Das süße Gift des Geldes. Bhavya Heubisch
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das süße Gift des Geldes - Bhavya Heubisch страница 7
Adele wischte ihren Teller mit einem Stück Brot aus. „Wie lang beobachten Sie mich denn schon?“
„Ich habe Sie einige Male in der Stadt gesehen. Und dann, wie Sie ins ‚Goldene Licht‘ gegangen sind.“ Er schaute auf den Basti. „Sie mögen Tiere?“
Adele streichelte den Basti, der im schönsten Sitz auf noch ein Bröckerl Blutwurst wartete. „Tiere sind mir das Höchste. Und grad die Hunde. Die sind einem immer treu.“
Tief blickte Vicenti ihr in die Augen. „Es gibt auch Männer, die treu sind.“ Er ergriff ihre Hand, bemerkte die abgekauten Nägel. Ganz so souverän wie sie tat, war sie anscheinend doch nicht. „Dürfte ich Sie einmal zum Essen einladen? Meine Köchin kocht vorzüglich.“
„Vielleicht. Aber jetzt muss ich gehn.“
Zurück in ihrem Zimmer legte Adele den Mantel auf einen Stuhl und griff nach der Dose mit dem Zuckergebäck. So ein notariger Beschützer wär nicht schlecht. Aber wie der sie angeschaut hatte. In seine Wohnung gehen? Niemals. So was wie mit dem Kreitner brauchte sie nicht noch einmal.
Sie zerkrümelte ein Kipferl und ging zu der Voliere, in der eine junge Amsel aufgeregt hin und her hüpfte. Laut tschilpend, einen Flügel abgeknickt, hatte sie den Vogel am Wegrand gefunden, ihn vorsichtig in ein Tuch gewickelt, nach Hause getragen und jeden Tag gefüttert. Mit eingeweichten Brotkrumen und klein geschnittenen Regenwürmern. Bis sein Flügel geheilt war.
Sie stellte die Voliere ans geöffnete Fenster und löste den Haken an der Käfigtür. Lockte: „Komm. Jetzt darfst fliegen. Frei sollst sein.“
Der Vogel hüpfte heraus, setzte sich aufs Fensterbrett, spreizte die Flügel und flog davon.
Knöcherl
Regen, nichts als Regen. In den Straßen stank die Kloake, Ratzenkadaver, die Bäuche aufgebläht, flackten in ausgespülten Rinnen. Wer bei dem Sauwetter nicht aus dem Haus musste, blieb daheim.
Nur der Gerber Hannes huschte durch die Sendlinger Straße. Er schlug den Kragen seiner durchnässten Joppe hoch und wischte sich den Regen aus dem Gesicht. Grad froh war er, dass ihm niemand begegnete. Er war es leid, dass alle sich die Nase zuhielten, wenn er an ihnen vorüberging. Wusste selber, wie pestilenzisch er stank wegen der Arbeit in der Gerberei. Früher hatte er sich noch jeden Abend in den Zuber gehockt, die Haut mit der Wurzelbürste geschrubbt. Das machte er schon lange nicht mehr. Gegen den fauligen Geruch half alles nichts. Sogar aus dem Herbergshaus, wo er sich mit einem Fuhrkutscher ein Bett geteilt hatte, hatten sie ihn rausgeschmissen. Musste jetzt in einem Verschlag an der Kreppe hausen.
Dabei konnte er von Glück sagen, dass er den Milzbrand überlebt hatte. Nur durch Gottes Gnade war das brennende Fieber zurückgegangen, waren die aufgeplatzten Geschwüre grindig abgeheilt. Der Lohmühlenbesitzer wusste genau, was er jetzt an ihm hatte. Denn die wenigen Gerber, die das teuflische Feuer überstanden, waren gegen den Milzbrand gefeit. Starben ihm nicht mehr weg wie die Fliegen. Sogar ein paar Kreuzer mehr zahlte er ihm seitdem. Aber was nützten ihm die paar Kreuzer? Eine Frau würde er nie kriegen. So ein stinkendes Mannsbild? Pfui Teufel!
Hannes betrat die Asamkirche und bekreuzigte sich. Hinter dem Portal starrte ihn die Büste des Luziferischen aus hohlen Augen an. Verzog grinsend die fleischlosen Lippen. Schwang die Schere, bereit, den Lebensfaden verdammter Sünder zu durchtrennen.
Hannes tauchte die Hand ins Weihwasserbecken, bekreuzigte sich noch einmal und ging nach vorn in die Kirchenbank. Sank auf die Knie. „Vater im Himmel, vergib uns unsere Schuld.“ Reuig betete er um die Vergebung seiner Sünden. Schwer glitten die Holzperlen des Rosenkranzes durch seine abgearbeiteten Hände. „Heilige Maria Muttergottes, bitt für uns.“
Was war nur in ihn gefahren? Gestern Nacht, als er ausgerechnet in den Garten der Walburga geschlichen war, um ihrem Huhn den Garaus zu machen? Noch nie hatte ihn jemand erwischt, wenn er Hühner einfing, ihnen ruckzuck den Hals umdrehte, um sie unter den Finsteren Bögen zu verkaufen. Aber das Viech von der Walburga hatte geplärrt wie am Spieß. Wie eine Furie war die Alte aus dem Haus geschossen.
