Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch страница 3
Der Hund machte Sitz und schleckte ihr die Hände ab. Als sie aufstand und ziellos durch die Straßen ging, wich er ihr nicht von der Seite. Doch ein Hund war das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte. Drohend hob sie die Hand. „Hau ab!“ Er jaulte auf und verschwand.
Sie zermarterte sich das Hirn. Sollte sie eine Stelle als Zugeherin suchen? In einem feinen Haus putzen, für einen halben Gulden die Woche? Unmöglich. Ein reicher Witwer musste her. Einer, der was springen ließ.
Vor der Tür zum „Bögner“ stand der Hund wieder da. Wedelte mit dem Schwanz, sprang jaulend an ihr hoch.
„Wenigstens du freust dich über mich. In Gottes Namen, dann kommst halt mit.“
Der Wirt belferte: „Hundsviecher sind verboten.“
„Entweder der bleibt oder ich zieh aus.“
„Dann kostet er aber extrig. Einen Kreuzer die Nacht. Im Voraus.“
Adele warf ihm den Kreuzer hin, ging hinauf in ihr Zimmer und schloss die Tür hinter sich. Sie streichelte den Hund und flüsterte ihm zu: „Weißt was, dich nenn ich Basti.“ Sie streifte die Schuhe von den Füßen und legte sich aufs Bett. Basti sprang zu ihr und schmiegte sich ganz eng an sie.
Schatulle
Nichts wie heim! Jakob Kramer eilte die Rosenheimer Straße entlang, tastete verstohlen nach der prall gefüllten Geldkatze unter seinem Wams. Bei dem Gesindel, das sich in der Stadt herumtrieb, hieß es Obacht geben.
Immer mehr Bauern, Landarbeiter und Tagelöhner strömten nach München. Hofften auf ein besseres Auskommen, ein Sattwerden jeden Tag. Mit der Hoffnung war es schnell vorbei. Arbeit gab es nur zum Hungerlohn, eine Unterkunft schon gleich gar nicht. Die Männer bettelten um eine Anstellung in einer Fabrik. Viele marschierten schon vor Tagesanbruch in die Hirschau. Schufteten in der Lokomotivfabrik in säuregiftiger Luft. Kehrten abends heim und fielen in einer üblen Kammer, zusammengepfercht mit anderen Tagelöhnern, in bewusstlosen Schlaf. Nicht jeder hielt das aus. Manch einer endete als Dieb oder Beutelschneider, lungerte auf der Straße herum, spähte aus, bei wem sich der Griff in die Tasche lohnte.
Kramer durchschritt das Isartor und durchquerte das Tal. Schlängelte sich hindurch zwischen Ochsenkarren und Pferdefuhrwerken, fluchte, als er in einen Kuhfladen tappte. Heftiger Bierdurst plagte ihn. Sollte er auf eine Maß ins Dürnbräu? Zu riskant mit dem ganzen Geld. Er eilte zurück zu seinem Haus am Lueg ins Land. Blickte sich misstrauisch um, stocherte den Schlüssel ins Schloss, trat ein und rief nach seiner Frau: „Agnes, was gibt’s zum Essen?“ Keine Antwort. Bestimmt kniete sie wieder in der Kirche, die bigotte Matz. Fünf elende Jahre war er schon mit ihr verheiratet, der Bauerstochter, die froh gewesen war, doch noch einen Hochzeiter zu finden. Mit schönen Worten und süßem Lächeln hatte sie ihn herumgekriegt. Nach der Hochzeitsnacht war es verschwunden, das Lächeln.
Verdrießlich stieg er die Treppe hinauf in die Schlafkammer, um sein Geld in Sicherheit zu bringen. Rückte schnaufend die wuchtige Eichentruhe von der Wand und löste mit seinem Hirschfänger ein Brett des Dielenbodens. Unter der Diele befand sich, sorgfältig mit einem Tuch ausgelegt, ein Hohlraum. Vorsichtig hob er die silberne Schatulle aus dem Versteck und ließ die Finger über die in Silber geschlagene Figur auf dem Deckel gleiten. Den heiligen Martin, der alles hergegeben hatte für die Armen. Er würde nichts hergeben von seinen Gulden, so wahr er Jakob Kramer hieß.
