Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

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Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch

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Ellbogen, bewegte vorsichtig den Arm. „Gebrochen ist er jedenfalls nicht.“ Kopfschüttelnd deutete sie auf das Velociped mit dem riesigen Vorder- und dem winzigen Hinterrad. „Das ist ja lebensgefährlich. Wie können Sie sich auf so was bloß draufsetzen?“

      Wütend stieß Vicenti mit dem Fuß einen Stein zur Seite. „Der ist schuld. Über den bin ich gefahren. Deswegen hat es mir das Vorderrad weggezogen.“ Er lehnte das Velociped gegen einen Laternenpfahl, klopfte den Staub von seiner Hose und musterte Adele besorgt: „Soll ich Sie zu einem Doktor bringen?“

      Sie schob den Ärmel ihrer Bluse hoch und begutachtete den Ellbogen. „So schlimm ist’s nicht. Wird nur einen sauberen Bluterguss geben.“ Sie strich ihren Rock glatt und sammelte den verstreuten Inhalt ihres Korbes ein: zwei Opferkerzen und einen Bund geweihter Palmzweige. „Aber einen Kaffee könnt ich jetzt gebrauchen.“

      „Darf ich Sie ins Kaffeehaus Schimon einladen?“

      „Wär mir schon recht. Und was machen Sie mit dem da?“ Sie deutete auf das Zweirad am Laternenpfahl.

      „Das hol ich später.“

      Sie gingen zum Marienplatz und bogen ein in die Kaufingerstraße. Adele, die immer wieder ihren Arm betastete, sprach kein Wort.

      Vicenti versuchte ein Gespräch in Gang zu bringen. „Das Radfahren bereitet mir viel Freude. Ich bin sogar in den Velociped-Club vom Conrad Gautsch eingetreten. Am Velocipedbergl bei der Maximilianstraße üben wir das Auf- und Absteigen und das Treten den Berg hinunter. Hat man erst einmal die Balance gefunden, ist es ganz einfach. Na ja, nicht immer, wie Sie gesehen haben.“

      „Warum gehn Sie nicht einfach zu Fuß? Vom Rad fallen können Sie dann jedenfalls nicht.“

      „Wenn Sie wüssten, wie schön es ist, wenn einem die Luft um die Nase weht. Aber da sind wir schon.“ Mit einer Verbeugung öffnete er die Tür zum Kaffeehaus.

      Der Garderobier nahm Vicentis Hut und Adeles Korb in Empfang. Ein Ober eilte herbei, geleitete sie an einen freien Tisch und schob Adele den gepolsterten Sessel zurecht. „Gnädiges Fräulein wünschen?“

      „Eine Melange und ein Glas Portwein.“

      „Für mich das Gleiche.“ Vicenti strich über Adeles Arm. „Tut es noch weh?“

      „Geht schon. War wohl mehr der Schreck.“ Sie lehnte sich zurück und betrachtete die funkelnden Lüster, deren Strahlen sich in den Wandspiegeln brachen. Die Seidenvorhänge, die sich an den Fenstern bauschten und den Salon in gedämpftes Licht tauchten. Fast alle Tische waren besetzt, von feinen Damen, die sich die berühmte Ludwigstorte schmecken ließen, von gewichtigen Herren, die dem Wein zusprachen. Leises Plaudern erfüllte den Raum.

      Der Ober, den Rücken servil gebeugt, servierte die Melange in hauchdünnen Tassen, den Portwein in geschliffenen Kristallkelchen.

      Vicenti erhob das Glas und lächelte Adele an. „Auf Ihr Wohl. Ich hoffe, Sie verzeihen mir.“

      „Auf Ihr Wohl. Zum Glück ist Ihnen nicht mehr passiert. Sie hätten sich leicht die Rippen brechen können.“

      „Da haben Sie völlig recht. Das Radfahren ist nicht nur wegen der holprigen Straßen gefährlich. Schlimmer ist, dass wir Velocipedler bei den Münchnern nicht gerne gesehen sind. Stellen Sie sich vor: Neulich hat einer dem Gautsch bei voller Fahrt den Spazierstock in die Speichen gerammt. Der Sturz war mörderisch. Ein gebrochener Arm, ein gebrochener Fuß. Aber reden wir nicht mehr von mir. Was hat Sie in die Herzogspitalstraße geführt?“