„Elendiger Hühnerdieb, elendiger! Mein letztes Huhn! Verflucht sollst sein bis in alle Ewigkeit. Im Höllenfeuer sollst schmoren bis zum Jüngsten Tag!“
Vor lauter Schreck hatte er das halbtote Huhn fallen lassen, war gerannt, so schnell er konnte. Ein Fluch von der Walburga wog schwer. Wusste doch jeder, dass sie eine Hex war. Mit ihren Kräutern, die Wunder bewirkten. Hatte sie nicht auch bei ihm ein Wunder vollbracht? Als sie ihm wegen dem Milzbrand das Bein abnehmen wollten, das brandig verfärbte? Tagelang hatte Walburga ihm breiige Umschläge aufgelegt, Gebete gemurmelt, ihm bittere Tränke eingeflößt. Bis er gesund war. Und jetzt verdammte ihn ihr Fluch.
Sein Blick fiel auf den Seitenaltar. In dem gläsernen Sarkophag ruhte, gebettet auf Spitzenkissen, das Skelett des heiligen Viktor. Hannes stand auf und besah sich den Heiligen genauer. Das fleischlose Gerippe, sorgsam umwickelt mit brokatenen Bordüren, und das eingetrocknete, mit einem Krönchen verzierte Haupt, ruhten friedlich auf dem Kissen. Um die Fingerglieder wanden sich glitzernde Perlenketten, um die Beine zart gehäkelte Goldfäden.
Hannes stutzte. Mit dem großen Zeh stimmte was nicht. Ganz komisch stand er ab, nur ein dünner Silberdraht hielt ihn noch am Fuß. Hannes blickte sich um. Der Mesner, vorhin noch mit den Altarkerzen beschäftigt, war in die Sakristei verschwunden. Hannes stieg auf den Altartisch, zog sein Taschenmesser aus der Hose, klappte es auf und schob die Klinge vorsichtig in die goldene Lötnaht des Sarkophagdeckels. Drückte ein bisschen nach, nackelte ein bisschen herum, dann ging es ganz leicht. Er hob den Deckel, beugte sich in den Sarkophag, drehte am Zeh, löste ihn und nahm ihn an sich. Klappte den Deckel leise zu und sprang vom Altartisch herunter.
Ehrfürchtig betrachtete er die Kostbarkeit. Wenn man durch die Heilige Wandlung und den Verzehr einer Hostie göttliche Gnade erlangen konnte, dann bestimmt noch mehr durch den Zeh eines Heiligen. Entschlossen steckte er den Zeh in den Mund, schob ihn mit der Zunge von einer Backe zur anderen, dann biss er kräftig zu. Bekreuzigte sich und schluckte den Zeh hinunter. Spürte sofort: Er würde der himmlischen Seligkeit teilhaftig. Voller Inbrunst gelobte er: Nie mehr würde er den Armen etwas wegnehmen, nur noch den Reichen.
Mit den besten Vorsätzen machte Hannes sich auf zu seiner Arbeit in der Gerberei. Mit einem Schaber kratzte er Fleischreste von den Tierhäuten. Vorsichtig, damit sie keine Risse bekamen. Er wuchtete die Häute in den Kälkbottich, tauchte sie mit einem Holzprügel ein in die ätzende Brüh. Er schabte, rührte, stundenlang. Streckte den wundgearbeiteten Rücken. Für heute war Schluss. Wässern und aufspannen würde er die Häute morgen.
Er zog den Lederschurz aus und zwängte die aufgequollenen Füße in derbe Holzschuhe. Nichts wie weg! Hin zu seinen Kumpanen unter den Finsteren Bögen. Jeden Abend traf er sie, die Bettler, Säufer und Krüppel, die mit ihrem Diebesgut prahlten. Es verschacherten an die Hehler, die dort ab Einbruch der Dunkelheit herumschlichen. Von den Ausgestoßenen störte sich keiner an seinem Gestank.
„Da, nehmts.“ Hannes knöpfte die Enden des zerschlissenen Tuchs auseinander.
Gierig stürzten sich die Bettler auf Wurstzipfel, Knochen zum Abfieseln und die Brotkanten, die Hannes hinter einer Wirtschaft aufgeklaubt hatte. „Und? Gibt’s was Neues?“
„Könnt schon sein.“ Der Krüppel, der seinen Armstumpf jeden Tag vor der Frauenkirche in die Höh reckte, raunte: „Vom ‚Goldenen Licht‘ kommt immer eine heraus. Mit einem Korb in der Hand. Rat einmal, was in dem drin ist.“
„Jetzt