Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch

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Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch

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Schnaps.

      Am Frauenplatz stieß sie die Tür zum „Goldenen Licht“ auf und setzte sich an einen Tisch. „Alois, einen Enzian. Einen doppelten.“

      Alois warf den Lappen hin, mit dem er den Zapfhahn polierte. „Willst wieder anschreiben lassen?“

      „Heut zahl ich gleich.“ Sie kippte den Schnaps hinunter. Wie Feuer brannte er ihr in der Kehle. Brannte sie weg, die Schmach mit dem Kreitner.

      „Bring mir noch einen.“

      „Heut bist aber durstig.“ Alois stellte ihr noch einen Doppelten hin und schlurfte zurück hinter den Tresen.

      „Zum Wohl, du armes Luder!“ Adele prostete dem ausgestopften Hirschkopf zu, der mit glasigen Augen von der getäfelten Wand stierte. Sonst war niemand da zum Anstoßen. Ein paar Männer grölten beim Schafkopf, klatschten die Karten auf den Tisch. Für sie interessierte sich keiner.

      Wie sollte es nur weitergehen? Nur noch vierzig Gulden hatte sie und einen ganzen Monat Mietrückstand beim Bögner. Alles hatte sie dem verranzten Wucherer schon hingetragen: die silbernen Löffel, ihren letzten Schmuck. Und was am schlimmsten war: die goldene Kette, ein Erbstück ihres Vaters. Ganze dreißig Prozent Zins schlug der Blutsauger auf die Auslösesumme. Sie zog die zerknitterten Pfandscheine aus der Tasche, wendete sie hin und her, strich sie mit dem Fingernagel glatt.

      Die Zinsen! Warum war sie da nicht früher draufgekommen? „Alois, setz dich her zu mir. Ich hab eine Idee.“

      Der Wirt ließ sich nieder, zog einen Tabakbeutel aus der Hosentasche, stopfte die Pfeife mit billigem Verschnitt. „Willst doch wieder anschreiben lassen?“

      „Nix da. Pass auf: Wenn du mir zehn Gulden leihst, zahl ich sie dir nach einem Monat zurück und obendrauf noch zwanzig Prozent Zinsen. Ich zahl dir also insgesamt zwölf Gulden zurück. Dann hast zwei Gulden verdient fürs Nixtun.“

      „Eine dümmere Idee hast nicht? Weißt es genau: Ohne Arbeit kein Geld.“

      „Mit Arbeit wirst nicht reich. Spekulieren musst. Probier’s aus. Zwei Gulden kriegst für umsonst. Und wennst mir fünfzig Gulden leihst, kriegst nach vier Wochen sechzig zurück. Nur fürs Hinwarten, dass dein Geld mehr wird.“

      Jetzt brauchte auch der Alois einen Enzian. Seit der neuen Gewerbeordnung kam er auf keinen grünen Zweig mehr. Der amtlich festgesetzte Brot- und Fleischpreis war abgeschafft, die Preise schnellten in die Höhe, Brot und Fleisch waren kaum noch zu bezahlen. Auch die Brauereien verlangten mehr fürs Bier, das sie ihm lieferten. Einen halben Kreuzer musste er aufschlagen auf die Halbe. Die Gäste wichen aus aufs billige Dünnbier. Viel verdient war nicht daran.

      „Geh, Adele, bist doch selber immer abgebrannt. Woher soll ich wissen, dass mein Geld nicht einfach weg ist?“

      „Jetzt sei halt nicht so. Meine Schulden bei dir hab ich allerweil noch bezahlt. Komm, probier’s halt aus.“

      Bedächtig zog der Alois an seiner Pfeife. Zwei Gulden für umsonst, das wär schon was. Die Kinder brauchten dringend neue Schuhe. Beim Jüngsten bohrten sich schon die Zehen durchs Leder. Alois gab sich einen Ruck und ging hinter den Tresen. Auf dem untersten Brett, ganz hinten zwischen den Handtüchern und den leeren Senfgläsern hatte er sie versteckt, die Schachtel mit der letzten Reserve. Er zögerte, dann nahm er zwanzig Gulden heraus und ging zurück an den Tisch.

      „Meine Annamirl darf’s nicht wissen. Weh, du sagst ihr was.“

      Doch die Annamirl hatte ihre Ohren überall. Schon schaute sie durch die Küchendurchreiche. „Loisi, was besprichst mit der?“

      „Pass du lieber auf, dass das Essen nicht anbrennt!“ Er ging zur Durchreiche, zog an der hölzernen Klappe. Wie ein Fallbeil sauste sie herunter.