Er öffnete das Kästchen, setzte sich aufs Bett und dachte mit Grausen an seine Kindheit. Die Geschwister an Auszehrung gestorben, die abgearbeiteten Eltern tot. Als Kostkind hatten sie ihn herumgeschoben. Jeden Tag bei einer anderen Familie essen, jeden Tag bei einer anderen Familie schlafen. Alles hatten sie aus ihm herausgepresst, dem Balg. Stallausmisten, Kühe melken, die schweren Milchkübel schleppen. Und wehe, wenn die Milch überschwappte. Die vernarbten Striemen auf seinem Rücken sah man noch heute.
Dann war der Schmied gekommen. „Schaust kräftig aus, Bub. Wennst hinlangen kannst, dann darfst bei mir anfangen.“
Hinlangen konnte er. Und das Feuer gefiel ihm, in dem er die Eisenstäbe drehte, bis das Metall rot glühte. Glücklich war er, wenn er den funkensprühenden Stab auf den Amboss legte, ihm mit dem wuchtigen Hammer eine Form gab, für Eisenstreben, Türbeschläge, Riegel. Als der Schmied den Schlagfluss erlitt, konnte er die Werkstatt übernehmen. Jeden Kreuzer, jeden Gulden hatte er zurückgelegt, bis das Geld reichte. Für den Kauf von zwei Zimmern in einem Herbergshaus hinten am Gasteig, die er weitervermietete, für gutes Geld.
Er nestelte die Geldkatze vom Gürtel und zog die Gulden hervor. Streichelte jeden einzelnen, flüsterte: „Reich werdets mich machen. Richtig reich.“ Er legte die Münzen in die Schatulle, verstaute diese wieder im Hohlraum, passte das Dielenbrett akkurat ein und wuchtete die Eichentruhe zurück.
Die Haustür fiel ins Schloss. Kurz darauf hörte er die Agnes in der Küche hantieren. Sein Magen knurrte. Er stieg die Treppe hinunter und raunzte an der Küchentür: „Wann gibt’s was zum Essen?“ Missmutig ließ er sich auf die Küchenbank fallen.
„Wirst es noch derwarten können.“
„Wo warst?“
„Geht’s dich was an?“ Agnes rührte den Eintopf um, schnitt Geselchtes klein und gab es in den Kupferkessel. Schöpfte eine große Portion in einen Teller und stellte ihn dem Kramer hin. Der würzige Fleischduft stimmte ihn gleich versöhnlicher.
„Setz dich her zu mir. Pläne hab ich.“
„Wird schon was Gescheites sein!“
„Jetzt hab ich bald das Geld beisammen, dass ich noch ein Zimmer kaufen kann.“
„Kriegst den Wanst immer noch nicht voll?“ Hämisch verzog Agnes den Mund. „Der Pfarrer hat’s auch gesagt: Auspressen tust die Leut. Viel zu viel verlangst für die windigen Zimmer.“
„Und du, von was lebst du?“ Kramer klatschte den Löffel in die Suppe, das Geselchte pflatschte über den Tisch. „Von dem Geld, das ich heimbring!“
Agnes reckte ihr spitzes Kinn. „Eine Schand bist für anständige Christenleut!“
Er sprang auf, zog die Agnes vom Stuhl und drückte sie gegen die Wand. „Wennst das noch einmal sagst, dann bring ich dich um. Ich schwör’s bei Gott: Dann bring ich dich um.“
Er stürmte aus der Tür. Grad zum Fleiß würde er seinen Mietern aufs Dach steigen. In seinem Herbergshaus droben in Haidhausen. Vor allem der Elsbeth, deren Mietzins längst fällig war.
In ihrer zugigen Kammer warf Elsbeth die durchgeschwitzte Bettdecke zurück und würgte grünen Schleim in ein Tuch. Sie wickelte zwei Chinintabletten aus gilbigem Papier und zwang sie mit einem Glas Wasser hinunter. Erschöpft lehnte sie sich ins Kissen zurück und schloss die Augen.
Ihr Emeran fehlte ihr. In der Lehmgrube hatte er gearbeitet, bei Wind und Wetter Ziegel hergestellt. Der