Schirach. Oliver Rathkolb

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Schirach - Oliver Rathkolb

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von Střitež stammte aus böhmisch-österreichischem Uradel. Die »Prinzessin« hielt sich 1893/94 als Gast der jüdischen Familie Todesco in Wien auf und lernte hier den jungen »Buben« Hugo von Hofmannsthal kennen.125 Mit ihm stand sie bis 1924 in teilweise engem Kontakt, die schwärmerische Beziehung zu ihm sollte der Dichter später als »Flirtation« abtun.

      Nachdem sie 1898 im Alter von 33 Jahren den bürgerlichen Münchner Kunstbuchverleger Hugo Bruckmann geheiratet hatte, eröffnete sie im Jänner 1899 im Neubau des Bruckmann-Verlags in der Nymphenburgerstraße 86 ihren Münchner Salon mit einem Leseabend Chamberlains. Elsa Bruckmann war eine sehr kunstsinnige und belesene Frau, die Abende in ihrem Salon – ab 1909 im Prinz-Georg-Palais am Karolinenplatz 5 – wurden zu einer Art von Netzwerktreffen zwischen Künstlern, Literaten, Theaterleuten und Wissenschaftlern, aber auch Politikern und antisemitischen und deutschnationalen Ideologen wie eben Chamberlain. Unter der bunten Schar ihrer Gäste befanden sich so bekannte Persönlichkeiten wie Rainer Maria Rilke, Heinrich Wölfflin, Rudolf Kassner, Hermann Graf Keyserling, Karl Wolfskehl, Ludwig Klages, Harry Graf Kessler, Alfred Schuler, Georg Simmel, Hjalmar Schacht und ihr Neffe Norbert von Hellingrath. Sie alle wetteiferten miteinander auf der Suche nach den Leitlinien und maßgeblichen Inhalten der Moderne in der Phase der ersten Turboglobalisierung.

      Während des Ersten Weltkriegs radikalisierte nun dieser bürgerliche Netzwerkknoten den bereits vor 1914 vorhandenen aggressiven Deutschnationalismus und völkischen Antisemitismus: Die Suche nach einem starken Mann, der Deutschland, aber auch Europa, aus der Krise und Bedeutungslosigkeit führen könnte, trat in den Vordergrund. Dadurch sollte auch die Frage nach der Moderne endgültig geklärt und entschieden werden. So war es kein Zufall, dass Hugo Bruckmann ein früher Verehrer des italienischen faschistischen Diktators Benito Mussolini war – wie übrigens kurze Zeit auch Hugo von Hofmansthal. Dieser entwickelte letztlich seine eigene autoritäre Ideenwelt mit dem Modell einer »konservativen Revolution«, die er bei einem Vortrag in München 1927 vorstellte.

      In der großzügigen Wohnung der Bruckmanns am Karolinenplatz 5 stellte Elsa Bruckmann am 23. Dezember 1924 den erst zwei Tage vorher aus der Festungshaft entlassenen gescheiterten Putschisten Adolf Hitler erstmals ihren Gästen aus der bürgerlichen Gesellschaft Münchens vor. Begeistert erinnerte sich später die Verlegergattin: »Nun trat mir – in der bayerischen kurzen Wichs und gelbem Leinenjöpperl – Adolf Hitler entgegen: einfach, natürlich und ritterlich und hellen Auges!«126

      In diesem kulturellen Umfeld – Elsa und Hugo Bruckmann hatten inzwischen die Vorzeige-NSDAP-Mitgliedsnummern 91 und 92 erhalten – schaffte es Baldur von Schirach, seine persönliche Nähe nicht nur zu Adolf Hitler zu vertiefen. Später zog er aus seiner Studentenwohnung in der Franz-Josef-Straße in Schwabing in eine komfortablere Wohnung bei den Bruckmanns in der Leopoldstraße 10 um, die ihren Salon Anfang 1931 vom Karolinenplatz hierher verlegt hatten. Im dritten Stock des großzügigen Gründerzeitbaus gelegen, bot sich von seinem neuen Zuhause der Blick auf das Münchner Siegestor.

      Die Bruckmanns kannten Baldur von Schirachs Onkel, Friedrich Wilhelm von Schirach, Rittmeister a. D., der nach dem gescheiterten Putschversuch von Hitler und Ludendorff beim Prozess aussagen musste. Als Bezirksführer bei den Vaterländischen Verbänden Münchens hatte er Informationen über den geplanten Marsch auf Berlin des Reichsstaatskommissars Gustav von Kahr sowie zur Verhaftung von General Ludendorff.127 Friedrich Wilhelm von Schirach, der noch im selben Jahr des Prozesses 1924 starb, war in München ein Begriff – auch als Komponist.

