Hannibal Mayer - Der Zug der Elefanten. Fabian Vogt

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Hannibal Mayer - Der Zug der Elefanten - Fabian Vogt

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Das finde ich absurd. Oder denken Sie an all die Bungee-Jumper, die Headbanger oder die Teilnehmer von Big Brother. Die wirken auf mich so, als hätten sie nicht mehr alle. Ich dagegen möchte etwas wahrhaft Sinnvolles tun. Und ich sage Ihnen eines: Ein derartiger Zug um die halbe Welt wäre für Sachsen-Anhalt eine unglaubliche Marketing-Kampagne. Unser Bundesland wäre in aller Munde.Außerdem könnte das Elefantengehege gar keinen besseren Start erleben. Sie würden doch auch gern eine Herde sehen wollen, die gerade mehr als zehntausend Kilometer hinter sich gebracht hat, um zu Ihnen zu kommen. Oder?«

      In diesem Moment war ich mir nicht sicher, ob dieser Mann vor mir ein großer Visionär oder einfach ein Wahnsinniger war. Konnte es wirklich gelingen, mit hundert Elefanten eine solche Strecke zurückzulegen? Andererseits: Alle großen Veränderungen und Unternehmungen galten irgendwann einmal als unmöglich. Es braucht immer eine Person, die es wagt, das Unmögliche zu denken und es möglich zu machen. War Hannibal Mayer so jemand? Zumindest leuchteten seine Augen vor Begeisterung - und das gefällt mir grundsätzlich an Menschen.

      Vorsichtig fragte ich: »Was werden Sie jetzt machen?«

      Er hob sein Glas an die Lippen, trank es aus und breitete ein wenig zu theatralisch die Arme aus - so schwungvoll, dass die letzten Tropfen aus dem Glas bis zum Nachbartisch flogen. »Keine Ahnung.Wirklich nicht.Wenn die Träume wieder aufhören, werde ich das Ganze wahrscheinlich einfach auf sich beruhen lassen und irgendwann vergessen. Doch wenn sie wiederkommen, könnte ich zum Beispiel nach Südafrika fliegen und Bongani suchen. Falls er noch lebt, müsste er ja den gleichen Traum träumen. Schließlich hat Shingwezi uns beide adoptiert.«

      Er beugte sich zu mir vor: »Wie gesagt, manchmal überlege ich sogar, ob diese Träume nicht irgendwie … von Gott kommen. Nebenbei: Wissen Sie, dass Martin Luther das Wort Elefant im Deutschen eingeführt hat? Ja, das stimmt wirklich. Im Althochdeutschen sagte man noch Helfant, von Helfen, ein hilfreiches Tier - und Helfenbein war der Knochen des hilfreichen Tieres. Luther hat dann das H weggelassen. Ich erzähle das auch, weil ich mich frage, ob es nicht an der Zeit ist, dass wir Menschen unsererseits anfangen, den Tieren zu helfen. Übrigens: Vielen Dank für die Einladung. Es war nett, Sie kennenzulernen. Vielleicht sehen wir uns ja mal wieder.«

      Sein Gesichtsausdruck war so freundlich und herzlich, dass ich - als wäre das selbstverständlich - erwiderte: »Hey, wenn das mit Ihrer Elefanten-Karawane was wird, rufen Sie mich doch kurz an.Vielleicht brauchen Sie ja jemanden für die Pressearbeit.«

      Er nickte gedankenverloren und wir tauschten unsere Visitenkarten aus. Dann stand er auf und ging.

      Die Begegnung mit Hannibal Mayer hat mich in den darauffolgenden Wochen immer wieder beschäftigt.Vor allem, weil ich, als ich bezahlt und das Restaurant »Sambesi« verlassen hatte, auf dem Gartenzaun vor dem Biergarten einen rotbeinigen Reiher sitzen sah.

      Ich fragte an der Kasse nach, doch die junge, leicht schielende Frau schüttelte nur den Kopf und sagte in breitem Hessisch: »Rohtbeinische Reiäh gibt es im Obbel-Zoo ned.«

      Viele Monate hörte ich nichts von meinem ungewöhnlichen Gesprächspartner - und dann klingelte eines Nachts das Telefon.

      8. August 2005

      Afrika. Der zweitgrößte Kontinent der Erde - nach Asien. Dreißig Millionen Quadratkilometer Landfläche mit fast einer Milliarde Einwohnern. Und mit fünfhunderttausend Elefanten. Eine Welt für sich. Ein Schmelztiegel unterschiedlichster Kulturen, Religionen und Ideale.Wüste, Regenwald, Savanne und Vulkane. Und ich sitze in elftausend Metern Höhe im Nachtflug von Frankfurt nach Johannesburg. 22.40 Uhr von Rhein-Main. Fensterplatz. 21K.Vor mir Hühnchen mit Reis. Sieht aber genauso aus wie das Steak meines Sitznachbarn.

