januar 2020. Das Dorf mit 1600 Einwohnern und 10.600 Gästebetten befand sich im Vollbetrieb. »Born to be Wahnsinn«, betitelt das Ischgler Lokal »Kuhstall« seine Après-Ski-Werbung: »Zeigs der Welt: So schön kann schräg sein.«38

      Daren Bland aus East Sussex, England, kam am 15. Januar für eine Woche mit seinen Freunden, zwei aus Dänemark und einer aus den USA. Und erlebte, wie schön »schräg« sein kann. Bis zu 25.000 Menschen drängen sich tagsüber durch die Tunnel-Anlagen unter dem Dorf über Rolltreppen, die an U-Bahn-Stationen erinnern, zu den Liftanlagen und den 238 Pistenkilometern. Die werden meist schon von den Lautsprechern der immer noch »Hütten« genannten Mega-Restaurants und Schirmbars am Pistenrand beschallt.

      Und abends ging’s zum Feiern. »Die Bar war gerammelt voll, die Leute sangen und tanzten auf den Tischen«, berichtet der englische IT-Berater über Après-Ski im »Kitzloch«, einer weiteren Bar gleich neben dem »Kuhstall«. »Die Leute waren heiß und verschwitzt vom Skifahren, und die Kellner haben zu Hunderten Shots an die Tische gebracht.«39 Seine Handyvideos zeigen, wie die Menschen sich anschreien und in enger Umarmung tanzend Lieder wie »Highway to Hell« grölen.40 Bland berichtet auch von durchaus extravaganten Spielen. Die Bar sei bekannt für »Beer Pong« – ein Trinkspiel, bei dem die Après-Ski-Sportler abwechselnd versuchen, denselben Tischtennisball in ein Bierglas zu werfen. Manchmal werden die Bälle auch in den Mund genommen und gespuckt.

      Schon in der Woche davor, am 9. Januar, warnte die EU-Kommission alle Mitgliedsländer mittels »Early Warning and Response System« (EWRS) vor einer »ernsten, grenzüberschreitenden Bedrohung für die Gesundheit« durch ein neues Virus aus China. Die Plattform wurde 1998 für den Austausch von Informationen zu Infektionskrankheiten etabliert und vernetzt die Europäische Kommission, die Seuchenbehörde und die einzelnen EU-Mitgliedsstaaten. So sollen Infektionsausbrüche durch geeignete Diagnosemethoden rasch erkannt und durch Quarantäne-Maßnahmen für die Kontaktpersonen von Infizierten sofort gebremst werden, um eine Pandemie zu verhindern.

      Am 12. Januar übermittelte China das Genom des neuen Coronavirus an die Weltgesundheitsorganisation WHO. Vier Tage später, am 16. Januar, vermeldet der Virologe Christian Drosten an der Charité Berlin, dass bereits ein Test zum Nachweis entwickelt wurde.41 Die Virologie in Berlin entwickelte sich zusehends zur weltweiten Drehscheibe für den teuren Test.

      Ab dem 20. Januar vermeldeten auch die Medien die massive Verbreitung der Erkrankung in China. Die Börsen reagierten, der Ölpreis sank, auf den Flughäfen wurden erste Kontrollen eingeführt, und die WHO berief am 20. Januar den Notfallausschuss ein. »Wir haben Isolationsrichtlinien erarbeitet, sowohl für Heimquarantäne als auch für Spitäler, und wir haben einen ersten Kapazitätscheck für die Krankenhäuser vorgenommen«, erinnert sich Reinhild Strauss, Epidemiologin im österreichischen Gesundheitsministerium.42

       Ankunft in Europa

      Am 24. Januar wird Wuhan abgeriegelt, erste Studien zeigen, dass das neue Virus durchaus gefährlich ist. Am selben Tag meldet das Frühwarnsystem des ECDC (Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten) drei SARS-CoV-2-Infizierte in Frankreich. Das Virus ist in Europa angekommen.

      Zwei Tage später erlässt der neue Gesundheitsminister Österreichs, Rudolf Anschober, seine erste Verordnung. Die »neue Erkrankung an 2019-nCoV« wird zur anzeigepflichtigen Infektion nach dem Epidemiegesetz.43 Von da an sind die Ärzte und Behörden verpflichtet, bei jedem Verdacht »unverzüglich die zur Feststellung der Krankheit und der Infektionsquelle erforderlichen Erhebungen und Untersuchungen einzuleiten«. Betroffene müssen Auskunft geben, und bei Gefährdung sind Betriebsstätten zu schließen und auch für Kontaktpersonen von Infizierten Quarantänen zu verhängen.

      Inzwischen gibt es erste positiv Getestete auch in Deutschland und mit der Untersuchung der von ihnen Angesteckten neue Erkenntnisse. Eine Person des Clusters hatte gar keine Symptome, andere Infizierte nur sehr milde. Dennoch trugen sie alle eine hohe Viruskonzentration

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