Schirach. Oliver Rathkolb

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Schirach - Oliver Rathkolb

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beim Bund organisiert.136 Bei einigen Wahlen konnte der NSDSTB aber durchaus größere Stimmenzuwächse verzeichnen – etwa an den Universitäten in Greifswald und Erlangen im Wintersemester 1929/30 mit mehr als 50 Prozent, in Kiel erlangte der NSDStB beachtliche 33 Prozent.137

      Doch Schirach war, das sollte sich bald zeigen, an klassischer Hochschulpolitik nicht wirklich interessiert, sondern versuchte, die Studenten als Wählergruppe insgesamt für die NSDAP zu erobern. So organisierte er eine Großveranstaltung, um Adolf Hitler in das akademische Milieu einzuführen. Inzwischen hatte er auch selbst schon einige Erfahrung als Redner gesammelt und inszenierte sich durchaus bereits als »Diva«: So gab es bei manchen Veranstaltungen sogenannte »Bedingungen für Schirach-Versammlungen«: »Es ist dafür zu sorgen, daß Pg. von Schirach nach der Rede nicht von jedem Pg., der hierzu Lust verspürt, befragt werden kann […] Pg. von Schirach ist stets in einem Hotel unterzubringen. Unterkunft im Privatquartier bedarf ausdrücklicher vorheriger Zustimmung.«138

      Trotz der ideologischen Nähe blieben viele »Alte Herren« in den Korporationen, die den politischen Parteien im Allgemeinen grundsätzlich ablehnend gegenüberstanden, auf Distanz zur NSDAP-Führung. Auch mit Schirach gab es immer wieder Konflikte, da er selbst keiner Verbindung angehörte. Schirach gelang es aber trotzdem, immer mehr junge Korporierte auf die Seite der NSDAP zu ziehen, 1929 hatte der NSDStB bereits in 170 Verbindungen Mitglieder. In den Jahren 1930/31 eroberte der NSDStB an elf Universitäten die absolute Mehrheit und wurde an zehn Hochschulen stärkste Fraktion.

      Im Zeitraum Herbst 1930 bis Frühjahr 1931 gab es dann einen massiven Konflikt in München zwischen dem »Münchner Studenten-Convent« und Schirach, aber auch der NSDAP-Reichsleitung: Wilhelm von Holzschuher, der Sekretär des Untersuchungs- und Schlichtungsausschusses der NSDAP, war Mitglied der schlagenden Burschenschaft »Corps Franconia« und lehnte die Duellforderung eines anderen Mitglieds in diesem Corps ab. Schirach wurde – nach eigenen Angaben139 – ebenfalls zum Duell gefordert, da er das Corps kritisiert hatte. Angeblich nahm Schirach die Forderung an, bestand aber auf Pistolen.

      Gleichzeitig versuchte seine spätere Frau Henny Hoffmann durch direkte Intervention bei Hitler, dieses Duell zu verhindern. Schirach wiederum stoppte die Publikation des Duellverbots durch Hitler im Völkischen Beobachter, dem Zentralorgan der NSDAP, um in den Kreisen der waffentragenden Corps sein Gesicht zu wahren. Letztlich wurde diese Auseinandersetzung aber auf höchster Ebene und durch das Einschreiten von Hitler und seinem Stellvertreter Rudolf Heß niedergeschlagen.140 Schirach wurde aber zu einer bedingten Strafe von sechs Monaten Festungshaft verurteilt, da er gegen § 201 des Strafgesetzbuches »Annahme einer Herausforderung zum Zweikampf mit tödlichen Waffen« verstoßen hatte. Diese heute absurd klingende Duell-Geschichte und die Reaktion des Staates darauf sind ein anschauliches Beispiel für die rückwärtsgewandten Diskussionen in der Weimarer Republik, die letztlich von den eigentlichen Problemen und den Zielsetzungen der NSDAP in Richtung totaler Machtergreifung ablenkten. Gleichzeitig symbolisieren sie den Versuch, die traditionellen Eliten wie die Corps für den Nationalsozialismus zu gewinnen.

      Kultstätte: Der Ehrensaal der SA mit der »Blutfahne« in der Geschäftsstelle der NSDAP in der Münchner Schellingstraße 50. Foto: Heinrich Hoffmann.

      Eva Braun im »Photohaus Hoffmann« 1930. Braun war seit 1929 bei Hoffmann angestellt und lernte über ihn Hitler kennen. Offiziell blieb sie bis 1945 Angestellte des Unternehmens Hoffmann. Foto: Heinrich Hoffmann.