      Der Himmel ist wolkenlos. Eine unglaubliche Aussicht. Hin und wieder tauchen zwischen den dunklen Flächen Lichter auf. Manchmal nur ein Punkt, manchmal ein Band oder ein ganzes Meer - Zeichen einer Siedlung oder einer Stadt. Ich stelle mir vor, dass jedes dieser Lichter für eine Familie oder einen einzelnen Menschen steht, der da sein Leben möglichst sinnvoll gestalten will. Da unten, da tobt die nackte Existenz, da spielen sich in diesem Moment Schicksale, vielleicht sogar Dramen, ab. Mehr, als ein Schriftsteller je beschreiben oder erdenken könnte.

      Unter mir wird gerade geliebt und gehasst, gibt es Hunger und Völlerei, Angst und Hoffnung,Verzweiflung und tiefen Frieden. In dieser Nacht schlafen überall in diesen Hütten und Palästen Frauen mit ihren Männern. Einige werden dabei leidenschaftliche Erfüllung erfahren, andere nur ihre Pflicht tun - und einige den HIV-Erreger übertragen bekommen, diese heimtückischste Geißel des schwarzen Erdteils. Die Lebenserwartung in Afrika liegt bei siebenundvierzig Jahren. Ohne Aids wären es zweiundsechzig.

      Vom nördlichsten Punkt des Kontinents, dem Cape Blanc in Tunesien, bis zum Cape Agulhas in Südafrika sind es knapp achttausend Kilometer - eine Strecke, die ich mit der Boing 747 in knapp zehn Stunden hinter mich bringe. In dieser Zeit schaue ich sprachlos hinunter und frage mich, wie jemand ernsthaft eine Hollywood-Komödie im Bordprogramm anschauen kann, wenn unter uns all diese viel aufregenderen Geschichten zu erahnen sind.

      Gegen 6.00 Uhr werde ich dann doch müde. Und fange an zu grübeln.Warum sitze ich hier eigentlich? Ich liebe Afrika. Ja.Aber ist Hannibals Vorhaben nicht einfach ein Irrsinn? Worauf lasse ich mich da ein? Die Strecke, die ich gerade in einer Nacht hinter mich bringe, soll ich ernsthaft auf dem Rücken eines Elefanten zurücklegen - über Monate?

      Zwei Wochen zuvor hatte mich der Abenteurer nachts aus dem Bett geklingelt. Gegen 2.00 Uhr morgens.

      24. Juli 2005

      »Hallo, hier ist Hannibal.Wie geht es dir?«

      Ich war ganz sicher, dass wir uns im Opel-Zoo nicht geduzt hat-ten, aber er sprach mich so selbstverständlich mit ›Du‹ an, dass ich einfach darauf einging.

      »Hannibal?«

      »Ja, Fabian, der mit den Elefanten. Du wirst dich doch an mich erinnern, oder?«

      Ich stotterte ein wenig: »Klar. Der Reiher mit den roten Füßen. Die Träume. Die weißen Löwen.«

      »Genau. Jetzt ist es so weit. Du kannst kommen.«

      »Kommen? Wohin?«

      Das kräftige Lachen aus dem Telefonhörer weckte mich endgültig auf. »Na, nach Südafrika. Ich rufe gerade aus Pretoria an.«

      »Aus Pretoria?«

      »Ja. Die Träume wollten nicht aufhören, da bin ich hierhergeflogen. Und habe tatsächlich Bongani gefunden.War nicht ganz einfach. Aber das erzähle ich dir, wenn du da bist. Jetzt habe ich hier ein halbes Jahr mit den Behörden rumgezackert - und heute konnte ich die offizielle Genehmigung abholen. Stell dir vor: Ich darf hundert Elefanten aus dem Krügerpark aussiedeln und nach Deutschland bringen. Irre, oder?«

      Ich war noch völlig verschlafen. »Ja, klingt super. Und warum rufst du mich jetzt genau an?«

      Man mag über Hannibal Mayer denken, was man will, aber seine sonore, fröhliche Stimme war zu allen Zeiten unglaublich motivierend. »Fabian, du wolltest doch Pressearbeit für unsere Afrika-Tour machen. Hier wirst du gebraucht. Das hier ist ein Job, der nur auf dich gewartet hat. Und ich weiß ja, dass du in Frankfurt zurzeit ohnehin nicht besonders glücklich bist.«

      Ich

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