Tatort Heuriger. Sabina Naber

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Tatort Heuriger - Sabina  Naber

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Die Demenz.

      Was war da?

       Da hat sie auf jeden Fall noch was mitgekriegt, da warst du auch nicht da. Da hättest du doch mal vorbeischauen können, Hallo sagen, sie trösten, dass sie nach und nach ihren Verstand verliert, nicht mehr weiß, wo sie ist und wer sie ist und wer du bist.

      Eben, wenn sie eh nicht mehr wusste, wer ich bin, wozu also.

       Hier geht es nicht um sie, du Tropf, hier geht es um dich, ich bin dein Gewissen, das zu dir spricht, und ich mach dir ein schlechtes. Und das ist erst der Anfang, nur dass du’s weißt.

      Na super.

       Na servas.

      Du gehst?

       Ich komm wieder.

      Nicht zu bald.

      Ja, da fragt man sich schon, was das noch so alles auf Lager hat, das Gewissen, das blöde. Und ich kann mir nicht einmal gegen den Schädel schlagen, um sie loszuwerden, die Stimmen, die ich hör.

      Ich höre Stimmen.

      Ist das jetzt gut oder schlecht?

      Immerhin bin ich dann nicht allein.

       Ach so, ich bin’s noch mal, dein Gewissen: Ja, wir können gerne reden, aber ich werde dir auch weiterhin nur Zeug sagen, das du nicht hören willst. Und jetzt: Ade.

      Ade?

      Na dann.

      Stimmt. Ich habe sie alleingelassen und lustig war das sicher nicht und …

      Was heißt denn hier allein? Meine Mutter war da und …

      Mistviech Gewissen, das weiß echt, wo es einen packen muss.

      Was anderes denken, schnell, jetzt.

      Das muss komisch sein, wenn da wer zur Tür reinkommt und dich begrüßt, als würde er dich kennen, und du hast keine Ahnung, wer das ist. Vielleicht hast du das Gefühl: Ja, doch, kommt mir irgendwie bekannt vor, aber woher nur …

      Aus. Ausausaus.

      Hey, Piefke, singt doch nochmal euer lustiges Lied, lenkt ab, das lenkt mich ab.

      Nein, jetzt seid ihr natürlich still und leise und gesittet.

      Danke auch.

      Sing ich eben selber.

      Wie geht die Melodie nochmal? Ein Prosit, ein Prosit …

      Wie geht die Melodie?

      Mist. Weg.

      Meine Großmutter hat immer dieses Lied mit der Reblaus gesungen. Das fand ich gut. Das war ein Wienerlied, nicht? Ich glaube schon. Das hat sie mir immer vorgesungen und dann hat sie mit ihren Fingern durch meine Haare gekribbelt. Irgendwas mit einer Reblaus.

      Ich will jetzt bitte nicht mehr an meine Oma denken müssen, bitte, danke.

      Oder an meinen Tod.

      Wo wir gerade dabei sind.

      Kann mir gestohlen bleiben, mein Tod, das Thema ist für mich gestorben.

      Mein Ableben.

      Ableben, naja, mein Dahinnippeln, mein Abkratzen, mein gewaltsames Zu-Tode-Kommen. Mein Erschlagenwerden.

      Mit einem Spaten hat er mich in den Rücken geschlagen, Heinrich, in den Rücken, da war das Dings natürlich futsch, das, was durch das Dings geht. Wie heißt denn das jetzt, wo der Rücken in der Mitte zusammenkommt, die Knubbel. Wo da was durchgeht, damit der Fuß weiß, was der Kopf denkt. Wenn er noch angeschlossen ist, der Fuß. War er nicht mehr. Nichts mehr. Verbindungen gekappt.

      Er hätte mir ja auch auf den Kopf hauen können, aber nein, in den Rücken. Da habe ich noch röcheln dürfen, wie er sich über mich gebeugt hat und mich angeschaut hat und mich angespuckt hat. Ich wusste gar nicht, dass der so eine feuchte Aussprache hat, der Heinrich, war aber vielleicht auch die Rage. Sonst hätte er wohl auch nicht gleich so fest zugeschlagen mit dem Spaten. Und das war ja dann auch Pech, dass es gerade ein Spaten war, denn er hatte das ja durchaus nicht geplant, mich umzubringen, das war also kein heimtückischer Mord, der Spaten stand da rum, rostig und schwer. Wäre es ein Stück Holz gewesen, ich hätte einen blauen Fleck davongetragen und wir hätten uns versöhnt und würden jetzt zusammen einen Wein trinken. Stattdessen hat er mich verhöhnt und mich, noch halb lebend, zum Auto geschleppt und die Weinstöcke wischten kahl und trocken an mir vorüber.

       Das hast du davon, wenn du immer nur raunzt.

      Ich raunze nicht, ich klage an.

      Wann ich dann tatsächlich gestorben bin, weiß ich gar nicht mal. Das war eher ein fließender Übergang. Irgendwann war halt das Leben vorbei und das Denken ging weiter.

      Nur das Absäbeln vom Kopf hat zumindest nicht wehgetan. Nicht körperlich.

      Mit der Handsäge.

      Da hab ich gewusst, ja, jetzt bist du tot.

      Tot und …

      Tot.

      Wo war ich?

      Was bin ich?

      Tot.

      Und der Tod ist eine Strafe.

      Nein, nicht der Tod ist die Strafe, das Salz, das mich Dings, wie heißt das? Frisch hält.

      Und dass Heinrich mich angespuckt hat, das auch. Aber mehr innen drin. Seelisch.

       Da hast du deinen traditionellen Heurigen.

      Ich bin sehr müde.

      Und der Streit war ja auch ein harmloser.

      Wir haben gestritten, weil …

      Weil Heinrich gemeint hat, dass das nicht so ist, wie ich sage. Und ich habe gesagt, dass …

      Ja, dass ich auf keinen Fall zu einem Heurigen will, in dem sich die Wiener aufführen wie notgeile Nutten. Und er: … Das weiß ich nicht mehr. Und ich: Aber im Achtzehnten, da gibt es einen netten, zu dem will ich. Und er: Dann müssen wir in die Stadt und rüber und wieder rauf. Und ich: Aber das lohnt sich. Und er: Warst du schon mal da? Und ich: Ich hab davon gelesen. Und er: Ich setz mich jetzt an den nächsten Tisch, der mir über den Weg läuft. Und ich: Aber da sitzen schon die Touristen. Und er: Ich scheiß dir was auf die Touristen. Und ich: Die machen alles kaputt. Und er: Aber die bringen Geld. Und ich: Das brauch ich nicht. Und er: Bist ja selber kein Wiener. Und ich: Bist ja auch selber kein Wiener. Und er: …

      Und er hat dann gesagt …

      Er hat mir gesagt, dass …

      Ich habe mich dann umgedreht und wollte weg, und dann …

      Dann

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