      Zögernd schob er Adele die zwanzig Gulden hin. „Mehr hab ich nicht. Aber eins sag ich dir: Wennst nicht pünktlich zahlst, dann kannst was erleben.“

      Lächelnd strich sich Adele die Locken aus dem Gesicht. „Wart’s ab.“

      In ihrem Zimmer beim Bögner steckte sie die zwanzig Gulden in einen Beutel und legte vier Gulden von ihrem eigenen Geld dazu. Schob alles tief in die Kommode. An das Geld durfte sie auf keinen Fall heran. Sie zählte die Münzen, die sie für die kommenden vier Wochen noch zur Verfügung hatte. Sechsunddreißig Gulden und zwanzig Kreuzer. So knapp war sie noch nie drangewesen. Nicht einmal in ihrer schlimmsten Zeit in Berlin. Aber wenn sie den Monat durchstand, wäre sie vielleicht aus dem Gröbsten raus. Dann würde sie den Alois ausbezahlen und ihn dazu bringen, dass er es herumerzählte. Dass bei ihr gut zu verdienen war. Und wenn genug Leute Geld bei ihr anlegten, konnte sie die ausbezahlen, die es samt Zinsen zurückwollten. Dann wär Schluss mit der Knauserei. Mit der billigen Wurst, den Fettgrieben, dem billigen Wein, der ihr den Magen versäuerte. Und ein neues Gewand wäre auch wieder drin.

      Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit sparte sie von nun an eisern. Aß in den billigsten Wirtschaften, fütterte den Basti mit Schlachtabfällen, die ihr der Metzger zusteckte. Widerstand der Versuchung, den Laden des Hofschneiders zu betreten und die kostbare Riegelhaube anzuprobieren.

      Genau vier Wochen später klopfte Alois an ihrer Zimmertür. Sichtlich zermürbt von der Angst um sein Geld, stieß er hervor: „Heut auf den Tag genau sind’s vier Wochen. Jetzt zahlst mich aus.“

      Adele zog ihn ins Zimmer. „Setz dich erst einmal hin. Heut bist du mein Gast.“ Sie füllte zwei Becher mit Zwetschgenschnaps. „Prost. Auf unser Geschäft.“

      „Mein Geld will ich und keinen Schnaps.“

      Sie ging zur Kommode und holte den Beutel. Zählte ihm zwanzig Gulden hin. „Da hast sie wieder. Und diese vier Gulden kriegst obendrauf. Genau wie ich’s versprochen hab. Kannst dir leicht ausrechnen, was du verdienst, wennst mir mehr bringst. Und weißt was? Wenn du mir Leute herschaffst, die ihr Geld bei mir anlegen, kriegst zehn Prozent von dem angelegten Geld. Könntest leicht reich werden dabei.“

      „Zehn Prozent für einen jeden?“ Wie im Fieber glänzten Alois’ Augen. „Schlag ein. Ein Teufelsweib bist. Ein echtes Teufelsweib!“

      In seiner Wirtschaft versteckte er den Beutel wieder unter dem Tresen. Ging in die Küche, in der die Annamirl Zwiebeln für eine angebräunte Brotsuppe schnitt. „Du, Frau. Ich hab uns was extrig verdient.“

      Annamirl, erschöpft, weil ihr Jüngster die ganze Nacht gehustet hatte, schaute nur kurz auf.

      Stockend beichtete er. Dass er die Reserve genommen, sie bei der Spitzederin angelegt hatte. Dass sie jetzt reich werden könnten, ohne die Plackerei von früh bis spät.

      Die sonst so gutmütige Annamirl plärrte: „Was hast gemacht? Wo hast es hingetragen, unser Geld? Zu so einer Matz?“

      „Jetzt beruhig dich doch. Weißt selber, dass es mit der Wirtschaft den Bach runtergeht. Und die Kinder? Wenn der Winter kommt, habens nicht einmal ein warmes Sach!“

      Annamirl warf die Zwiebeln ins heiße Fett, dass es nur so zischte. „Du machst ja eh, was du willst.“

      Immer öfter setzte sich der Alois nun zu seinen Gästen. Gab eine Runde aus. Erzählte unter dem Siegel der Verschwiegenheit, was er bei der Spitzederin verdient hatte.

      Die Männer beratschlagten sich. Wenn es beim Alois geklappt hatte, warum nicht auch bei ihnen? Ihren Weibern verheimlichten sie,

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