      Ein zufälliges Zusammentreffen mit Hitler Mitte November 1927 – an den Hochschulen stand die Wahl der »Allgemeinen Studentenausschüsse« bevor – wurde zum Auslöser für die Karriere Schirachs als Studentenvertreter: Nach einigem Hin und Her ließ sich der »Führer«, der seinen jungen Adepten zu einem Gespräch mit in die Wohnung in der Thierschstraße 41 genommen hatte, zu einem Auftritt vor Studenten im Festsaal des Hofbräuhauses überreden – er würde aber nur kommen, so die Bedingung, wenn der Saal »gut gefüllt« wäre. Schirach hielt Wort: Am 21. November 1927 war der Saal »so überfüllt, daß die Studenten auf den Kachelöfen hockten«.128 Hitler musste sein Versprechen einlösen und sprach zum Thema »Der Weg zu Freiheit und Brot«, der Auftritt wurde zu einem triumphalen Erfolg, und Schirach hatte von nun an bei Hitler einen Stein im Brett: Er war der Mann, der ihm die Studenten gebracht hatte. 1930 konnte Hitler, der anfangs bezüglich der Studenten so skeptisch gewesen war, in der NS-Wochenzeitung Die Bewegung schreiben: »Nichts gibt mir mehr Glauben an den Sieg unserer Idee als die Erfolge des Nationalsozialismus auf der Hochschule.«129

      Im Februar 1928 wurde Baldur von Schirach Hochschulgruppenführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB) in München und leitete daneben auch noch einen SA-Trupp. Ab Juli 1929 übernahm er die Führung des NSDStB. Er gründete überdies 1929 den Akademischen Beobachter, eine Zeitschrift, die im Dezember 1929 eingestellt und durch die Wochenschrift Die Bewegung ersetzt wurde, die ebenfalls nicht lange existierte (bis Mai 1931).130

      Hinter diesen nüchternen Daten zur erfolgreichen Parteikarriere verbergen sich heftige Auseinandersetzungen zwischen Wilhelm Tempel (1905–1983), dem Mitbegründer des NSDStB 1926, der die Reichsleitung übernommen hatte, und Schirach, der, wie erwähnt, die Münchner NSDStB-Hochschulgemeinde (HGM) leitete, die in der kurzen Zeit seit der Gründung bereits drei »HGM-Führer« verbraucht hatte.131 Während der Jurastudent Tempel und seine Gruppe eher auf Aktivismus setzten und sich als »Jugend- und Wehrbewegung« verstanden, die aber abseits von einigen Großversammlungen nicht wirksam wurde, wollte Schirach die kaum sichtbare HGM zu einem »geistigen Mittelpunkt im akademischen Leben Münchens« machen. So ließ er neue Klubräume mit einem Empfangsraum, einer Bibliothek, einem Schlafzimmer für sich selbst, Wohnräume für drei weitere HGM-Funktionäre und einem »Damenzimmer« einrichten.132 Dahinter steckte aber ein massiver strategischer Konflikt, denn Schirach wollte – ähnlich wie die Parteispitze – die NSDAP öffnen und durchaus bürgerliche Kreise ansprechen. Die Gruppe um Tempel hingegen zielte eher auf proletarische bzw. kleinbürgerliche und ökonomisch nicht so erfolgreiche Schichten.

      Dazu gehörte unter anderem auch die zeitgleich im Mai 1928 erfolgte Gründung des »Kampfbundes für deutsche Kultur«, dem auch Schirachs Vater und die Bruckmanns als Proponenten angehörten. Tempel versuchte Schirach loszuwerden und enthob ihn seines Amtes. Längst hatte dieser aber nicht nur die Unterstützung Hitlers, sondern auch jene von Alfred Rosenberg und Joseph Goebbels und ließ sich im Juli 1928 zum neuen Reichsführer des NSDStB wählen.133 Da die Fraktionen in sich total zersplittert waren, entschied Schirach die Wahl mit sechs von 17 Stimmen nur knapp für sich, vier Delegierte votierten für den Dresdner Hochschulgruppenführer Herbert Knabe. Hitler hatte angeblich bei dieser Wahl den Kieler Vertreter Dr. Joachim Haupt forciert und Schirach nur als Stellvertreter gesehen, doch Haupt bekam nur drei Stimmen.134 Tempel selbst hatte zu sehr die Positionen des linken Otto-Strasser-Flügels vertreten, die der Münchner Parteizentrale, aber auch Goebbels in Berlin ein Dorn im Auge waren. Das eigentliche Ziel Hitlers zu diesem Zeitpunkt war bereits die Machtergreifung auf möglichst breiter sozialer Basis und unter Einschluss bürgerlicher Kreise.

      Neben der Hinwendung der Studentenbewegung zu konservativ-bürgerlichen Schichten versuchte Schirach, der selbst keiner schlagenden Studentenverbindung (Korporation) angehörte, den NSDStB in Richtung traditioneller Korporationen zu öffnen.

      Trotz des sehr glücklichen und knappen Erfolges in der Wahl zum Studentenführer nahm Schirach 1928 eine kurze Auszeit von der Politik, um mit seiner Mutter in die USA zu reisen und sie bei Verwandtenbesuchen in Philadelphia und New York zu begleiten. Dort erhielt er sogar von seinem Onkel Alfred E. Norris ein Angebot, in dessen Bank in Manhattan einzusteigen.135 Schirach hatte jedoch längst Gefallen an der Politik gefunden und war trotz des schwachen Wahlergebnisses der NSDAP bei der Reichstagswahl vom 20. Mai 1928 – die NSDAP erreichte nur 2,6 Prozent und zwölf Mandate – nach wie vor ein Anhänger Adolf Hitlers.

      Insgesamt gesehen agierte

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