Das Virus in uns. Kurt Langbein

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Das Virus in uns - Kurt Langbein

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»Ab dem Moment war mir klar: Das Virus marschiert durch«, sagt Dorothee von Laer, Professorin am Lehrstuhl für Virologie der Medizinischen Universität Innsbruck.44 Von Laer wendet sich an die Tiroler Behörden: »Ich habe an die Landessanitätsdirektion geschrieben und angeboten, dass wir testen können. Ich habe aber keine Antwort erhalten.«45 So wurde in Tirol wochenlang auf die Durchführung von Tests zum Erkennen der Infektionen verzichtet.

      Die WHO ruft am 30. Januar eine internationale Gesundheitsnotlage aus. Aber in den Hotelburgen der Alpen nimmt davon niemand Notiz.

      »Nach meiner Rückkehr war ich zehn Tage lang krank. Ich konnte nicht aufstehen, ich konnte nicht arbeiten, ich hatte Atemnot«, berichtet Daren Blank. Er hat auch seine Frau angesteckt. Seine Freunde reisten nach dem Urlaub zurück nach Dänemark und in die USA. Dort wurden sie etwas später positiv auf das Coronavirus getestet.

       Feiern bis zum Untergang

      Aber in den Tiroler Skigebieten wurde munter weitergefeiert, von Infektionen in der Gegend erfuhren die Fremdenverkehrs-Mitarbeiter und die Gäste nichts.

      Im Februar erkrankten in Ischgl Dutzende Mitarbeiterinnen von Hotels und Restaurants sowie auch Gäste an Grippe mit merkwürdigen Symptomen – zu Fieber und Husten kam oft auch Erbrechen. Zumindest in einem Fall – bei einer Kellnerin, die am 8. Februar erkrankte –, wurde nachträglich von der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit (AGES) nachgewiesen, dass es sich um Covid-19 handelte.46

      Aber niemand meldete das und bei den Gesundheitsbehörden nahm davon niemand Notiz. »Es wurde Mitarbeitern verboten, nach Landeck ins Krankenhaus zu fahren, um sich testen zu lassen, damit keine Panik entsteht. Man wollte das so lang wie möglich rauszögern«, berichtete ein Seilbahn-Mitarbeiter in der ORF-Sendung »Am Schauplatz«.47

      »Beer Pong« erfreute sich weiter großer Beliebtheit im »Kitzloch« und anderen Bars, erzählt Henrik Lerfeldt dem US-Sender CNN aus seiner Quarantäne, in die er nach dem Skiurlaub wegen der SARS-CoV-2-Infektion musste. Der 56-jährige Däne berichtet, dass die »Kitzloch«-Barkeeper mit Trillerpfeifen unterwegs waren, um die Leute dazu zu bringen, den Weg frei zu machen. Mehrere Gäste hätten zum Spaß in dieselbe Trillerpfeife geblasen. Und die Gläser, in die die Tischtennisbälle gespuckt werden, machten weiter die Runde.48

      Am 25. Februar wurde in Tirol der »erste Covid-19-Fall« offiziell. Eine Angestellte des Hotels Europa in Innsbruck kam mit Symptomen aus ihrem Urlaub in Italien zurück, wurde positiv auf SARS-CoV-2 getestet und separiert. Hier reagierten die Gesundheitsbehörden, wie es im Epidemiegesetz festgelegt ist: Am selben Abend wurde das Hotel von Polizisten abgesperrt. Es wurden alle Angestellten getestet und das Hotel konnte erst wieder öffnen, als alle weiteren Speichelproben negativ waren. Die Landesregierung bildete einen Krisenstab. Bundeskanzler Sebastian Kurz verkündete am 26. Februar die weitere Marschrichtung: Es bräuchte rasche und harte Maßnahmen, um das Virus bestmöglich einzudämmen.

       Pingpong aus Island

      Sonntag, 1. März: Alle Passagiere eines Flugs von München nach Island werden nach der Landung auf das Coronavirus getestet. Torolfur Gudnason, Chefepidemiologe in Island, meldet am 3. März 16 Corona-Fälle über das EU-weite Frühwarnsystem für Infektionskrankheiten »Early Warning and Response System« nach Wien.49 Alle Betroffenen sind Ischgl-Heimkehrer. Die isländischen Gesundheitsbehörden geben eine Reisewarnung für Ischgl heraus.