      Adele wollte gerade antworten, als ein Mann, das Jackett locker über die Schulter geworfen, die Hand in der Hosentasche, an den Tisch trat. „Herr Vicenti, was für eine Freude, Sie wiederzusehen.“

      Vicenti stand auf und klopfte ihm auf die Schulter. „Ganz meinerseits. Wieder auf der Suche nach einer Skandalgeschichte?“

      „Heute will ich nur ein Glas Wein trinken. Sie glauben ja nicht, wie es zugeht in der Redaktion. Die Meldungen über die neue Polizeiverordnung überschlagen sich. Die dürfte Sie interessieren: Ab heute dürfen Velocipedler nur noch auf breiten Straßen fahren. Erwischt man sie in engen Gassen, ist eine saftige Strafe fällig.“

      Vicenti seufzte. „Statt sich um das Gesindel zu kümmern, das die Straßen unsicher macht, machen sie uns das Leben schwer. Aber darf ich Sie dem Fräulein Spitzeder vorstellen?“ Er wandte sich an Adele: „Fräulein Spitzeder, das ist Herr Vecchioni, der Chefredakteur der Münchner Neuesten Nachrichten“.

      Adele hatte dem Gespräch interessiert zugehört. Konnte nicht schaden, einen Chefredakteur zu kennen. Mit gönnerhafter Geste wollte sie ihm einen Platz an ihrem Tisch anbieten. Doch bei dem abfälligen Blick, mit dem Vecchioni sie musterte, ließ sie die Hand wieder sinken und nickte ihm nur kühl zu.

      „Ich darf mich empfehlen.“ Vecchioni drehte sich um und setzte sich an einen freien Tisch.

      Auch Vicenti nahm wieder Platz. „Merkwürdig. So kurz angebunden kenne ich den Herrn Vecchioni gar nicht. Doch wo waren wir stehen geblieben? Was hat Sie in die Herzogspitalstraße geführt?“

      „In die Kirche wollt ich. Der schmerzhaften Madonna opfern.“

      „Ich bitte Sie! So eine moderne Dame und so ein Aberglaube. Ein kühler Kopf, ein klarer Verstand, darauf kommt es an.“

      „Vielleicht könnte ich Ihren Rat wirklich gebrauchen. Es ist nämlich so …“ Gerade wollte Adele ihm von ihren Geschäften erzählen, als er ihre Hand ergriff und sie schmallippig küsste. Hastig zog sie die Hand zurück. „Lassen Sie uns austrinken, ich hab noch viel zu erledigen.“

      „Wirklich schade, dass Sie schon aufbrechen müssen. Aber dürfte ich Sie einmal zum Essen einladen?“

      „In nächster Zeit bin ich viel zu beschäftigt“, gab sie unwirsch zurück.

      Enttäuscht winkte Vicenti den Ober heran und beglich die Rechnung. Als sie hinausgingen, nickte Adele dem Chefredakteur zu, hochnäsig grüßte er zurück.

      Beim Garderobier nahm Vicenti seinen Hut und Adeles Korb entgegen. „Darf ich Sie noch ein Stück begleiten?“

      „In die Kirche geh ich besser allein.“ Froh, den Notar abgeschüttelt zu haben, ging Adele den Weg zurück zur Herzogspitalstraße. Gerne hätte sie ihn um Rat gefragt. Aber der wollte auch nur das Eine. Genau wie der Kreitner.

      Ein leises Wimmern ließ sie stehen bleiben. Aus einem offenen Fenster drang das Gezänk eines Weibsbilds und übertönte das Geräusch. Dann hörte sie es wieder. Adele trat an einen Haufen Unrat, stieß mit dem Fuß einen Blechkübel zur Seite und bückte sich. Unter verrotteten Lumpen sah sie einen abgemagerten Hund, neben ihm lag ein winselnder Welpe. Adele nahm ein Tuch aus ihrem Korb und schob damit die Lumpen zur Seite. Behutsam zog sie den Hund hervor, setzte ihn auf den Bürgersteig und strich ihm über das verratzte Fell. Dem Hund knickten die Hinterläufe ein.

      Ein Marktweib, die Kraxe voller Krautköpfe, blieb stehen. „Lassens das Viech doch liegen. Lang lebt’s eh nicht mehr.“

      „Das haben wir gleich.“ Ein Bursche, der die Straße entlangkam, griff nach einer Holzlatte, die an der Hauswand lehnte, und holte aus zum Schlag.

      Adele fiel ihm in den Arm. „Das trau dich!“

      „So ein

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