Tatort Heuriger. Sabina Naber

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Tatort Heuriger - Sabina  Naber

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so viel Salz ist um mich herum.

      Aber wie sollte ich in ein Bergwerk gekommen sein?

      Nein, ich befinde mich in einem Fass.

      In einem Salzfass.

      Nicht in einem dieser Salzfässchen, wie sie auf den Tischen der pipifeinen Restaurants rumstehen, denn da würde ich wohl kaum reinpassen, sondern in einem richtigen Fass. Und was ist noch in dem Fass, außer mir?

      Richtig, Salz.

      Salz, Salz, Salz.

      Wäre ich ein Kumpan von vor zweitausend Jahren, ich wär reich.

      Hätte aber auch nichts mehr von meinem Reichtum.

      Außer dass ich mich konserviere.

      In Salz eingelegt.

      Gepökelt.

      Heißt pökeln in Salz einlegen?

      Ich weiß es nicht.

      Ich weiß es nicht mehr.

      Dabei wusste ich so was mal. Solche Dinge wusste ich. Ich vergesse in letzter Zeit recht viel, mir schwindet der Verstand, möchte man fast sagen. Plötzlich weiß ich nicht mehr, was der Fachbegriff für »in Salz einlegen« ist. Kommt auch nicht mehr zurück. Was einmal verloren ist, ist weg.

      So scheint es.

      Wie ich.

      Aber wissen Sie, was der Witz ist?

      Nein, nicht dass ich Sie anspreche, obwohl Sie mich gar nicht hören können, nein. Dass ich in Salz eingelegt wurde, damit ich mich besser halte. Damit ich nicht verfaule.

      Und warum soll ich nicht verfaulen?

      Damit ich nicht stinke, so einfach ist das, denn das Fass, in dem ich mich befinde, steht eigentlich ganz idyllisch – kann man nichts sagen, da hätte ich es schlimmer treffen können – als dekorativer Stehtisch im Schatten einer uralten und windschiefen Akazie im Hof eines Wiener Heurigen. Kennen Sie Pötzleinsdorf? Da gibt es einen Heurigen, Pötzleinsdorfer Straße, den Heurigen Pötzleinsdorf, sehr nett, kann man nichts sagen, noch so einer vom alten Schlag, einer, der sich noch nicht dem Massentourismus mit Pseudo-Biedermeier-Nostalgie anbiedert. Und da ja jetzt so langsam die Schanigartensaison starten dürfte, darf ich natürlich nicht stinken in meinem Fass, wo doch direkt daneben der Wein die Kehlen hinuntergeschüttet und die Sonne genossen wird, von der ich wohl kaum was mitbekommen werde, ich sehe sie ja nicht. Ob sich mein Salz dazu erwärmen wird, sich für mich zu erwärmen?

      Man weiß es nicht.

      Ich weiß es nicht.

      Und dann schmettern die Touristen aus Deutschland, ja, genau, die Piefke, ihre Sauflieder in den Himmel, dass einem der Schauder den Rücken hinabläuft.

      Nein, das tut es nicht, wie auch, ich habe ja keinen Rücken mehr. Keine Ahnung, wo mein Rücken geblieben ist. Schon seltsam, sein Leben lang ist man ein ganzer Körper, und dann, wenn plötzlich nur mehr der Kopf übrig ist, spricht man von sich doch immer noch als von etwas Ganzem. So, als wäre der Rest nicht wichtig gewesen. Aber vielleicht war der Rest ja auch nicht wichtig. Rücken, wozu? Um Rückenschmerzen zu haben? Und dieses ewige Rumgeeiere, man müsse Rückgrat haben. Nein, muss man nicht. Köpfchen muss man haben, darauf kommt es an. Und ohne Nieren, die Steine ansetzen, oder Leber, die fett wird, oder Herz, das entweder zu schnell oder zu langsam oder gar nicht schlägt, lebt es sich ganz gut. Außer natürlich … Geht es doch ganz gut.