      Der Österreichische Verbraucherschutzverband hat präzise dokumentiert, was dann geschieht: Am 4. März etwa fragt eine Touristin im Hotel garni Martina via WhatsApp an: »Hallo zusammen. Denke wir kommen gegen 16/17 Uhr. Was macht der Corona V bei Euch????« Die Hotelmitarbeiterin antwortet darauf ebenfalls via WhatsApp: »Hallo, wir wünschen euch eine gute Anreise. Das Corona Virus ist noch nicht in Ischgl und bleibt hoffentlich noch lange weg.«50

      Am 5. März wird eine E-Mail aus Island vom Wiener Gesundheitsministerium nach Tirol weitergeleitet. »Dear colleagues«, schrieben die isländischen Behörden, »we have a total of 14 cases with travel history to Ischgl via Munich.« Die Tiroler Behörden wissen also spätestens jetzt, dass das Virus bereits seit Ende Februar in Ischgl im Umlauf ist. Und: Die Isländer listen in der E-Mail auch alle fünf Hotels auf, in denen sich die isländischen Gäste aufgehalten haben.51

      Zunächst geschieht nicht viel. Ein eigens einberufener Krisenstab tagt in Ischgl – vertreten sind die Größen der Hotellerie und der Seilbahngesellschaft, der Gemeindearzt und die Polizisten des Ortes. »Vom TVB (Tourismusverband) konnten 14 Hotels, welche zu dem in Frage kommenden Zeitraum Isländer beherbergt hatten, ausfindig gemacht werden«, protokollieren die Beamten. »TVB Mitarbeiter werden persönlich die Hotels informieren, bzw. dort Nachfrage halten. Die Polizei wird dann in zivil die Gästeblätter abholen.«52

      Aber in den genannten Hotels wurde nur eine einzige Mitarbeiterin ergebnislos getestet, nirgends wurde die gesetzlich geforderte Quarantäne verhängt. Selbst nachdem am 7. März ein Barkeeper im »Ibiza der Alpen« positiv getestet wurde, teilte Tirols Landessanitätsdirektor Franz Katzgraber mit, es erscheine »wenig wahrscheinlich, dass es in Tirol zu Ansteckungen gekommen ist«. Die Touristen aus Island hätten sich wohl im Flugzeug angesteckt – das war schon allein aufgrund der Inkubationszeit erkennbar falsch. Auch eine Übertragung des Virus »auf Gäste der Bar ist aus medizinischer Sicht eher unwahrscheinlich«. Besorgten Hoteliers wurde versichert, dass kein Risiko bestünde.

       Aus Urlauberwelle wird Coronawelle

      Am selben Tag – es ist Samstag, 7. März – reisten mehr als 100.000 Urlauber aus den Tiroler Wintersportorten ab, ebenso viele kamen an. Busse und Sammeltaxis brachten wieder 10.000 nach Ischgl. Informationen über Infektionsgefahren gab es nirgends, erzählen die Touristen. Das Partywochenende in Ischgl, in Sölden, am Arlberg und im Salzburger Land konnte wie geplant starten. Alle Skilifte, Hütten und Bars waren offen. Der Tourismusverband Paznaun-Ischgl versandte am Abend eine E-Mail an alle Hotels, in der die falsche Darstellung, dass sich die infizierten Isländer im Flugzeug angsteckt hätten, wiederholt wurde.

      In den Bars mussten sich die Kellner weiter mit Trillerpfeifen den Weg durch die Menge bahnen. »Wir haben getanzt, geschmust und aus denselben Gläsern getrunken«, erzählt ein deutscher Urlauber, dessen Freund inzwischen an Covid-19 gestorben ist. Mitarbeiter einiger Hotels berichten, dass sie die Anweisung erhalten hatten, bei Grippesymptomen ausschließlich den Gemeindearzt Andreas Walser aufzusuchen.

      »100, 200 Mitarbeiter waren da schon bei mir«, berichtet Walser. »Da standen Hunderte vor der Praxis und wollten sich testen lassen«, erzählt dagegen ein Mitarbeiter, »der Doktor hat niemanden drangenommen.«53 Schließlich habe der Gemeindearzt am Ohr Fieber gemessen und ihm eine Bescheinigung ausgestellt, dass er sich bester Gesundheit erfreue und »es keinerlei Kontakt mit Covid-19-getesteten Personen gab«.

      Eine Restaurant-Mitarbeiterin berichtet, dass allein in ihrem Gasthaus fünf Mitarbeiterinnen schon Anfang März erkrankt waren. Der Gemeindearzt habe bei der ersten Betroffenen lediglich Bettruhe verordnet, die habe dann weitergearbeitet und alle anderen angesteckt.54

      Doch allmählich scheint das Raunen um die Epidemie Ausmaße angenommen zu haben, sodass es die Verantwortlichen nicht mehr wegschieben können. Am 8. März entsendet die Tiroler Landessanitätsdirektion Ärzte nach Ischgl, um dort zu testen – allerdings nur ausgewählte Personen. Immer noch geben die Behörden öffentlich

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