      Zwar gab es durchaus noch starke interne Widerstände, die sogar in einer von 31 Gruppen unterzeichneten Denkschrift endeten, in der Schirachs charakterliche und organisatorische Fähigkeiten massiv bezweifelt wurden. Diese Intrige organisierte sein Stellvertreter Reinhard Sunkel (1900–1945), der Reichsorganisationsleiter des NSDStB. Hitler schätzte aber Schirachs Fähigkeit, neue bürgerliche Wählerschichten anzuziehen und unter den Studenten Unterstützung zu finden. Daher stellte sich Adolf Hitler ostentativ und mit klaren Worten bei der Versammlung von Studentenführern hinter Baldur von Schirach: »Seit Pg. von Schirach die Führung des Studentenbundes hat, hat er in diesem Sinne unschätzbare Dienste dadurch geleistet, daß in Zeiten allgemeiner Depression und Stagnation immer dieser große Antrieb hineinkam: Es geht vorwärts!

      Wenn der Theoretiker sagt, die NSDAP sei eine oberflächliche Partei, dann kann ich ihm nur antworten: Sie sind eben nur ein Theoretiker. Es handelt sich um eine Feldschlacht und nicht um das Betreiben kriegswirtschaftlicher Studien. Wir haben keine Zeit, Führer zu erziehen, die geistig hoch gebildet sind, denn wir befinden uns in einem Riesenschwung … Pg. von Schirach hat verstanden, auf was es ankommt: ausschließlich auf die grandiose Massenbewegung … Herr Sunkel141, ich bin jetzt das alte Frontschwein, das für seinen Kameraden eintritt und ihn auf Hieb und Stich deckt!«142

      Nach dieser Rede bei der 5. Führerringsitzung am 2. Mai 1931143 brach die Berliner Kritik, die Reinhard Sunkel forciert hatte, endgültig zusammen, der »Rebell« Sunkel wurde aus dem NSDStB ausgeschlossen.

      Schirach hatte nicht nur Sunkel kaltgestellt und durch die Ernennung zum Organisationsleiter neutralisiert, sondern reklamierte auch den Erfolg seines zweiten Gegners, des aus Hamburg stammenden Diplomlandwirts Walter Lienau (1906–1941), für sich. Lienau war – obwohl NSDStB-Funktionär – in Graz beim 14. Deutschen Studententag zum Vorsitzenden gewählt worden. Schirach meldete Hitler diesen Erfolg, der angeblich nur deswegen zustande kam, weil er verzichtet hatte, selbst anzutreten. Schirach hätte aber gar keine Chance gehabt, gewählt zu werden, da er kein Corps-Student war. Lienau hingegen war zeitweise aktives Mitglied beim Kösener Corps Isaria München gewesen.144 Zwar hatte der NSDStB damals nur viertausend Mitglieder, aber bereits 60.000 Wähler unter den rund 120.000 Anhängern der Deutschen Studentenschaft.145 Lienau seinerseits versuchte aber aus Konkurrenzgründen dennoch, Schirach loszuwerden, beschwerte sich bei Heß und stellte am 22. Oktober 1931 sogar einen Ausschlussantrag145, zog sich dann aber aus der Hochschularbeit zurück. So verwirrend waren damals die diversen internen Intrigen in der nationalsozialistischen Studentenorganisation, die Schirach aber geschickt für sich ausnützen konnte.146

       Ein Duell, das nicht stattfindet

      Schirach überlebte politisch auch eine weitere, selbst verschuldete Auseinandersetzung, die fast mit einem Duell geendet hätte – und das noch dazu mit einem alten Freund und Kameraden aus der Zeit der Knappenschaft in Weimar: Hans Donndorf. In der Silvesternacht 1929/30 hatte Schirach die Frau aufgesucht, die Donndorf, inzwischen SA-Mann und Angestellter der großherzoglichen Schatullenverwaltung, heiraten wollte, eine gewisse Elfriede M., und mit ihr geschlafen. Auf die heftigen Vorwürfe seines Weimarer Jugendfreundes reagierte Schirach mit einem Schreiben in zynisch-herablassendem Ton:

      »Du bist scheinbar erzürnt, weil das kleine Mädchen, das Du als Madonna verehrt hast, eine höchst gewöhnliche kleine Katze ist. Daß Du diese Deine Enttäuschung so ungerecht in einen Groll gegen mich verwandelst, ist nun sehr töricht. Schließlich war es ihre Sache und Angelegenheit des Gewissens, ob sie Dir treu war oder nicht. Du warst mit ihr nicht verlobt, so war zwischen ihr und mir keine Schranke. Ich möchte nicht durch diesen Brief den Anschein erwecken, als legte ich der Episode irgendwelche tiefere Bedeutung bei. Für mich war das kleine Mädchen (ich habe sogar ihren Namen vergessen!) eine amüsante Nichtigkeit. Auch für Dich hoffe ich, daß Du so reif werden mögest, daß Du eines Tages über die ganze Angelegenheit so herzlich lachen kannst wie ich.«147

      Donndorf beschimpfte Schirach daraufhin als »Judenjüngling«, dieser wiederum forderte im Gegenzug für diese Beleidigung Genugtuung durch ein Pistolenduell mit dreimaligem Kugelwechsel, das aber zwischen

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