      Wenn ich allerdings Hände hätte, die an Armen wären, könnte ich mir das Salz aus dem Mund schaufeln und schreien, die Trunkenbolde da draußen sollten doch endlich ihre Klappe halten. Da freut man sich, dass man nicht in einem dieser unsäglichen Touristenheurigen in Grinzing gelandet ist, und was passiert? Der Geheimtipp aus dem Achtzehnten wird plötzlich entdeckt. Von wem? Von allen. Wahrscheinlich fühlt sich mal wieder einer dieser unaufgefordert fleißigen Reiseführerautoren gemüßigt, den lieben Gästen aus aller Herren Länder die bisher unentdeckten Seiten Wiens aufzuschwatzen. Und schon rennen sie hin, die braven Touristen, denn sie wollen ja immer das Exklusive und wissen dabei nicht, dass es gerade dadurch jede Exklusivität verliert. Und die Einheimischen flüchten. Zum nächsten Geheimtipp, den sie nur unter der Hand weitergeben, bis …

      Dabei darf ich nicht meckern, ich bin doch auch kein Einheimischer. Ich wär gern einer, ich würde gerne als ein solcher angesehen werden. Das passiert aber nicht, da mach ich mir nichts vor. Wenn ich besoffen bin, rutsche ich in so eine Art pseudowienerisch. Aber der Wiener erkennt mich als das, was ich bin. Ein Ausländer. Ein Alien. Ein Fremdkörper. Einer, der auf keinen Fall Kenntnis vom neuesten Geheimtipp hätte erlangen dürfen.

      Aber nun kann ich mich nicht mehr besaufen. Selbst wenn einer der Betrunkenen draußen eine ganze Flasche Wein über meinem Fass ausleert und der Wein durchsickerte, das Salz würde verhindern, dass auch nur ein Tropfen meinen Gaumen benetzte.

      Und dabei bin ich so durstig.

      Komisch, dass man als Kopf durstig sein kann, nicht? Da ist ja kein Körper, der noch Flüssigkeit bräuchte. Phantomdurst. So wie die Phantomschmerzen. Mein ganzer Körper schmerzt. Egal, wo er gerade ist. Ich nehme mal an, er ist gerade an vielen verschiedenen Orten, denn wozu sollte man den Kopf abtrennen, wenn man dann den Rest beisammen lässt. Und das ist schon seltsam, nicht zu wissen, wo Arme und Beine geblieben sind. Vielleicht liegt ja mein rechter Fuß im Fass nebenan. Oder aber er treibt gerade die Donau hinunter und landet dann im Meer. Welches Meer ist das nochmal? Das türkische Meer? Es ist mit Sicherheit nicht das türkische Meer, aber es fällt mir jetzt nicht ein, wie dieses Meer heißt, in dem mein Fuß rumplanscht. Und meinem Fuß ist es auch egal, wie es heißt, der hat’s gut, lässt sich von den Fischen und den Krabben anknabbern, bis er nur mehr Knochen ist.

      Die Frage aber, die Sie sich jetzt wahrscheinlich stellen, ist, wie ich, respektive mein Kopf, in dieses Fass im Heurigen Pötzleinsdorf gekommen bin.

      Die Frage hingegen, die ich mir stelle, ist, wie es möglich ist, dass ich Ihnen diese Frage stelle. Und sei es auch nur hypothetisch, da ich ja weiß, dass Sie mich nicht hören können. Aber irgendeinen Gesprächspartner muss man sich ja suchen, so auf Dauer.

      Mit anderen Worten: Ist es wirklich so, dass ein von seinem Körper abgetrennter Kopf noch lustig vor sich hindenken kann?

      Und was bedeutet das? Für mich. Und für Gott.

      Heißt das, ich werde bis in alle Ewigkeit hier rumliegen und denken und denken und denken? Und genervt sein von grölenden Touristen? In der Hoffnung, dass ­irgendwann irgendwer auf die Idee kommt, mein Fass, weil es im Weg steht, umzustellen, dann fällt es hin und ich kullere raus. Mein Kopf kullert raus.

      Und wenn dem so ist, heißt das, es gibt ein Leben nach dem Tod? Oder ist das, was ich hier tue, nicht das, was man gemeinhin unter Leben versteht? Nein, ist es nicht. Und doch, es wirft ja die Frage auf nach dem Dings, wie heißt das jetzt gleich?, diese besondere Art von Koma, wo man in seinem eigenen Körper gefangen ist, alles mitbekommt, aber niemand sonst bekommt mit, dass man ­alles mitbekommt. Das ist doch auch Leben, nein? Und alle, die tot sind und von denen noch ein paar Überreste vorhanden sind, befinden sich in diesem Zustand? Das ist ja schrecklich. Die alten Mumien? Seit Tausenden von Jahren denken die so vor sich hin? Und haben nichts davon? Denken die toten alten Ägypter eigentlich dann in Hieroglyphen? Wäre interessant, es gibt ja nicht unbedingt alt­ägyptische Zeichen für alles, was es gibt. Jetzt, meine ich. Was es damals

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