Hannibal Mayer - Der Zug der Elefanten. Fabian Vogt

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Hannibal Mayer - Der Zug der Elefanten - Fabian Vogt

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erzählt mir gerade, dass wir drei allein mit hundert Elefanten losziehen sollen. Und ich dachte die ganze Zeit, es ginge um ein riesiges Team, in dem ich mitarbeiten soll.«

      »Das habe ich nie gesagt.«

      Das stimmte.Trotzdem hatte ich mir in meinem Kopf ein ziemlich klares Bild von dieser Expedition gemacht. Es sollte noch lange dauern, bis ich wirklich begriff, dass man als Europäer niemals glauben darf, man verstünde Afrika. Jetzt jedenfalls war ich ziemlich wütend. »Aber es ist doch völliger Irrsinn, mit drei Leuten so ein Ding durchzuziehen. Ich bin davon ausgegangen, dass wir eine große Mannschaft haben. Begleitfahrzeuge. Security. Futtermittel. Zelte. Generatoren.Tierpfleger. Ärzte. Kamerateams. Na, alles, was man braucht, um einen Kontinent zu durchqueren.Wir sind doch nicht drei Tarzans, die mal eben mit Lendenschurz und guter Laune den Dschungel unsicher machen.«

      Hannibal atmete einmal tief ein und aus. Dann hob er lässig die rechte Hand, als wolle er einen Eid leisten. »Hey, Fabian.Wir haben alles, was man braucht, um einen Kontinent zu durchqueren. Bongani kann Tiere und Menschen heilen. Er hat siebzehn Jahre in einem Krankenhaus gearbeitet. Ich kann planen und schießen.« Er hob seine Jacke hoch und zeigte mir zwei Revolver in seinem Gürtel, die ich vorher an ihm nicht bemerkt hatte. »Und du kümmerst dich um die Kontakte zur Presse und …« Er deutete auf meine Martin-Gitarre, die ich auf Reisen immer mitnehme. »… um die Unterhaltung.«

      Ich lief aufgeregt hin und her. »Ganz langsam. So geht das nicht. Öffentlichkeitsarbeit ist doch kein Spiel. Das muss hochprofessionell angegangen werden.«

      Weil die beiden mich verständnislos ansahen, versuchte ich, es ihnen anders deutlich zu machen. »Zum Beispiel:Wer finanziert das Ganze? Wer ist der Sponsor?«

      Bongani streckte mir die Hände entgegen. »Wovon redest du?«

      »Wovon ich rede? Irgendjemand muss diese Tour doch finanziell unterstützen. Ihr wollt mit hundert Elefanten eine einjährige Reise unternehmen und habt keinen Sponsor?«

      Hannibal schüttelte den Kopf.

      »Ich fass es nicht. Das meint ihr doch nicht ernst. Ich sage euch eines: Mit dieser Tour könnten wir alle reich werden. Es gäbe bestimmt genügend große Firmen, die sich die Finger danach schlecken würden, so ein medientaugliches Abenteuer finanziell und werbetechnisch zu unterstützen. Denkt nur an all die Marken und Unternehmen, die mit Elefanten zu tun haben: Benjamin Blümchen. Dumbo. Babar. Die Sendung mit der Maus. Die Ottifanten. Elefantenschuhe und, und, und. Das meine ich mit Öffentlichkeitsarbeit. Wir könnten wahrscheinlich sogar Mercedes als Partner gewinnen, die Telekom, die Allianz oder die Deutsche Post mit Thomas Gottschalk, ja, auch Haribo, die könnten eine extra Sorte grauer Gummielefanten erfinden, den World Wide Fund for Nature … Wir bräuchten außerdem einige prominente Paten: Michael Douglas, Gerhard Schröder, Karl Dall, was weiß ich. Ein Schirmherr wäre auch gut, vielleicht ein Nachfahre von Grzimek oder Alfred Brehm. Begreift ihr nicht, welche Möglichkeiten in alldem stecken?«

      Ich steigerte mich immer mehr hinein. »Natürlich. Nächste Woche beginnt doch der Weltjugendtag in Köln.Wir haben ja jetzt einen deutschen Papst. Stellt euch vor, wir nennen einen Elefanten Benedikt, den Siebzehnten, machen einen kleinen Umweg über Rom, ziehen auf der Via Apia ein und der Papst persönlich empfängt uns mit den hundert Elefanten auf dem Petersplatz. Dann gibt er uns den Segen ›Urbi et orbi‹. Dadurch bekämen wir schon auf der Strecke jede Unterstützung, die wir nur brauchen, und die Sponsoren stünden Schlange. Ist euch nicht klar, welchen politischen Einfluss wir haben könnten? Hey, wie wäre es damit: Wir verkaufen die Tour als weltweites Signal der Völkerverständigung. Hundert Elefanten vor der Klagemauer - und ein Jude und ein Palästinenser führen symbolträchtig zwei Rüssel zueinander …«

      »Fabian …« Hannibal legte mir sanft die Hand auf die Schulter. »Wir wollen mit dieser Tour weder reich noch berühmt werden. Und es geht nicht darum, was uns das Ganze bringt. Oder ob man damit in die Nachrichten kommt.Wir machen auch keine Politik. Wir wollen einfach etwas tun, was richtig ist.Was für die Welt gut ist. Wir brauchen keine Elefanten mit Adidas-Streifen oder CocaCola-Emblem. Das wäre falsch. Und all die Autos und Kameras, von denen du gesprochen hast, würden die Tiere nur wahn sinnig machen. Abgesehen davon, dass wir Wege benutzen werden, die man nicht mal mit Vierradantrieb schafft …«

      Ich hob wütend die Hand. »Augenblick. Du willst doch Öffentlichkeit. Das hast du mir selbst gesagt. Du willst, dass die Welt über diese Tour spricht. Weil das Sachsen-Anhalt und dem Elefantengehege zu einem guten Image verhilft .«

      Bongani setzte sich auf die Motorhaube. »Du wirst da einen guten Weg finden. Später. Das weiß ich. Aber ich weiß auch, wie wilde Tiere auf Blitzlichter reagieren. Du kannst nicht in jeder Stadt ein Heer von Fotografen auf die Elefanten loslassen. Das hier ist kein Medienfeldzug. Außerdem sind wir nicht naiv. Wir wissen selbst, dass man in vielen Ländern Fernsehsender hätte gewinnen können, die ganze Serien über uns drehen.«

      Ich sprach lauter, als ich wollte. »Genau. Davon bin ich ausgegangen. Von professionellen Medienpartnerschaften …«

      Der Schwarze führte seine Hand zur Brust. »Fabian, das ist nicht unser Weg.«

      »Na hört mal, dann bin ich doch völlig überflüssig.Was soll ich hier, wenn ihr am liebsten unter euch bleiben wollt?«

      Hannibal stützte sich auf die offene Tür des Wagens. »Die Tour miterleben. Du sollst die Tour miterleben.Weil du nur dann darüber authentisch schreiben und berichten kannst. Später. Momentan brauchen wir noch keinen Medienrummel …«

      Bongani kam auf mich zu. »Genau! Das wäre Tierquälerei.Abgesehen davon wäre es auch kein Abenteuer mehr. Stell dir das bitte mal vor: Dutzende von Kamerateams, die jeden Abend in Viersternerestaurants ein mehrgängiges Menü verdrücken und in Nobelhotels übernachten, berichten fröhlich über die ach so unberührten Naturgeschöpfe, unsere Elefanten. Rührend, oder? Nur dass das dann keine echte Natur mehr ist. Es wäre eine künstliche, verfremdete, ja, eine falsche Natur. Eine, die weder uns noch den Tieren gerecht würde. Eine große lächerliche Inszenierung. Ich nenne so etwas immer die Verlogenheit der westlichen Kultur.«

      Hätte ich nicht einen Vertrag von GEO in der Tasche gehabt, ich wäre direkt umgekehrt. So aber stieg ich wieder ein, grummelnd - Richtung Osten.

      Und schon auf dem Weg zu den Elefanten nahmen mich die Wildheit der Landschaft und die Tiere derart gefangen, dass ich für einige Zeit meine Zweifel vergaß. Ob das klug war? Ich weiß es nicht. Zumindest wäre die Tour anders verlaufen, wenn ich an dieser Stelle auf einer professionelleren Vorbereitung bestanden hätte. Doch wer kann sich schon auf Formalitäten konzentrieren, wenn neben der Straße plötzlich eine Straußenfamilie rennt. Zwei Meter groß sprang sie mit federnden Schritten an uns vorbei.

      Kurz darauf erreichten wir den Krügerpark. Und sahen bald auch die berühmten Schilder an der Straße: »Pas op! Olifante is gevaarlik.«

      Afrika.

      Hannibal ließ den Motor aufheulen und wirbelte eine Staubwolke hinter aus auf, als wir das erste Tor passiert hatten. Irgendwo vor uns wartete eine Elefantenherde auf uns.

      Und tatsächlich:Vier Stunden und unzählige holprige Feldwege später stand sie plötzlich vor uns. Shingwezi. Dreieinhalb Meter hoch und wahrscheinlich fünf Tonnen schwer. Sie kam aus einem Wäldchen getrottet und sah uns an. Ganz ruhig.Vorsichtig. Bongani näherte sich der Matriarchin lächelnd und legte ihr zur Begrüßung die Hand ins Maul. Dabei gab er Brummtöne von sich, wie ich sie noch nie gehört hatte.

      Hannibal flüsterte mir zu: »Das ist Infraschall. Elefanten verständigen sich mit Lauten zwischen fünf und achtundzwanzig Hertz. Das

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